18. September: Leopoldstadt – zwischen Van-der-Bellen-Effekt und Wahlverfälschung
Jetzt ist es tatsächlich passiert. Die Grünen sind entgegen aller Erwartungen die großen Sieger der Leopoldstadt-Wahl. Und Uschi Lichtenegger wird die neue Bezirksvorsteherin.
Schon vor der Wahl war die Angst bei den Roten spürbar gewesen. Zu groß war mit 38,64 Prozent zu 22,15 Prozent der Abstand zu den zweitplatzierten Grünen gewesen. Dass viele angestammte Rot-Wähler nicht mehr wählen gehen würden, weil der Sieg ohnehin sicher schien, lag auf der Hand.
Um dem entgegenzuwirken hat SPÖ-Bezirksvorsteher Karlheinz Hora versucht, ein Duell mit der FPÖ zu inszenieren. Streitgespräche und eine bewusste Gegenposition zum FPÖ-Lieblingsthema „unsicherer Praterstern“ inklusive. Kein schlechter Gedanke, das rot-blaue Duell rund um Michael Häupl und Heinz-Christian Strache hat bei der Wien-Wahl vor einem Jahr für die Roten schließlich schon mal gut funktioniert.
Doch Hora hat sich verkalkuliert. Er hat alles dafür getan, den Bezirksvorsteher nicht an die Blauen zu verlieren. Und hat dabei ganz auf die Grünen vergessen. (Oder diese bewusst außen vor gelassen).
Und diese haben im Wahlkampf alles richtig gemacht. Sie waren ständig auf der Straße präsent – mit der geballten Unterstützung der Grünpolitiker der anderen Bezirke. Sie haben sich mit ihren Wahlkampfthemen an der Bundespräsidentenwahl orientiert und sich beispielsweise gegen eine Spaltung des Bezirks ausgesprochen. Dass der Van-der-Bellen-Effekt in einem innerstädtischen Bezirk ziehen würde, hätte man vorhersehen können. Mit dem Spruch „Es werde Lichtenegger“ haben sie nicht einmal auf den obligatorischen schlechten Wahlkampf-Wortwitz vergessen.
Zudem haben sie sich – genau wie die Roten - auch als Gegner der Blauen positioniert. Warum das hier besser funktioniert hat? Zum einen, weil es hier glaubwürdiger war, dass die Grünen jede Stimme brauchen, um zu gewinnen. Im ersten Wahlgang trennten Blau und Grün schließlich nur 21 Stimmen. Zum anderen ist das Duell Hofer-Van der Bellen derzeit weit präsenter als das Duell Häupl-Strache. Und nicht zu vergessen: In der Leopoldstadt ist es ein offenes Geheimnis, dass Hora lieber einen blauen als einen grünen Vize gehabt hätte. Die Kampfansage der Grünen war demnach wesentlich authentischer als die von Hora.
Das Ergebnis: ein Erdrutschsieg für die Grünen und eine Niederlage für alle anderen.
Trotz allem bleiben am Ende des Tages zwei Fragen ungeklärt: Zeigt die niedrige Wahlbeteiligung, dass die Wichtigkeit der Bezirkspolitik nicht bei den Wählern angekommen ist? Und bildet das jetzige Ergebnis wirklich den Wählerwillen ab? Denn möglicherweise haben die Bundespolitik und die Posse rund um alle Wahlverschiebungen das Wahlergebnis mehr verfälscht als ein paar schlecht zugeklebte Kuverts.
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