Causa Ischgl
Zweiter Prozess – VSV beantragt Beweissicherung von Zeugenaussagen
ISCHGL, WIEN (otko). Die Prozess-Serie in der Causa Ischgl geht am Landesgericht für Zivilrechtssachen in Wien weiter. Ein deutscher Urlauber, der lebensgefährlich an Covid-19 erkrankte, fordert von der Republik Österreich 90.000 Euro Schadensersatz. Auch hier ergeht das Urteil schriftlich. Indes regt der Verbraucherschutzverein (VSV) ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH an.
Erstes Urteil ergeht schriftlich
In der Causa Ischgl fand am 17. September 2021 am Landesgericht für Zivilrechtssachen die erste Verhandlung in der Klage von Hinterbliebenen eines österreichischen Covid-19 Opfers gegen die Republik Österreich statt. Die Verhandlung wurde ohne Beweisverfahren geschlossen, das Urteil soll schriftlich ergehen – die BEZIRKSBLÄTTER berichteten.
Urlauber fordert 90.000 Euro Schadensersatz
Am Landesgericht für Zivilrechtssachen ging am Donnerstag (30. September) die gerichtliche Aufarbeitung in die zweite Runde. Ein deutscher Tourist, der im Paznauner Ort Galtür im März 2020 in Urlaub machte, erkrankte danach lebensgefährlich an Covid-19. Während seines Aufenthaltes besuchte er auch ein inzwischen über die Grenzen hinaus bekannte Après-Ski-Bar in Ischgl, wo sich zahlreiche Urlauber angesteckt haben sollen. Der Mann aus Baden-Württemberg leidet seither unter dem "Long-Covid"-Syndrom. Nun verklagte er die Republik Österreich auf 76.000 Euro Schadensersatz. Unterstützt wird er dabei vom VSV (Verbraucherschutzverein).
Das Verfahren wurde nach nicht einmal einer Stunde von der Richterin abgeschlossen. Sämtliche Anträge wurden abgelehnt, darunter auch die Erhöhung des Schadensersatzes von 76.000 auf 90.000 Euro. Wie bereits in der ersten Verhandlung gab es auch hier kein Beweisverfahren mit Zeugen – das Urteil ergeht schriftlich.
Prominente Zeugen für Beweissicherungsverfahren
„Das Multiorganversagen der österreichischen Behörden in Sachen Ischgl fand vor eineinhalb Jahren statt. Die Pandemie hat eine frühere Verhandlung nicht möglich gemacht. Doch nun drohen weitere Jahre zu vergehen, bis der Oberste Gerichtshof über die Rechtsfrage entschieden hat, ob das Epidemiegesetz nur die Volksgesundheit oder – was nahe liegt – auch die Gesundheit von Individuen schützt,“
sagt Peter Kolba, Obmann des Verbraucherschutzvereines. „Wenn Zeugen dann erst in drei bis vier Jahren seit den Ereignissen vor Ort vernommen werden, dann kann sich kaum mehr jemand an Details erinnern. Daher werden wir in den Verfahren Anträge auf Beweissicherung stellen.“
Rechtsanwalt Dr. Alexander Klauser stützt laut der Aussendung des VSV die Beweissicherungsanträge für die Vernehmung von über 15 Zeugen, darunter Bundeskanzler Kurz, Ex-Gesundheitsminister Anschober, Innenminister Nehammer und Landeshauptmann Platter darauf, dass es gerichtbekannt ist, dass die Erinnerungsfähigkeit von Zeugen und Parteien mit fortlaufender Zeit abnimmt.
Rasche Vernehmungen sind auch deshalb nötig, weil im zentralen Krisenstab des Innenministeriums (SKKM) im Frühjahr 2020 kein offizielles Protokoll der Sitzungen erstellt wurde und der damalige organisatorische Leiter dieses Gremiums – der ehemalige Generaldirektor für öffentliche Sicherheit Lang – in seiner Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft Innsbruck sich bereits deshalb auch auf Gedächtnislücken berufen musste.
Schließlich zeigt auch das Beispiel des Ex-Gesundheitsministers Anschober, dass über längere Zeit ein innegehabtes politisches Amt bis zu einer späten Vernehmung bereits verloren sein kann und der Zeuge deshalb nicht auf seinerzeitige Unterlagen zugreifen kann.
Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH
„Wenn man bedenkt, dass Bundeskanzler Kurz – selbst in jungen Jahren – sich im Ibiza-Untersuchungsausschuss kolportierte 68 Mal auf Erinnerungslücken berufen musste, dann ist nachvollziehbar, dass die Zeugen – so auch Bundeskanzler Kurz – rasch vernommen werden müssen, um den Sachverhalt aufklären zu können,“
erklärt Peter Kolba.
Rechtsanwalt Klauser beruft sich in den Verfahren nun auch auf EU-Recht und regt an, ein Vorabentscheidungsverfahren an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu stellen.
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