Psychologie / Psychotherapie
Persönlichkeitsstörungen und Traumen

Was sind Persönlichkeitsstörungen?

Das Kennzeichen einer Persönlichkeitsstörung sind sehr lang anhaltende, tief verwurzelte Verhaltensmuster, Zustandsbilder und Neigungen.

Die Persönlichkeitsstörung ist generalisiert und kommt in verschiedenen Bereichen des Lebens zum Ausdruck. Sie ist entkoppelt vom Auslöser und tritt in unterschiedlichen Situationen auf, etwa dann, wenn ein Mensch immer Angst vor dem Verlassenwerden hat, obwohl es gar keinen Grund dafür gibt.

Film: "Borderline-Syndrom – Michelles Leben mit einer Persönlichkeitsstörung"

Typisch ist das gleiche, starre und typische Verhalten und Reagieren, das wenig flexibel ist und wenig alternative Handlungsspielräume zulässt. Der betroffene Mensch kann dabei nicht anders und hält auch keine neuen Handlungsmuster aus.

Zwischen Reiz und Reaktion besteht kaum ein Freiraum, die Impulskontrolle ist stark geschwächt und die Reaktionen (Wahrnehmung, Denken, Fühlen, Verhalten) weichen von denen der Mehrheit der Bevölkerung ab.

Für das soziale Umfeld eines Menschen mit Persönlichkeitsstörung kann dies schwer nachvollziehbar sein. Das soziale Umfeld stempelt die betroffenen Menschen oft als „Spinner“ oder „komisch“ ab und zieht sich zurück.

Die Ursachen einer Persönlichkeitsstörung sind teils angeboren (genetische Disposition), teils psychogen. Fast immer finden sich früh in der individuellen Entwicklung schwere und langanhaltende Traumatisierungen (etwa sexueller Missbrauch, körperliche und psychische Gewalt, Verwahrlosung…).

Verbreitete Persönlichkeitsstörungen sind:

  • Die Emotional instabile Persönlichkeitsstörung (Borderline-Typus)
  • Die Narzisstische Persönlichkeitsstörung
  • Die Dissoziale Persönlichkeitsstörung
  • Die Histrionische Persönlichkeitsstörung
  • Die Paranoide Persönlichkeitsstörung
  • Die Schizoide Persönlichkeitsstörung
  • Die Selbstunsichere Persönlichkeitsstörung
  • Die Dependente Persönlichkeitsstörung
  • Die Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung


Emotional instabile Persönlichkeitsstörung (Borderline-Typus)

Die Borderline-Störung ist eine weit verbreitete Persönlichkeitsstörung und stellt ein komplexes Krankheitsbild dar.
Borderline kann anhand verschiedener Verhaltensweisen und bezeichnender Persönlichkeitszüge diagnostiziert werden. Für die Diagnose muss insbesondere ein stark impulsives Verhalten sowie ein tiefgreifendes Muster von Instabilität in den Affekten, im Selbstbild und in zwischenmenschlichen Beziehungen vorhanden sein. Meist zeigen sich die Verhaltensweisen über einen längeren Zeitraum und haben sich bereits während der Pubertät abgezeichnet.

Des Weiteren müssen mindestens fünf der folgenden Kriterien erfüllt sein, damit eine Borderline-Störung vorliegt:

  1. 1Verzweifeltes Bemühen, reales oder imaginäres Alleinsein zu verhindern.
  2. Ein Muster von instabilen und intensiven zwischenmenschlichen Beziehungen.
  3. Identitätsstörungen: Eine ausgeprägte Instabilität des Selbstbildes oder des Gefühls für sich selbst.
  4. Impulsivität in mindestens zwei potentiell selbstbeschädigenden Bereichen (z.B. Geldausgeben, Sex, Substanzmissbrauch, rücksichtsloses Fahren, Fressanfälle).
  5. Wiederkehrende Suiziddrohungen, -andeutungen oder –versuche oder selbstschädigendes Verhalten.
  6. Affektive Instabilität, die durch eine ausgeprägte Orientierung an der aktuellen Stimmung gekennzeichnet ist (z.B. starke episodische Niedergeschlagenheit, Reizbarkeit oder Angst).
  7. Chronisches Gefühl der Leere.
  8. Unangemessen starke Wut oder Schwierigkeiten, Wut oder Ärger zu kontrollieren (z.B. häufige Wutausbrüche, andauernder Ärger, wiederholte Prügeleien).
  9. Vorübergehende stressabhängige paranoide Vorstellungen oder schwere dissoziative Symptome.

