Hilferuf aus der Landwirtschaft
Zukunftspaket für steirische Bauern gefordert

Alarmglocken schrillen: Präsident Franz Titschenbacher, Ackerbäuerin Elisa Neubauer, Milchbäuerin Silvia Prugger, Forstwirt und Milchbauer Richard Judmaier und Kammerdirektor Werner Brugner (v.l.) | Foto: LK Steiermark/Danner
4Bilder
  • Alarmglocken schrillen: Präsident Franz Titschenbacher, Ackerbäuerin Elisa Neubauer, Milchbäuerin Silvia Prugger, Forstwirt und Milchbauer Richard Judmaier und Kammerdirektor Werner Brugner (v.l.)
  • Foto: LK Steiermark/Danner
  • hochgeladen von Andrea Sittinger

"Ds geht sich alles nicht mehr aus", so der Weckruf der Landwirtschaftskammer Steiermark am Montag bei einem Pressetermin. Niedrige Erlöse und steigende Produktionskosten verbunden mit ständig neuen Auflagen haben eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt, die nur politisch mit der Umsetzung eines Maßnahmenpakets gestoppt werden kann.

STEIERMARK. "Die Flut an Vorschriften und Regeln sowie der Dokumentationswahnsinn bringt uns an die Grenzen des Machbaren, in der EU herrscht zuwenig Verständnis für landwirtschaftliche Zusammenhänge. Eine lupenreine Feldbauplanung mit ständig sich ändernden, immer höheren und komplizierteren Auflagen ist fast schon vergleichbar mit einer Doktorarbeit", bringt die Acker- und Schweinebäuerin Elisa Neubauer aus St. Peter am Ottersbach das Dilemma auf den Punkt. Dabei ist die Bürokratie nur eine von vielen Hürden, mit denen die steirischen Bäuerinnen und Bauern zu kämpfen haben. "Die Alarmglocken schrillen in der Landwirtschaft" bringt es der Präsident der Landwirtschaftskammer Franz Titschenbacher am Montag auf den Punkt.

Kosten steigen, Erträge sinken

Nach einem kurzen Aufatmen im Vorjahr sind seit Jahresbeginn die Agrarpreise im Sinkflug, während sich die Produktionskosten für die Bäuerinnen und Bauern seit dem Vorjahr in lichten Höhen festgesetzt haben. Mit folgenschweren Auswirkungen für die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe, vor allem auf die Milchbauern, die Mutterkuhhalter mit ihren hohen Tierwohlstandards, die Acker- und Getreidebauern, Forstwirte und Obstbauern. "Die Bäuerinnen und Bauern können die hohen Kosten durch die zu niedrigen Erlöse nicht mehr stemmen. Die Auswirkungen sind dramatisch. Für die notwendige und deutlich spürbare Trendumkehr sind Marktpartner und Politik dringendst gefordert", schlägt Titschenbacher Alarm und fordert ein Zukunftspaket „Pro Land- und Forstwirtschaft".

"Bauern sind keine Preistreiber! Von einer Semmel bekommt der Landwirt für den Mahlweizen gerade einmal 1,9 Cent", erklärt Franz Titschenbacher | Foto: LK Steiermark/Danner
  • "Bauern sind keine Preistreiber! Von einer Semmel bekommt der Landwirt für den Mahlweizen gerade einmal 1,9 Cent", erklärt Franz Titschenbacher
  • Foto: LK Steiermark/Danner
  • hochgeladen von Andrea Sittinger

45 Cent für einen Liter Milch

Weit davon entfernt, was die Konsumentinnen und Konsumenten im Geschäft für einen Liter Milch bezahlen, entfallen auf die Bäuerinnen und Bauern 45 Cent. Die Getreidepreise für die Bauern sind um mehr als 60 Prozent und die Holzpreise um rund 30 Prozent zurückgegangen. Den besonders auf Tierwohl ausgerichteten Mutterkuhbetrieben geht mit Stundenlöhnen von unvorstellbaren 5,40 Euro wörtlich die Luft zum Atmen aus – ein Betrag, der nicht einmal einem Drittel des Stundenlohns eines Facharbeiters entspricht. Hingegen sind die Produktionskosten konstant hoch: Bau-, Maschinen-, Betriebsmittel- sowie Instandhaltungskosten sind gegenüber 2021 jenseits der 80 Prozent gestiegen und verharren in lichten Höhen.

„Das geht sich einfach nicht mehr aus.“
LK-Präsident Franz Titschenbacher

Hohe Futter-, Betriebsmittel-, Bau- und Instandhaltungskosten bei niedrigen Erzeugermilchpreisen belasten auch die Milchwirtschaft stark. „Der Anteil der Landwirtschaft an den Endverbraucherpreisen ist zu gering, die Gewinne bleiben woanders hängen. Die Landwirtschaft braucht einen größeren, kostengerechten Anteil innerhalb der Produktionskette“, unterstreicht Titschenbacher.

Die heimische Landwirtschaft sitzt in einer Spirale aus Kostensteigerungen und Erlöseinbußen fest. | Foto: LK OÖ
  • Die heimische Landwirtschaft sitzt in einer Spirale aus Kostensteigerungen und Erlöseinbußen fest.
  • Foto: LK OÖ
  • hochgeladen von Nina Meißl

Heimische Landwirtschaft stärken

Ein besonderes Anliegen ist Kammerdirektor Werner Brugner die Stärkung der steirischen Betriebe. "Unverständlicherweise werden in Billigstlohnländern Süd- und Osteuropas Mega-Obstanlagen errichtet, obwohl EU-weit ohnehin zu viele Äpfel auf dem Markt sind. Solche offensichtlichen Produktionsverlagerungen in europäische Billigstlohnländer sind ein No-Go, die EU-Wirtschaftshilfen dafür ohne Wenn und Aber einzustellen", kritisiert Brugner den "unnötigen Neuaufbau von landwirtschaftlichen Produktionsflächen im großen Stil durch internationale Konzerne unterstützt mit EU-Geldern."

