Hans Köhl im Interview
Impulsgeber für die regionale Kultur
Heimatwerk und Salzburger Adventsingen: Hans Köhl im Interview über den Spagat zwischen Tradition und neuen Denkansätzen.
SALZBURG. Seit 1989 ist der gebürtige Steirer Hans Köhl Geschäftsführer des Salzburger Heimatwerks, zum Millennium im Jahr 2000 hat Köhl auch die Gesamtleitung für das Salzburger Adventsingen übernommen. Er versteht sich in dieser Funktion als Steuermann, der das Boot stabil durch die Wogen der Zeit bringt.
Mit Jahresende gibt der 65-Jährige das Ruder ab und wird sich als Geschäftsführer des Heimatwerks zurückziehen, das Salzburger Adventsingen wird er noch "behalten". Im Interview spricht Hans Köhl über das heurige Jubiläum des Adventsingens, welcher Leitgedanke ihn dabei begleitet und warum Regionalität und Tradition an Bedeutung gewonnen haben.
Herr Köhl, das Salzburger Adventsingen feiert heuer sein 75-jähriges Bestehen. Wofür steht das Adventsingen, welche Botschaft soll es den Menschen vermitteln?
Hans Köhl: Ich vergleiche das Salzburger Adventsingen gerne mit dem "Jedermann" der Salzburger Festspiele. Der "Jedermann" beschäftigt sich mit dem Mysterium des Todes, das Adventsingen mit jenem der Geburt – beide wurden als Friedensprojekte und für die Bevölkerung konzipiert. Der "Jedermann" nach dem Ersten Weltkrieg, das Salzburger Adventsingen im Jahr 1946 nach dem Zweiten Weltkrieg. Beide haben bis heute nichts von ihrer Strahlkraft verloren.
Sie selbst haben im Jahr 2000 die Gesamtleitung des Salzburger Adventsingens übernommen. Welchen Anspruch haben Sie an sich und an das Adventsingen gestellt, welcher Leitgedanke treibt Sie an?
Hans Köhl: Ich bin seit 1989 mit dem Salzburger Adventsingen vertraut und habe hier eng mit meinem Vorgänger, Tobias Reiser, gearbeitet. Nach seinem Tod wurde mir die Gesamtleitung übertragen. Ich sehe mich seit damals als Steuermann, der das Boot gut durch die Wogen bringt und stabil in die Zukunft führt. Der religiöse Aspekt und die adventliche Begebenheit blieben als Grundstock erhalten, es fließen aber jedes Jahr neue, aktuelle Elemente mit hinein. Die Menschen suchen auch heute noch nach Orientierung, die Bedürfnisse sind jedoch andere geworden. Die Gesellschaft ist neugieriger, kritischer, auch gegenüber dem, was die Kirche sagt.
Sie sagen, die "Menschen sind neugieriger", ist das für Sie einer der Hauptgründe, das Salzburger Adventsingen jedes Jahr neu zu inszenieren?
Hans Köhl: Sicherlich. Wenn man dem Publikum heute zwei Jahre hintereinander dasselbe Stück zeigen würde, würden die meisten im dritten Jahr nicht mehr kommen. Es braucht diese Abwechslung, die Menschen wollen neue Aspekte, neue Einflüsse sehen. Beständigkeit bei den Mitwirkenden hingegen ist für mich einer der zentralen Faktoren. Ob Regie oder Ensemble, die Kontinuität spielt eine enorme Rolle für die Qualität.
Der Titel des heurigen Stücks lautet "Fürchte dich nicht!". Damit treffen Sie wohl den Nerv vieler, die aufgrund der Pandemie von Sorgen oder Ängsten geplagt sind.
Hans Köhl: Das Stück passt genau in diese Zeit, wenngleich das in dem Fall dem Zufall geschuldet ist. Das Stück habe ich 2019 geschrieben, als noch niemand wusste, was ab dem Frühjahr 2020 auf uns zukommt. Meine Intention war, die jüdische Geschichte und Tradition aufzugreifen und die Menschen für das jüdische Leben zu sensibilisieren. Das Stück führt gedanklich zurück in die Zeit um Christi Geburt. Der bei den Hirten am Feld lebende Rabbi Jakob erzählt von einer Verheißung des Propheten Jesaja, der sprach: "Fürchte dich nicht …!". Das Adventsingen ist geprägt von neuen Denkansätzen, die in diesen bewegten Zeiten die Kraft der Hoffnung auf Frieden in sich tragen.
Der Faktor Unsicherheit spielt wohl auch bei Ihnen eine nicht unwesentliche Rolle. Die Infektionszahlen sind hoch, die Impfquote zu niedrig. Mit welchen Maßnahmen oder Einschränkungen rechnen Sie bei den Aufführungen?
Hans Köhl: Wir achten auf hohe Sicherheitsstandards. Bei unseren Mitwirkenden gilt die 2G-Regel, also geimpft oder genesen. Zuseher müssen nach Stand jetzt die 3G-Regel erfüllen. Wir hoffen jedenfalls auf eine 100-prozentige Auslastung. Bisher sind 85 Prozent der Karten gebucht.
Sie sind Geschäftsführer des Heimatwerks, einer Einrichtung zum Erhalt von regionalem Brauchtum, Volksmusik und Volkstanz. Mit Jahresende legen Sie diese Funktion zurück?
Hans Köhl: Ja. Ab 2022 wird es im Heimatwerk eine neue Geschäftsführerin geben. Ich bin kein Sesselkleber und mir war es wichtig, rechtzeitig die Weichen zu stellen und eine gute Übergabe zu machen. Die Leitung des Salzburger Adventsingens behalte ich noch, aber auch hier werde ich zeitgerecht einen geordneten Übergang vorbereiten.
Regionalität, Tradition, Brauchtum: Welchen Stellenwert haben diese Werte für die Menschen heute? Haben sie durch die Pandemie wieder an Bedeutung gewonnen?
Hans Köhl: Bei vielen Menschen hat ein Umdenken in Richtung "Weniger ist mehr" stattgefunden, es wird mehr auf die regionalen Kreisläufe geachtet. Wir als Heimatwerk verstehen uns als Plattform für regionale Kultur, wir wollen, angepasst an den Zeitgeist, Impulse geben und neue Denkansätze liefern.
Ich denke an die Tradition des Palmbuschenbindens. Früher sind die Leute auf den Markt gegangen, haben sich einen Palmbuschen gekauft und diesen nach Ostern entsorgt. Mein Ansatz war, den Menschen zu zeigen, wie ein Palmbuschen gemacht wird, welcher Brauch dahintersteckt. Wir haben dann begonnen, gemeinsam mit den Leuten vorm Heimatwerk diese Buschen zu binden und diese Aktivität haben viele Gemeinden aufgegriffen. Dadurch ist es gelungen, aus einem Familienbrauch einen Gemeinschaftsbrauch zu machen.
Einen Bericht, welche Handwerksbetriebe zum Blick hinter die Kulissen laden, könnt ihr hier lesen
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