Tirol-Bashing in Bayern & Italien
LH Platter in Kufstein: "Diese Grenzkontrollen sind eine Schweinerei!"

- "Was hier stattfindet, ist ein Tirol-Bashing", so Platter über den Druck der Verkehrsminister aus Italien und Deutschland auf die EU-Kommission und auf Tirol.
- hochgeladen von Sebastian Noggler
Zwei Tage lang war die Tiroler Landesregierung an der Fachhochschule (FH) Kufstein in Klausur gegangen, um über die Auswirkungen des Koalitionsabkommens der neu angelobten türkis-grünen Bundesregierung auf Tirol zu beraten und ein rund 700 Millionen Euro schweres Investitions- und Förderpaket zu schnüren. Dass "das Transitkapitel" im Bundesregierungs-Übereinkommen eine Tiroler Handschrift trage, freut die Landeskoalition naturgemäß besonders. So könne vonseiten des Landes und des Bundes geeint gegenüber der EU, aber insbesondere Bayern und Italien aufgetreten werden.
KUFSTEIN/TIROL (nos). Wenig verwunderlich ist die durchaus gute Stimmung der Tiroler Landesregierungskoalition aus ÖVP und Grünen beim Blick auf die neu angelobte Bundesregierung und deren vorgelegtes Programm. Daran ließen auch LH Günther Platter (ÖVP) und seine Stellvertreterin Ingrid Felipe (Grüne) im Rahmen einer Pressekonferenz zur zuvor zu Ende gegangenen Klausur der Tiroler Landesregierung an der FH Kufstein keinen Zweifel. Sinngemäß erklärte Platter, ausschlaggebend sei weniger, ob einzelne Kapitel darin die Handschrift des einen oder des anderen Koalitionspartners trage, sondern, dass ein politisches Profil erkennbar sei. Was ihm, wie auch Ingrid Felipe, die im Verhandlerteam der Grünen die Bundeskoalition mit auslotete, besonders freue, sei eine erkennbare Tiroler Handschrift im Kapitel über Verkehr und Transit.
Bund und Land für "Kostenwahrheit" im Transport
Für Tirol und besonders für grenznahe Regionen wie Kufstein, sei damit eine bessere Verhandlungsbasis gegenüber der Europäischen Union, aber vor allem Deutschland und insbesondere Bayern, sowie Italien gegeben, da die Bundesregierung und die Tiroler Landesregierung nun beinah deckungsgleiche Positionen in Sachen Transitverkehr und Gegenmaßnahmen beziehen, meint der Tiroler LH.
Eine der Klima- und Verkehrs-Schrauben, die sich im Bundesregierungsprogramm wiederfinden und an der nun gedreht werden soll, sei eine Kostenwahrheit bei Produkten, erklärte Felipe. Bei einer Einpreisung von Transportkosten könne auch der Standort Tirol gestärkt werden, weil dadurch regionale Wirtschaftskreisläufe gestärkt würden.
Nach harscher Kritik vonseiten der italienischen Frächter-Lobby in den vergangenen Tagen, zeigte sich Mobilitätslandesrätin LHStv Felipe wenig interessiert an baldigen Gesprächen mit der Logistikbranche im südlichen Nachbarland. Der unfreundliche Ton aus Italien zeuge nicht von guten Voraussetzungen für eine Gesprächsbasis. "Das ist nicht gerade die Klientel, die ich am liebsten bediene", meinte Felipe. Falls es eine Einladung zu Gesprächen gäbe, würde sie diese aber wohl annehmen, so die grüne Landesrätin weiter.
Grenzkontrollen dort, Blockabfertigung hier
Mit den Nachbarn im Norden, also der Bundesrepublik Deutschland und besonders dem Freistaat Bayern, würden laufend Gespräche geführt, die Landesregierung werbe, so Felipe, "in unterschiedlichen Besetzungen" in Bayern für die Tiroler Positionen und mehr Bewegung im Freistaat. Dabei geht es nicht nur um das gemeinsame Planungs- und Bauvorhaben im Brenner-Basistunnel-Nordzulauf im Großraum zwischen Kufstein und Rosenheim, sondern besonders um Möglichkeiten zur Reduktion des Lkw-Transits über die Brenner-Achse und um die Grenzkontrollen der deutschen Bundespolizei an den Staatsgrenzen zu Österreich.
