Buchtipp
Günther Freitag: Ein Gedankenkarussell auf 250 Seiten
"Den Wald vor lauter Bäumen...": So lautet der Titel des neuen Buches von Günther Freitag, das im Wieser Verlag erschienen ist.
LEOBEN. Das lange Warten hat sich gelohnt: Der Leobener Autor Günther Freitag hat im Wieser Verlag ein neues Buch veröffentlicht – der Titel "Den Wald vor lauter Bäumen". Die Lektüre wird zu einem fesselnden Erlebnis, es gilt allerdings ein nicht enden wollendes Gedankenkarussell zwischen Realität und Fiktion zu entwirren.
Um Schuld und Versagens-Ängste dreht sich Günther Freitags neuer Roman, in dem er ein höchst ungleiches Brüderpaar vor den Vorhang holt.
Erinnerungspuzzle eines Scheiternden
Oskar, der im Süden Europa eine Autobahnbaustelle leitet, kämpft in einer fremden Welt aus unbekannten Regeln und mafiösen Verstrickungen gegen drohende Rückschläge. Nur schwer findet er sich in dieser Auseinandersetzung zurecht, nicht zuletzt deshalb, weil sich das Jugendstilhotel in einem Alpental, Kindheitsgefängnis für den Bruder und ihn, nicht abschütteln lässt. Der autoritäre Großvater drängt sich über seinen Tod hinaus in die Köpfe jener, die er zu Lebzeiten tyrannisch unterworfen hat.
Fluchtbewegung aus der Realität
Dubiose Vorgänge auf der Baustelle, tief am Stiefelabsatz Italiens gelegen, flößen dem Protagonisten Oskar Angst ein und bringen seine Erinnerungen in Gang. "In einer Art Wimmelbuch-Roman sollen Figuren und Erinnerungssplitter auftauchen, ohne den Zwang jeglicher zeitlich linearen Abfolge", so Freitag im Interview mit dem Radiosender Ö1.
Günther Freitags Bücher sind keine belehrenden Lebensweisheiten, sie eröffnen aber eine Fluchtbewegung aus der düsteren Realität, angesichts aktueller Kriege und politischer Auseinandersetzungen.
"Kunst kann gegen die Realität nichts ausrichten. Sie kann aber beim Einzelnen ein anderes Denken und größere Sensibilität bewirken. Sie ist ein Anstoss, sich mit etwas Schönem zu befassen und für einen Augenblick Leid und Elend auf der Welt nicht sehen zu müssen."
Günther Freitag
Die Vielfalt der Kunst
Glücklicherweise werde in Österreich Kunst nicht ausschließlich nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten beurteilt, ist Freitag überzeugt: "Der Staat lässt sich die Kunst etwas kosten, ihre Vielfalt ist ihm etwas wert. Das ermöglicht beispielsweise in der Literatur eine Vielfalt, die auch nicht so bekannten Autorinnen und Autorinnen die Möglichkeit zur Publikation ihrer Werke gibt. Ohne die wirklich gut funktionierende Förderung wäre das in dieser Form nicht möglich."
Buchtipp
Günther Freitag: "Den Wald vor lauter Bäumen..."
Dem bekannten Sprichwort entsprechend sehen die Figuren des Buches mehr als nur einmal den Wald vor lauter Bäumen nicht, wenn sich die nicht abzuschüttelnde, eigene Vergangenheit mit einer fremden Welt voller unbekannter Regeln tangiert.
Wieser Verlag, 250 Seiten, 24,00 €
ISBN: 978-3-99029-589-2
Zur Person
- Günther Freitag, geboren 1952 in Feldkirch/Vorarlberg, ist ein österreichischer Schriftsteller aus dem Umkreis des „Forum Stadtpark“ in Graz. Er wuchs in Graz auf, absolvierte dort ein Studium der Germanistik und Geschichte (Abschluss 1975). Seither lebt er in Leoben, wo er auch als Mittelschullehrer tätig war.
- Er schrieb Hörspiele für den ORF, die Theaterstücke Drei Traumkongruenzen (UA 1990 Forum Stadtpark Theater Graz), Rost (UA 2010 Stadttheater Leoben) und Donna Annas Gebiss (UA 2022 Stadttheater Leoben) sowie zahlreiche Romane.
- Brendels Fantasie eröffnete 2009 die Edition Elke Heidenreich bei C. Bertelsmann. Im Wieser Verlag sind erschienen: Piazza. Trieste (2006), Bienenkrieg (2008), Café Olympia (2013), Die Entführung der Anna Netrebko (2015), Melancholische Billeteure (2017), Mahlers Taktstock (2019) und Bacons Schatten (2021).
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