Nicht alle Betroffenen, die an Borderline leiden, fügen sich selbst Verletzungen zu. Auch sind nicht alle suchtkrank. Allerdings tritt die Borderline-Störung meist mit anderen Krankheiten und Störungsbildern auf.

Menschen mit Borderline werden oft schnell aufgrund ihrer Diagnose stigmatisiert. In meiner Arbeit mache ich allerdings immer wieder die Erfahrung, dass die Betroffenen über zahlreiche Ressourcen verfügen. So sind viele Personen mit der Diagnose Borderline sehr kreative und künstlerische Menschen, haben oft vielfältige Begabungen, Feinfühligkeit und spüren rasch, was in anderen Menschen vorgeht, haben Humor, sind herzlich und zu intensiven Gefühlen fähig und begeisterungsfähig.

Oft wird Personen mit Borderline unterstellt, dass sie sehr manipulativ seien. Diese Erfahrung kann ich so nicht bestätigen. Wenn das soziale Umfeld gut, klar und strukturiert mit den Betroffenen umgeht, dann verhalten sich Personen mit Borderline nicht mehr oder weniger manipulativ als andere Menschen auch. Ein missbräuchliches und gewaltsames Umfeld hingegen kann für Menschen mit Borderline sehr gefährlich werden und sie müssen dann manipulieren, um psychisch zu überleben.
Noch einmal möchte ich die Ressourcen und Stärken von Menschen betonen, die unter Borderline leiden:

  • oft hohe Feinfühligkeit und ein intensives Spüren
  • soziale Kompetenzen
  • viel Fantasie, die Fähigkeit zu imaginieren, Kreativität
  • Begeisterungsfähigkeit
  • oft Herzlichkeit


Narzisstische Persönlichkeitsstörung

Eine Narzisstische Persönlichkeitsstörung ist nach DSM-5 (dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders in seiner fünften Auflage) ein durchgängiges Verhalten von Grandiosität (in Phantasie oder Verhalten), ein Verlangen nach Bewunderung und ein Fehlen von Empathie.
Die Narzisstische Persönlichkeitsstörung beginnt im frühen Erwachsenenalter. Sie zeigt sich in einer Vielzahl von Lebensbezügen in mindestens fünf (oder mehr) der folgenden Kriterien:

  • Ein anhaltendes Muster von Grandiosität, Bewunderung und mangelndem Mitgefühl.
  • Dieses Muster wird durch das Vorhandensein von mindestens fünf der folgenden Punkte gezeigt:
  • Ein übertriebenes, unbegründetes Gefühl der eigenen Bedeutung und Talente (Grandiosität)
  • Die Beschäftigung mit Phantasien von unbegrenzten Erfolgen, Einfluss, Macht, Intelligenz, Schönheit oder der vollkommenen Liebe
  • Der Glaube, dass sie speziell und einzigartig sind und sich nur mit den Menschen auf höchstem Niveau verbinden sollten
  • Der Wunsch bedingungslos bewundert zu werden
  • Ein Gefühl des Anspruchs
  • Ausnutzung anderer, um ihre eigenen Ziele zu erreichen
  • Ein Mangel an Empathie
  • Neid auf andere und der Glaube, dass andere sie beneiden
  • Überheblichkeit und Hoffart

Das zentrale Beziehungsmotiv eines narzisstischen Menschen liegt in der Ernährung des grandiosen Selbst. Es besteht eine Gier nach Bestätigung, exzessiver Bewunderung, nach Anerkennung und Hochachtung. Die betroffene Person möchte in ihrer Bedeutsamkeit immerfort bestätigt werden.
Sobald eine Eroberung (etwa ein sexueller Kontakt, eine Affäre, eine Leistung) vollzogen ist, verringert sich der narzisstische Jagdinstinkt.
Die narzisstische Persönlichkeit ist davon überzeugt, etwas Besonderes und Herausragendes zu sein, ganz besondere Probleme zu haben, zu Großem geboren zu sein, niemanden zu brauchen und keine Angst zu kennen.

Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeit konnten ihre Schwächen nicht integrieren und müssen diese deshalb abspalten. Schmerz und Angst sind dabei wie betäubt. Typische Ängste von narzisstischen Menschen äußern sich oft nur in Hypochondrien.

