Kaunertal
Warnung vor steigenden Naturgefahren beim Kraftwerksausbau
Die Umweltschutzorganisation WWF und der Verein "Lebenswertes Kaunertal" warnen vor steigenden Naturgefahren im Kaunertal. Die Hänge rund um den Gepatschspeicher seien jetzt schon instabil. Der geplante Ausbau des Kraftwerks Kaunertal zu einem Pumpspeicherkraftwerk würden die Lage noch verschärfen, warnen geologische Gutachten. Eine "unabhängige Expertenkommission" solle vom Land eingesetzt werden. Die TIWAG hingegen verweist auf laufende Prüfungen.
KAUNERTAL (otko). Der landeseigene Energieversorger TIWAG plant das bestehende Kraftwerk Kaunertal zu einem Pumpspeicherkraftwerk auszubauen. Rund zwei Milliarden Euro sollen investiert und die produzierte Strommenge verdreifacht werden. Geplant ist die Überleitung der Venter und Gurgler Ache aus dem Ötztal in das Kaunertal sowie ein zusätzlicher Stausee im Platzertal (Oberes Gericht). Seit 2012 lauf das UVP-Verfahren. Ende Februar 2023 soll eine Entscheidung fallen, wie es mit dem Projekt weitergeht. Umweltorganisationen, Stimmen aus der Wissenschaft und die Alpenvereine kritisieren hingegen die TIWAG-Pläne und fordern einen Ausbau-Stopp.
Kraftwerksbau und Klimakrise
Im Rahmen eines Pressgesprächs am 12. Jänner in Innsbruck erneuerten die Umweltschutzorganisation WWF und die lokale Bürgerinitiative "Lebenswertes Kaunertal" ihre Bedenken und die Ablehnung gegen den Kraftwerksausbau. Gerade jetzt verstärke die Klimakrise die geologische Situation rund um den Gepatschspeicher im Kaunertal.
"Die Sicherheitsbedenken gibt es seit der Inbetriebnahme des Kraftwerks in den 1960er Jahren. Die Hänge rund um den Speichersee rutschen seither konstant und sind instabil. Hauptverantwortlich dafür ist der Betrieb des Kraftwerks Kaunertal",
betonte WWF-Gewässerschutzexpertin Bettina Urbanek. Der Ausbau zur Kraftwerksgruppe würde das Risiko für Naturkatastrophen weiter erhöhen. Zu diesen Ergebnissen kommen zwei aktuelle geologische Gutachten aus dem Jahr 2016 und dem Jahr 2020, die der Naturschutzorganisation WWF Österreich vorliegen. Diese Fremd-Gutachten wurden bei einem Behördenverfahren für die Errichtung von Lawinen-Sprengmasten eingebracht. Der WWF ließ diese jetzt nochmals von einem Geotechniker auf ihre Plausibilität prüfen.
Als wichtigsten Faktor für die Hangbewegungen nennen beide Stellungnahmen die jährlichen Wasserspiegelschwankungen durch den Kraftwerksbetrieb.
"Mit dem Ausbau des Stausees zum Pumpspeicher würden die Wasserspiegelschwankungen stärker und schneller werden und so das Risiko erhöhen",
warnt Urbanek.
Dazu kommen jetzt auch noch die spürbaren Auswirkungen des Klimawandels. Die Klimakrise wirke sich stärker auf den Alpenraum aus und führe neben der Gletscherschmelze zu Starkniederschlagsereignissen und zum Auftauen der Permafrostböden. Dadurch steige die Gefahr von Muren- und Felssturzereignissen. Schon im Winter 2018/2019 hätten laut Urbanek starke Niederschläge zu den umfangreichsten Bewegungen im Westhang seit den 1960er-Jahren geführt. Aus Sicherheitsgründen musste der Kraftwerksbetrieb eingeschränkt werden.
