WKO-Präsident Leitl: "Brauchen zehn Milliarden Euro für Breitbandausbau in den nächsten drei Jahren – alleine zwei Milliarden für Oberösterreich"

Christoph Leitl, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich und Obmann der Initiative Wirtschaftsstandort Oberösterreich. | Foto: cityfoto/jasmina rahmanovic
  • Christoph Leitl, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich und Obmann der Initiative Wirtschaftsstandort Oberösterreich.
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Die neue Bundesregierung will, wie auch von der Wirtschaftskammer immer wieder gefordert, die Bürokratie abbauen – wie soll das konkret aussehen?
Unser Motto: „Beraten statt bestrafen!“ Wenn einer etwas vorsätzlich oder systematisch macht, dann gehören Strafen her. Bei der Unmenge an Vorschriften ist es aber gar nicht möglich, alles zu wissen und zu kennen. Wenn irgendwem deshalb etwas passiert, dann soll es Beratung geben und nicht die horrenden Strafen.Es geht darum, den Paragraphendschungel auszulichten, damit Rechte wahrnehmbar sind. Es kann nicht sein, dass man 15 Jahre alleine für Planungs- und Genehmigungssachen braucht – für die Brücke in Mauthausen, den Linzer Westring. Wo gefinkelte Leute zuerst den Wachtelkönig einreichen, und wenn das ganz ausgeschöpft ist in der letzten Instanz, dann wird ein Fledermaus-Habitat eingebracht und am Schluss gibt es noch einen Biber, der sich irgendwo versteckt hat. Dieses mutwillige Verzögern hat nichts mit Bürgerrechten zu tun.

Als zweites entscheidendes Standort-Thema neben dem Bürokratie-Abbau sehen Sie den Kampf gegen den Fachkräfte-Mangel. Wie kann der gewonnen werden?
Österreich ist international ein Top-Beispiel für die Verbindung von schulischer und beruflicher Ausbildung. Daher haben wir neben der Schweiz und Deutschland, die Ähnliches machen, eine außerordentlich niedrige Jugendarbeitslosigkeit. Das zeigt umgekehrt: Wer junge Menschen in Beschäftigung bringen will, muss sie in die Betriebe hineinwachsen lassen. Es gibt immer noch Eltern, die glauben: Eine höhere Schule ist das Richtige. Wir müssen von diesem Denken Abschied nehmen und fragen: Wo liegt die Begabung eines Kindes, welcher Bildungs- und Berufsweg kann darauf aufgesetzt werden? Die beratende Begleitung gibt die Wirtschaftskammer. Auf diese Leistung bin ich ganz besonders stolz, das hat der Staat nie zusammengebracht, darum machen wir es selbst. Alle die fragen, wozu braucht man eine Wirtschafskammer, haben damit eine Teilantwort.

Lehre mit Matura und Matura mit Lehre

Wie können aber nun mehr Jugendliche von einer Lehrausbildung überzeugt werden?
Egal wo ein junger Mensch nun startet: Er soll die Möglichkeit haben, beides zu haben: Einen beruflichen und einen höheren Schulabschluss. Also: Lehre mit Matura – das machen schon zehn Prozent unserer Lehrlinge. Und umgekehrt: Wenn einer Matura hat und nicht weiß, was er studieren soll, kann er eine intensive Ausbildung in einem Berufsfach machen, sodass er mit 19 Jahren beides hat. Damit stehen den Jungen alle Chancen dieser Welt offen – weil sie ein breites Allgemeinwissen haben und ein spezifisches Fachwissen. Denn wir sollten die breite Allgemeinbildung nicht unterschätzen. Wir leben von Innovation, Kreativität – das heißt Verknüpfen verschiedener Wissensgebiete.

Was sind die Wünsche der Wirtschaftskammer und der Initiative Wirtschaftsstandort OÖ an die neue Bundesregierung?
Die Bundesregierung hat sowohl mit ihrem Programm als auch mit ihren ersten Aktionen gezeigt, dass es ihr ernst ist. Sie hat bei der Senkung der Lohnnebenkosten, bei den Arbeitnehmern, bei den Kleinstverdienern begonnen. Das haben wir unterstützt. Uns ist eine Entlastung wichtig. Und wir wünschen uns, dass jetzt der Bundeshaushalt in Ordnung gebracht wird, dass also keine neuen Schulden mehr gemacht werden. Das ist ja fürchterlich. Die Wirtschaft läuft und läuft und läuft, bringt Steuern und Abgaben in einer Höhe wie nie zuvor. Und der Staat macht weiterhin Schulden, das ist ja absurd.