Die Stärken und Qualitäten von narzisstischen Menschen werden vom sozialen Umfeld zu Beginn als angenehm (mit der Zeit jedoch als ausbeuterisch) empfunden. Hierunter fallen:

  • Das verführerische Werben, wenn der andere Mensch ein wichtiger ist,
  • Das Idealisieren,
  • Das Auserwählen und Emporheben des/der anderen;

Narzisstische Menschen schaffen sich eine Gefolgschaft und ihr Lieblingspublikum. Sie sind erfolgreich und angesehen, sehr auf ihr Äußeres bedacht, sie laden andere ein und sind gönnerhaft.

Histrionische Persönlichkeitsstörung (als Sonderform der Hysterie)

Nach DSM-IV ist die histrionische Persönlichkeitsstörung charakterisiert durch ein tiefgreifendes Muster übermäßiger Emotionalität oder des Strebens nach Aufmerksamkeit. Die histrionische Persönlichkeitsstörung ist eine Sonderform des Phänomens, welches die Existenzanalyse als "Hysterie" bezeichnet. Der Beginn der Persönlichkeitsstörung liegt im frühen Erwachsenenalter.
Die Störung zeigt sich in verschiedensten Situationen. Dabei müssen mindestens fünf der folgenden Kriterien erfüllt sein:

  1. fühlt sich unwohl in Situationen, in denen er/sie nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht,
  2. die Interaktion mit anderen ist oft durch ein unangemessen sexuell-verführerisches oder provokantes Verhalten charakterisiert,
  3. zeigt rasch wechselnden und oberflächlichen Gefühlsausdruck,
  4. setzt regelmäßig seine körperliche Erscheinung ein, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken,
  5. hat einen übertrieben impressionistischen, wenig detaillierten Sprachstil,
  6. zeigt Selbstdramatisierung, Theatralik und übertriebenen Gefühlsausdruck,
  7. ist suggestibel, d.h. leicht beeinflussbar durch andere Personen oder Umstände,
  8. fasst Beziehungen enger auf, als sie tatsächlich sind.

Histrionische Menschen ziehen mit allen Mitteln die Aufmerksamkeit auf sich und verhalten sich dabei manipulativ und polarisierend. Sie sind extravertiert, kontaktfreudig, ungern allein, konsumieren viel und sind immer in Bewegung.
Histrionische Menschen fühlen sich oft ganz leer und wissen nicht, wer sie im tiefsten Innersten sind, da ihnen der innere Halt fehlt. Diese Leere erzeugt Schmerz und wird kompensiert durch das Streben, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Diese Menschen haben große Angst, verlassen zu werden und fühlen sich rasch einsam, weil sie keine Beziehung zu sich selbst haben.
Zugleich leiden sie unter Enge, Druck und haben Angst, dass ihnen in zwischenmenschliche Beziehung die Freiheit verloren geht.
Ihr Grundthema ist es, dass sie sich selbst nicht kennen und daher nicht ernst nehmen können.

Bei Persönlichkeitsstörungen kann neben einer Psychotherapie auch ein Skillstraining sehr sinnvoll sein. Skills bedeutet im Englischen Fertigkeiten. Das Skillstraining geht auf die Borderline-Expertin Marsha Linehin zurück und vermittelt einen besseren Umgang mit sich selbst und dem sozialen Umfeld. Skills sind kurzfristig wirksam, ohne dabei langfristig schädlich zu sein. Das Skillstraining ist speziell für Menschen geeignet, die Probleme haben, ihre Gefühle zu regulieren (etwa Personen mit Borderline-Störungen, schweren Depressionen, Essstörungen, Angst- und Panikstörungen, Traumatisierungen, Gewaltproblemen). Das Training von Skills hat das Ziel, den Alltag und Krisensituationen besser zu bewältigen, Anspannungen zu reduzieren und mehr Ruhe zu finden.

Schwerpunkte des Skillstrainings sind:

  • ein konstruktiver Umgang mit negativen Emotionen, Körpergefühlen und Gedanken
  • Selbstwirksamkeit
  • ein guter Umgang mit Hilflosigkeit, Einsamkeit und Angst
  • Achtsamkeit für die eigenen Bedürfnisse, Gefühle und Emotionen
  • Radikale Akzeptanz aller Emotionen
  • zwischenmenschliche Fertigkeiten
  • Stresstoleranz, Frustrationstoleranz, Selbsttoleranz
  • Abgrenzung und „Nein!“ sagen können
  • Regulation von hochschießenden Emotionen
  • Impulskontrolle
  • den Selbstwert zu erhöhen

Autor: Florian Friedrich
Psychotherapeut in Salzburg / Hamburg
(Existenzanalyse)

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