Diese sorgen seit ihrer Einführung für teils massive Stauungen auf der A12 Inntalautobahn in Fahrtrichtung Deutschland, anfangs kam es auch zu zahlreichen, teils schwersten Auffahrunfällen im Rückstaubereich. Mehrfach wurde diese Ausnahme vom europäischen Schengen-Regime von der BRD verlängert, als Grund dafür wird eine Bedrohungslage der Inneren Sicherheit Deutschlands angegeben. Kritiker sehen darin einen Verstoß gegen geltendes europäisches Recht, LH Günther Platter nannte sie am Rande der Regierungsklausur "eine Schweinerei" und hinterfragte den tatsächlichen Nutzen dieser Kontrollen (siehe Video).
Quasi im Gegenzug provozieren auch die Tiroler Stau auf der Autobahn jenseits der Staatsgrenze, nämlich in Form der Lkw-Dosierungen bei Kufstein. "Eine Notwehrmaßnahme" nennt die Tiroler Landesregierung diese Blockabfertigungen. Damit sollen Verkehrsfluss und -sicherheit erhalten bleiben. Auch die Abfahrverbote für Lkw zu manchen "Billigtankstellen" und für ortsfremde Pkw, die Maut oder Stau umgehen wollen, zählen Platter und Felipe zur Notwehr und kündigten an, diese Maßnahmen auch jedenfalls aufrecht zu erhalten, teils auch zu verschärfen. So seien derzeit weitere Fahrverbote in Richtung "Billigtankstellen" in Prüfung, wie Felipe ausführte. Sie merkte an, dass dies eine durchaus komplexe Materie sei, denn "wir haben an beinah jeder Autobahnabfahrt eine relativ billige Tankstelle in der Nähe".
Durchaus Wirkung zeigen die Zurückweisungen von Pkw auf die Autobahn. Im Bezirk Kufstein zählte das Land Tirol von 21. bis 22. Dezember rund 70, am 28. und 29. Dezember etwa 1.370 und zwischen 4. und 6. Jänner rund 740 Pkw-Zurückweisungen.
Bashing aus Deutschland und Italien
Die Tiroler Maßnahmen, so auch das sektorale Fahrverbot und die nunmehrige Verschärfung für bestimmte Gütergruppen entlang der Transitroute, stoßen freilich nicht auf Gegenliebe bei Politik und Lobbyverbänden in Deutschland und Italien. LH Platter berichtete von kürzlich erfolgten Gesprächen mit der neuen zuständigen EU-Kommissarin Adina Vălean, die "durchaus Verständnis" für die Situation und die Gegenmaßnahmen Tirols gezeigt habe, so Platter. Allerdings würden etwa die Verkehrsminister der beiden Nachbarstaaten großen Druck aufzubauen versuchen. "Was hier stattfindet, ist ein Tirol-Bashing", so Platter.
An den "Notwehrmaßnahmen" will die Landesregierung jedenfalls weiter festhalten, so lange es eben notwendig sei. Zudem erwarte man sich von Deutschland und Bayern die Einhaltung des in Berlin ausverhandelten "10-Punkte-Plans".
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Den Beitrag zum Förderungs- und Investitionsprogramm des Landes im Doppelbudget 2020/21 zur Standortsicherung in Tirol finden Sie hier.
Seit dem 1.1. 2020 gilt ein verschärftes sektorales Fahrverbot in Tirol – den Beitrag dazu finden Sie hier.
Mit 15. Dezember 2019 fiel die Vignettenpflicht auf der A12 zwischen der Staatsgrenze und Kufstein-Süd, sowie an vier weiteren Autobahnabschnitten in Österreich – einen Beitrag dazu finden Sie hier.
Einen Beitrag zum Treffen LH Platters mit EU-Verkehrskommissarin Adina Vălean finden Sie hier.
[b]




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