Barrierefreiheit im ORF: Zahlreiche Reaktionen auf BSVÖ-Aussendung
Bei der heutigen Plenarsitzung des ORF-Publikumsrates war auch die gestrige
Presseaussendung des Blinden- und Sehbehindertenverbandes (BSVÖ) Thema. Falls
der ORF vom Staat keine Gebührenrefundierung bekommen sollte, kündigte er ja
bekanntlich laut APA in seiner Finanzvorschau ab 2014 Einsparungen im Bereich
der Barrierefreiheit an. Diese Drohung wurde gestern vom BSVÖ scharf
zurückgewiesen, der ORF an seinen gesetzlichen Auftrag erinnert.
Heute Vormittag bezeichnete ORF-Generaldirektor Dr. Alexander Wrabetz dies als
"falsche Medienberichte". In einer Aussendung wird er mit den Worten zitiert:
"Die Barrierefreiheit der ORF-Programme ist von den notwendigen
Einsparungsmaßnahmen, die viele Bereiche des Unternehmens betreffen würden,
sollte die Refundierungsregelung nicht verlängert werden, explizit nicht
betroffen. Wir bekennen uns ganz ausdrücklich zu diesem Angebot, das wir in den
vergangenen Jahren konsequent ausgebaut haben. Einschränkungen sind nicht
geplant."
Behinderte Menschen als "Geisel"?
Bei derselben Publikumsratssitzung bezeichnete Wrabetz die angedrohten Kürzungen
bei einer Nichtleistung der Gebührenrefundierung als seine "Geiselliste". Ohne
die vom ORF geforderte Refundierung sei "der angestrebte weitere Ausbau ab 2014
ohne Fortsetzung der Refundierung nicht möglich", heißt es in derselben
Aussendung.
"Abgesehen vom völlig deplatzierten Terminus einer Geiselliste: Mit einem
Ausbau-Stopp würde der ORF klar gegen das ORF-Gesetz verstoßen, dass eine
jährliche Erhöhung des barrierefreien Angebotes vorsieht", stellt Mag. Raimund
Lunzer klar. Im selben Atemzug lobt der Pressesprecher des BSVÖ das kleine
Humanitarian-Broadcasting-Team rund um Sissy Mayerhoffer, das großartige Arbeit
leistet und den Ausbau der Audiodeskription bzw. -Kommentierung im
öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den letzten Jahren konsequent vorangetrieben
hat. Lunzer: "Diese fleißigen ORF-MitarbeiterInnen muss man ganz klar aus der
derzeitigen (unternehmens-)politischen Diskussion heraushalten. Sie leisten
hinter den Kulissen großartige Arbeit für die blinden und sehbehinderten
Menschen!"
Heftige Kritik aus der Politik!
Für den Zick-Zack-Kurs der ORF-Unternehmensführung in Sachen Barrierefreiheit
und die Wortwahl von GD Wrabetz gab es heute heftige Kritik aus der Politik:
ÖVP-Klubobmann NRAbg. Karlheinz Kopf bezeichnete das von ORF-GD verwendete Wort
"Geiselliste" als "unglaubliche Entgleistung". Man könne doch nicht behinderte
Menschen "zu seinen Geiseln im Austausch gegen mehr Geld für den ORF" machen.
"Es ist wohl einzigartig, dass ein öffentlich-rechtlicher Sender mit der
Diskriminierung von Menschen mit Behinderung droht", ärgert sich auch Kopfs
Parteikollege ÖVP-Behindertensprecher NRAbg. Dr. Franz-Joseph Huainigg über
Wrabetz und bezeichnet dessen Wortwahl als "inakzeptable Drohung": "Das
ORF-Budget für die Barrierefreiheit macht jährlich etwa drei bis vier Millionen
Euro aus. Das ist im Vergleich zum jährlichen ORF-Gesamtbudget von fast einer
Milliarde Euro ein verschwindend geringer Anteil. Dies in Frage zu stellen, ist
nicht nur lächerlich, sondern zeugt auch von geringer Wertschätzung und
Respektlosigkeit behinderten Menschen gegenüber."
Unterstützung für den BSVÖ und dessen Forderung nach einem konsequenten Ausbau
der Barrierefreiheit sowie Kritik an der ORF-Geschäftsführung kam auch von
FPÖ-Generalsekretär und Mediensprecher NRAbg. Harald Vilimsky: "Die Politik
erpressen zu wollen und dies auf Kosten von Menschen mit Behinderungen zu
machen, definiere einen neuen Tiefpunkt am Küniglberg und sei in höchstem Maße
und in aller Deutlichkeit abzulehnen."
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Mit den besten Grüßen
Raimund Lunzer
Mag. Raimund Lunzer, Pressesprecher
Blinden- und Sehbehindertenverband
Österreich (BSVÖ, vormals ÖBSV)
1130 Wien, Hietzinger Kai 85/DG
Tel.: 01/982 75 84-202; Fax-DW: 209
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