"Lebenswertes Kaunertal" für Planungsstopp
Für Anita Hofmann, Obfrau des Vereins "Lebenswertes Kaunertal", ist es ist völlig inakzeptabel, die Bevölkerung einem so großen Risiko auszusetzen.
"Der Hausverstand sagt, dass man in einem solchen Gelände keine weiteren Baumaßnahmen setzt. Bereits jetzt hat es bei der Stauung massive Setzungen gegeben. Zudem gibt es immer wieder Vorkommnisse am Westhang, die zu Setzungen an der Straße führen. Wir haben jetzt schon ein ungutes Gefühl, wenn der Stausee voll ist und die Sirenen heulen. Bei einem Vorkommnis wie einem Fels- oder Hangsturz ist niemand mehr in der Lage, dies unter Kontrolle zu halten. Wir sind jeden Tag damit konfrontiert und viele Leute sind in Sorge und haben Angst."
Oberstes Ziel der Bürgerinitiative sei es daher, dass das Ausbauprojekt nicht weiterverfolgt wird.
"Wir wollen das Projekt von vornherein verhindern und jetzt aufmerksam machen, bevor es in Richtung UVP-Verfahren geht",
so Hofmann.
In diesem Zusammenhang fordert der WWF gemeinsam mit dem Verein "Lebenswertes Kaunertal" die Tiroler Landesregierung auf, das Projekt sofort zu stoppen und eine unabhängige Kommission mit der umfassenden Untersuchung der steigenden Naturgefahren im Kaunertal zu beauftragen.
TIWAG verweist auf laufende Prüfungen
Naturgemäß eine andere Beurteilung der Lage gibt es hingegen vom TIWAG-Vertreter Wolfgang Stroppa, Leiter des Programmbüros für Kraftwerksprojekte, der ebenfalls bei der Pressekonferenz am Rande vor Ort war.
"Die unabhängige Staubeckenkommission, die beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft angesiedelt ist, beurteilt und überprüft schon seit den 1960er Jahren regelmäßig den Gepatschspeicher und die Situation im Kaunertal rund um das Kraftwerk."
Zudem liege auch ein Gutachten dieser Staubeckenkommission zu den Ausbauplänen aus dem Jahr 2014/15 vor.
"Mit entsprechenden Auflagen wie Drainagierungen und zusätzlichen Messpunkten wurde das Ausbauprojekt positiv beurteilt",
verwies Stroppa.
Liste Fritz fordert sofortigen Stopp des Megaprojektes
Für Liste Fritz Klubobmann Markus Sint sind die beiden Gutachten ein Argument mehr und Grund genug, sämtliche Pläne der TIWAG für ein Mega-Pumpspeicherkraftwerk im Kaunertal sofort auf Eis zu legen.
„Die Gutachten verheißen nichts Gutes. Sie sind ein Alarmsignal und Weckruf und sind unbedingt ernst zu nehmen. Aus umwelt- und naturschutzrechtlichen Gründen, aufgrund sicherheitstechnischer Überlegungen und aufgrund wirtschaftlicher Gegebenheiten gehört dieses Kaunertal-Kraftwerk sofort gestoppt, bevor das Landesunternehmen TIWAG noch weitere Millionen an Tiroler Steuergeld für Gutachten und Planungen ausgibt. Dies vor allem auch im Hinblick auf die zunehmende Wasserknappheit als Folge des Klimawandel“,
so Sint.
Zudem ist für den Klubobmann dieses Projekt keinesfalls, wie von der schwarz-roten Landesregierung behauptet, ein Vorzeigeprojekt für die Energiewende in Tirol. Zumal dieses heute weder fertig geplant noch fertig verhandelt noch fertig gebaut ist und so frühestens in 15 bis 20 Jahren Strom produziert. Die Liste Fritz lehnt dieses Megabauprojekt auch deshalb ab, weil mit dem Platzertal ein ganzes Tal geflutet werden soll und eine große Moorlandschaft im Ausmaß von neun Fußballfeldern unwiederbringlich zerstört wird.
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