Mürzzuschlag – Wiege des mitteleuropäischen Skilauf

Max Kleinoscheg und Toni Schruf
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Mürzzuschlag – Wiege des mitteleuropäischen Skilauf

Bald nach der Eröffnung der Semmeringbahn war Mürzzuschlag im Sommer von lufthungrigen Großstädtern überfüllt, doch zwei Drittel des Jahres standen die Beherbergungsbetriebe leer. Die für den Fremdenverkehr Verantwortlichen suchten diesem Übel abzuhelfen, indem sie den Sommerfrischlern die „würzige“ Luft beim Eisschießen, Gasselfahren und Rodeln priesen. Doch die störischen Stadtfräcke zogen es vor, mit Theater, Bällen und Reunionen die kalte Jahreszeit zu verbringen, statt sich in Mürzzuschlag kalte Füße zu holen.
Da kam am Stefanitag 1890 der Grazer Max Kleinoscheg mit den Skiern, die er zwei Tage vorher aus Norwegen erhalten hatte, zu Toni Schruf ins Hotel Post. In Graz und auf dem Semmering hatte er die Brettel versucht, doch statt er erhofften sausenden Fahrten war er nur umhergestapft und im Schnee gelegen. Nun wollte er feststellen, ob der Schnee in Mürzzuschlag zum Skifahren besser geeignet sei, bevor er die teuren Brettel zu Brennholz machte.
Schruf erkannte sofort, dass diese langen Latten das Gerät wären, um die Sommerfrischler auch zu Wintergästen zu machen. Kaum brachten er, Kleinoscheg und der junge Chlupaty einige harmlose Rutscher zusammen, begann er die Zeitungen mit Aufsätzen zu bomdardieren. Schon im nächsten Winter bestieg er allein den Schwarzriegel, und am 8. Februar 1893 beschloss er, Kleinoscheg und der Brucker Wenderich auf dem Stuhleck, einen Skiverband ins Leben zu rufen.
Wie staunenswert schnell sich der Ski einbürgerte, konnte man am 1.Februar 1893 bei der Gründungsversammlung des „Verbandes steirischer Skiläufer“ im Hotel Post sehen. 113 neugebackene Jünger der weißen Kunst waren gekommen, darunter je einer aus Weipert in Böhmen und Laibach und drei auch Marburg. In 25 Orten des heutigen Österreichs wurde bereits gelaufen. Die stärksten Gruppen stellten Mürzzuschlag mit 26, Graz und Bruck mit je 18 und Leoben mit 7 Mitgliedern. Mürzzuschlag bestimmte man zum Vorort des Verbandes,
Dr. Ertl wählte man zum Präsidenten und Baumeister Böhm zum ersten Fahrwart.
Am nächsten Tag, den Lilchtmeßtag 1893, fand auf der Wasserleitungswiese (heute Pernreit) der erste mitteleuropäische Skiwettkampf statt. 20 Männer, 5 Frauen und sieben Buben stellten sich den Startern. Damit die Fahrer am Ziel anhalten konnten, hatte man Kohlenlösche gestreut und eine mit Holzwolle gefütterte Planke errichtet. Anschließend sprang der Norweger Samson über einen Misthaufen sechs Meter weit, eine Leistung, die Begeisterung auslöste. Schruf hatte es vermocht, viele Besitzer großer Jagdreviere und Offiziere des Generalstabes zu dieser Veranstaltung zu bringen.
Der Widerhall dieses ersten Wettkampfes war stark, die Skiimporteure machten gute Geschäfte, und unsere Tischler und Wagner begannen Brettel zu erzeugen.
Im nächsten Winter wurde erstmals „Alpenländische Meisterschaften“ ausgetragen. Sie waren die ersten internationalen Skiwettkämpfe der Welt, denn an ihnen nahmen fünf Norweger als Vertreter ihres Verbandes teil. Beim abschließenden Festabend regte Dr. Ertl die Gründung eines internationalen Verbandes an.
Zu den Meisterschaften der folgenden Jahre kamen immer mehr Bewerber. Doch um die Jahrhundertwende folgten mehrere schneearme Winter aufeinander. Damit schwand das Interesse am neuen Sport. Um es wieder zu heben, veranstaltete Schruf 1904 „Nordische Spiele“, die tatsächlich das erste Winter-Olympia waren, weil alle damals bekannten Disziplinen durchgeführt wurden. Skilanglauf, Skispringen, Snörekjöring, Eislang- und Eiskunstlauf, Eishockey, Eisschießen, Rodeln, Gasselfahren und Pferdeschlittenrennen. Vom Wetter begünstigt, waren diese Nordischen Spiele ein mächtiger Auftrieb für den gesamten Wintersport.
1909 führte Pokorny und der bekannte Wiener Kunstmaler Gustav Jahn die Österreichischen Meisterschaften durch.
Bis zum Ersten Weltkrieg gab es noch viele Wettkämpfe, aber nicht von Mürzzuschlag veranstaltet, sondern nur von auswärtigen Vereinen, der Markt stellte nur Gelände und Schnee bei. Unser bester Fahrer zu jener Zeit war Sepp Wittwer, dessen Siegestrophäen schon einen Kasten füllten.
Nach dem Ersten Weltkrieg vergrößerten Arbeiterturner und Naturfreunde die Ganzsteinschanze, die nur Sprünge bis 28 Meter zuließ, zuerst auf 35, später auf 50 Meter Weite. Mürzzuschlag wurde der Vorort des Arbeiter-Wintersportes, Theodor Hüttenegger übernahm 1927 die Stelle eines ASKÖ-Wintersportwarts für ganz Österreich. 1930 fanden die ersten Meisterschaften des ASKÖ (Arbeiterbund für Sport und Körperkultur Österreichs) statt.
Im nächsten Jahr wurde vom 4. Bis 8. Februar die Winterspiele der Arbeitersport-Internationale durchgeführt, an denen offizielle Vertreter aus Deutschland, Finnland, Lettland, der Schweiz, Tschechoslowakei und Ungarn teilnahmen, weiters Einzelstarter aus Norwegen und Dänemark. Ski-, Rodel-, Eislauf-, Eishockey und Eisschießbewerbe wurden ausgetragen.
1941 führte die 6. Gebirgsjäger-Division hier ihre Meisterschaft durch. Dann ruhte der Betrieb, zumal im nächsten Winter alle Brettel abgeliefert werden mussten. In der Tagespost hieß es am 1. Jänner 1942: Auch Skier sind Waffen! Darum muss die Parole gelten: das letzte Paar Skier an die Front! Die Frauen, Mütter und Schwestern werden die Skier ihrer Angehörigen, die an der Front stehen, abliefern“.
Nach dem zweiten großen Krieg fanden 1947 – in der trostlosesten Zeit, in der Hunger, Quartiermangel und fehlende Zugsverbindung die Abhaltung von Veranstaltungen gewagt erscheinen ließen – am 25. und 26. Jänner die Steirischen Alpinen Meisterschaften und am 8. und 9. Februar die ASKÖ-Meisterschaften statt. Die letzteren waren so ein Ereignis, das Minister, Landeshauptleute usw. kamen. Im nächsten Winter wurden nochmals die Steirischen Meisterschaften ausgetragen, und 1951 gingen wieder die ASKÖ-Meisterschaften über die Bühne.
Seither wurden mehrmals verschiedene steirische und auch Wiener Wettkämpfe austragen, und alljährlich werden ein oder auch zwei Springen veranstaltet.
(Feber 1961 bis laufend alljährl. im Jänner oder Feber)

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