Der Forderungskatalog im Detail:

  • Augenmaß statt ständig neuer und permanent höherer Auflagen. Ständig neue und höhere Auflagen sind am Markt nicht zu realisieren, verteuern und verbürokratisieren die Produktion unnötig.
  • Green-Deal der EU: Vernunft muss einkehren. Die Bauern brauchen beim Green-Deal der EU faktenbasierte landwirtschaftsfreundliche Signale, um die Land- und Forstwirtschaft zu stärken. Ständig neue Auflagen und noch höhere Standards, die vom Markt gar nicht honoriert werden, führen in die Sackgasse. Angesprochen sind insbesondere die EU-Vorhaben zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR), die Wiederherstellung der Natur oder flächige Außernutzungsstellungen von Wäldern.
  • Transparenz bei der Preisbildung: Einen dauerhaft höheren und betriebswirtschaftlich vertretbaren Anteil in der Wertschöpfungskette. Das System der Preisbildung ist zu durchleuchten, die tatsächlichen Preistreiber müssen ermittelt und darauf aufbauend zielgerichtete Schritte gesetzt werden.
  • Herkunftskennzeichnung: Die Herkunftskennzeichnung von Milch, Fleisch und Eiern muss verpflichtend auf die Gastronomie ausgeweitet werden. Auch bei verarbeiteten Lebensmitteln im Supermarkt mit Milch-, Fleisch- und Eieranteil, muss die Herkunftangeabe gesetzlich verankert werden.
  • Neue Standbeine im Zuge der Klimaanpassung: Heben der vorhandenen land- und forstwirtschaftlichen Potenziale zur Herstellung von Biowärme, grünem Strom und Biotreibstoffen. Mittelfristig können bäuerliche Heizwerk- und Nahwärmeversorger insgesamt 360.000 steirische Haushalte mit Biowärme versorgen. Damit könnten alle Öl- und Gasheizungen in der Steiermark ersetzt werden. Ausgebaut kann auch die Produktion von grünem Strom durch Photovoltaik-Anlagen mit landwirtschaftlicher Doppelnutzung, auf Dächern landwirtschaftlicher Gebäude sowie auf steilen Hängen im Berggebiet werden. Dringend erforderlich ist das Erneuerbare Gase-Gesetz, damit unsere Biogasanlagen grünes Gas für die Energiewende bereitstellen können.
Kammerdirektor Werner Brugner übt scharfe Kritik, dass in Billigstlohnländern Süd- und Osteuropas Mega-Obstanlagen mit EU-Geldern errichtet werden, obwohl EU-weit ohnehin zu viele Äpfel auf dem Markt sind. Dass unterminiert unsere Obstbaubetriebe | Foto: LK Steiermark/Danner
  • Kammerdirektor Werner Brugner übt scharfe Kritik, dass in Billigstlohnländern Süd- und Osteuropas Mega-Obstanlagen mit EU-Geldern errichtet werden, obwohl EU-weit ohnehin zu viele Äpfel auf dem Markt sind. Dass unterminiert unsere Obstbaubetriebe
  • Foto: LK Steiermark/Danner
  • hochgeladen von Andrea Sittinger
  • Holzbauoffensive: In Zeiten einer schwachen Konjunktur ist die öffentliche Hand gefordert, mit einer Holzbauoffensive leistbaren und vor allem nachhaltigen Wohnraum für junge Familien zu schaffen. Anzusetzen ist vor allem auch bei der Revitalisierug von leerstehenden Gebäuden sowie im Städtebau durch Nachverdichtung.
  • Wertanpassung der EU-Direktzahlungen und Leistungsabgeltungen. Durch die hohe Inflation ist der Wert dieser Zahlungen allein seit dem Jahr 2021 um 17 Prozent geschrumpft, eine entsprechende Wertanpassung ist dringend erforderlich.
  • Stundenlöhne, die die Landwirtschaft für die Jugend attraktiv machen. Die Landwirtschaft darf bei den Stundenlöhnen nicht abgehängt werden. Diese müssen der bäuerlichen Jugend Perspektiven bieten. Die Sogwirkung anderer Wirtschaftsbereiche nach Arbeitskräften aus der Land- und Forstwirtschaft ist ohnehin schon enorm.
  • Klares Nein zu Erbschafts- und Vermögenssteuern. Jede zusätzliche Besteuerung von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen würde eine unzumutbare Erschwernis für Betriebsübergaben und Betriebsführung bedeuten. Grund und Boden sind für Bäuerinnen und Bauern ja kein Luxusgut oder eine Wertanlage, sondern vielmehr unverzichtbare Existenz- und Produktionsgrundlage, die bereits jetzt Steuern und Abgaben unterliegt. 

Mehr Nachrichten aus der Steiermark:

Anträge können bei den Gemeinden eingereicht werden
35.718 Personen in der Steiermark ohne Job
Push-Nachrichten auf dein Handy
MeinBezirk.at auf Facebook verfolgen
Die Woche als ePaper durchblättern
Newsletter deines Bezirks abonnieren

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.