Flächendeckendes Breitband in den nächsten drei Jahren – sonst wird es "gefährlich"

Finanzielle Entlastung und Schuldenbremse werden sich aber nicht leicht vereinbaren lassen ...
Erstens: Wenn die Wirtschaft gut läuft, sprudeln die Einnahmen. Die beste Gegenfinanzierung ist die Konjunktur. Daher muss man die Wirtschaft fördern, damit die Einnahmen sprudeln. Eine Kuh, die gut frisst, gibt auch viel Milch. Zweitens: Der Staat muss – und da gibt es auch ein entsprechendes Einsparungsprogramm in den Ministerien, 1,5 Milliarden soll das bringen – der Staat muss auch die Möglichkeit einer besseren IT wieder nützen. Wenn da kein Kostendruck ist, dann ändert sich nichts. Es ändert sich nur was, wenn strenge Vorgaben da sind. Der jetzige Finanzminister macht das sehr gescheit: Er gibt eine Budgetvorgabe. So habe ich auch damals das Landesbudget in Ordnung gebracht. Ich habe mir ausgerechnet: Wenn ich auf ein Nullbudget kommen will, muss ich diese Vorgabe machen. Und dann habe ich gesagt: Wie ihr das macht, welche Schwerpunkte ihr setzt, liegt in eurer politischen Verantwortung.

Es braucht aber auch noch viel Geld für neue Projekte – Stichwort "Breitband" ...
Ja, es geht nicht nur darum, dass man keine Schulden macht. Wir wollen auch Zukunftsinvestitionen leisten, flächendeckendes Breitband in den ländlichen Gebieten anbieten, das ist die Lebensader der Zukunft. Dort, wo kein digitales Netzwerk ist, findet Zukunft nicht statt. Das kostet aber eine Menge Geld, wo nehmen wir das her? Wir brauchen in ganz Österreich zehn Milliarden in den nächsten drei Jahren. Oberösterreich würde hier zwei Milliarden brauchen. Wir müssen alles tun, damit wir die Flächendeckung in den nächsten drei Jahren erreichen. Deutschland macht diese Anstrengung. Wenn Österreich nicht mithält, wird es gefährlich.

"Regionen sind die Zukunft, nicht Nationalstaaten"

Dazu gilt es, die Kräfte zu bündeln. Andererseits fordern Sie im Namen der Initiative Wirtschaftsstandort OÖ immer wieder, Bundesdienststellen in die Länder zu verlegen. Ist das wirklich praktisch umsetzbar?
Ich bin Obmann der Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen. Wir haben den gesamten Kundendienst und einen Großteil des Service nicht in Wien, sondern in Salzburg. Wenn einer anruft, ist ihm das völlig wurscht, ob die Info aus Salzburg, Graz, Linz oder Wien kommt. Das zeigt, wie Bundesdienststellen sinnvollerweise verlagerbar sind.

Aber eine Bundesdienststelle ist ja nicht nur ein Call Center ...

Alles, was nicht im rechtlichen Bereich ist und nicht mit Ministerien und EU in Verbindung steht, sondern was im Servicebereich angesiedelt ist, da sind die Länder wesentlich bürgernäher. Für alle diese Bereiche, und das sind große Teile der Sozial- oder Bildungspolitik, gilt: Freiheit den Regionen. Die Regionen sind künftig das Entscheidende für die Entwicklung Europas, nicht die Nationalstaaten.

Mit "souveräner Gelassenheit" auf Strafzölle reagieren

Das sollten Sie Herrn Trump mal genauer erklären. Wie werden sich die Strafzölle auf Österreich und Oberösterreich auswirken.
Wir leben davon, dass wir offene Märkte haben. Wir sind damit gut gefahren, haben damit auch schwächere Märkte einbinden können. Wir haben damit die Welt – auch wenn es vielleicht derzeit politisch absurd kling – ein bisschen stabilisieren können. Die weltweite Armut ist rückläufig gewesen Durch die vielfach gescholtene Vernetzung der Welt und die Arbeitsteilung. Und jetzt kommt einer daher, setzt den Egoismus an erste Stelle: America first. Und dazu Xi Jinping, der mit allen Vollmachten ausgestattet wurde: China strong. Und was haben wir Europäer? Wir sollten eine sehr bescheidene Ansage machen, aber eine wirkungsvolle: Europe competitive – wettbewerbsfähig. Wir werden die Amerikaner bei der Smartphone-Technologie nicht einholen, die Asiaten nicht bei der Elektromobilität. Aber bei deep technology, artificial intelligence, Vernetzung, Internet der Dinge, da sind wir mit unseren Begabungen, unseren Verknüpfungen, unseren Kombinationsmöglichkeiten gut, da haben wir eine Chance. Wissen ist weltweit verfügbar. Gewinnen wird, wer dieses Wissen zu neuen Produkten und Dienstleistungen verknüpft und schneller am Markt ist als alle anderen. Das ist die Chance Europas.

Aber soll Europa auf die Strafzölle, auf den amerikanischen Protektionismus reagieren – wenn ja, wie?
Mit einer gewissen souveränen Gelassenheit. Man braucht sich nicht alles gefallen lassen. Man muss reagieren, aber so reagieren, dass man damit nicht wieder Gegenreaktionen provoziert. 

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