BERBERITZE. Märchen und Geschichten für Kinder, Kindsköpfe und Kind gebliebene - Teil 91

Nach dem langen kalten Winter, scheint der heutige Wetterumschwung dem Schnee endgültig an den Kragen zu gehen und auch die Sonne ist schon merklich stärker geworden. Wem Erkältungen zusetzen oder wer von Frühjahrsmüdigkeit geplagt wird, der könnte seinen Vitaminhaushalt unter anderem auch durch die Früchte der Berberitze auffüllen. Sie sollen kräftigend wirken und besonders viel Vitamin C besitzen. Schon die alten Römer sollen die sauren Früchte des "Sauerdorn" gekannt haben. Sauerdorn-Marmelade soll zum Verfeinern von Suppen und Saucen gedient haben. Das Holz des dornigen Berberitzen-Strauchs ist sehr hart. Es eignet sich auch für Einlege- und Drechselarbeiten. Ein aus Rinde und Wurzel gewonnener Farbstoff färbt Wolle und Leder gelb... und davon handelt auch mein heutiges Märchen...

Es war einmal ein Mädchen, das lebte mit seinem Vater und der Stiefmutter in einer kleinen Hütte am Waldrand. Der Vater war ein herzensguter Mensch. Weil er aber Holzfäller war, verbrachte er oft tagelang im Wald und Rosalie war ihrer bösen Stiefmutter ausgeliefert. Manche munkelten, sie wäre eine böse Zauberin. Andere meinten, ihre Bösartigkeit käme davon, dass Roslies Vater ihre Liebe nicht erwiderte, weil er immer noch so sehr an Rosalies toter Mutter hing. Wie das Aschenbrödel ließ sie Rosalie von früh bis spät schuften. Egal wie sehr sich das Mädchen auch bemühte, die Liebe der Stiefmutter zu gewinnen... alles was sie zurück bekam waren Neid und Gemeinheiten. Jeden Herbst schickte die Stiefmutter sie in den Wald auf die Lichtung, dort wo der Berberitzenstrauch wuchs. Hier sollte Rosalie die Beeren für ihren Schönheits- und Gesundheitstrank pflücken. Die Dornen zerstachen ihr die Hände und Rosalie weinte leise vor sich hin, trotzdem pflückte sie tapfer weiter, bis die letzte Beere in ihrem Körbchen war. Auf einem Ast hoch oben in der Krone des Strauchs saß ein kleines Vögelchen, das sang und tirilierte, als wäre eben erst der Lenz ins Land gezogen. Rosalie liebte das kleine Vögelchen, denn es war jedes Jahr da. Sie hatte es als ihre einzige Freundin ins Herz geschlossen. "Lieber Dornenvogel!" sprach das Mädchen, als es den Berberitzenstrauch erreichte. "Bist du wieder gekommen, um mir die dornige Arbeit zu versüßen? Wie wohl dein Gesang meiner Seele tut!" Doch als sie näher kam, verstummte der Vogelgesang und Rosalie konnte die Freundin nirgends erblicken. Da bemerkte sie, dass sich das Vöglein in den Dornen verheddert hatte. Panisch schlug es mit den Flügeln. "Still kleine Freundin!" rief das Mädchen erschrocken, sonst durchbohrt noch ein spitzer Dorn deine Brust. Ich werde dich gleich befreien!" "Danke, du hast mir das Leben gerettet!" sprach das Vöglein und blickte Rosalie treuherzig an. "Wenn du jemals Hilfe brauchst, denke ganz stark an mich - dann sag was du brauchst. Du wirst es bekommen!" Mit diesen Worten verabschiedete sich das Vögelchen und Rosalie machte sich an ihre Arbeit.

Bald zog der Herbst ins Land. Er brache die kalten Winde mit, die wild das letzte Laub von den Bäumen fegten. Als der Vater an Allerheiligen heimkehrte, da kehrte auch in die kleine Hütte eine friedvollere Zeit ein. Doch viel zu schnell war es für ihn wieder an der Zeit, seiner Arbeit im Wald nachzugehen. Als er sein Bündel packte, fiel ihm ein kleines Portrait von Rosalies Mutter aus der Tasche. Es war ein wunderschönes Bild, das sie als junge Frau in einem edlen gelben Wollkleid zeigte, wie es normalerweise nur die Edelfrauen besaßen. Mit steinerner Miene hob es die Stiefmutter auf. Verlor aber kein Wort darüber.

Erst als der Vater weg war, sollte Rosalie die volle Wucht ihrer Launen treffen. "Wie kam deine Mutter zu solch edlem Gewand?!" schrie sie Rosalie empört an. Nur Edelleuten ist es erlaubt, solche Farben zu tragen!" Beschämt erzählte ihr das Mädchen die Geschichte, die ihr der Vater so oft erzählt hatte. Einst war die Mutter ein Edelfräulein gewesen. Als es an einen kaltherzigen reichen Mann verheiratet werden sollte, blieb ihr nichts anderes übrig, als den Tod vorzuteuschen und zu fliehen. Der Vater fand sie im Wald. Nahm sie auf und verliebte sich in sie. Für ihn ließ ihre Mutter alles zurück. Nur ihre Liebe zu schönen Kleidern konnte sie nicht lassen. Ein Weber zeigte ihr, wie man edle stoffe herstellte und sie einfärbte. Aber auch diese Geheimnisse nahm sie mit ins Grab.

Als die Stiefmutter das hörte, wurde sie ganz gelb um die Nasenspitze vor Neid. Wütend nahm sie ihren Pantoffel und schleuderte ihn gegen die Wand. Die Flasche, die dabei in Scherben ging, enthielt Stiefmutters geheimes Berberitzen-Elexier.

"Hinaus!" schrie sie das Mädchen an und zeigte auf die Tür. "Geh und such mir neue Berberitzen, sofort! Komm erst wieder zurück, wenn du außerdem herausgefunden hast, wie man Wolle und Leder einen solch wunderbaren gelben Farbton verleihen kann!"

Rosalie war verzweifelt. Ratlos streifte sie durch die kalte Herbstnacht. Wo sollte sie bloß um diese Jahreszeit noch Berberitzen herbekommen? Von der Weber- und Färberkunst ihrer Mutter, hatte sie noch weniger Ahnung - konnte sie sich doch nicht einmal mehr genau an ihr Gesicht erinnern.

Als es Abend wurde, legte sich Rosalie auf einem Moospolster unter einem Baum schlafen. "Nein, den Wunsch nehme ich noch nicht!" flüstert sie beim Einschlafen. "Meine Mutter im Himmel wird mir schon helfen". Da ließ der Baum schnell alle Nadeln fallen und hüllte das Mädchen warm zu. Wehmütig dachte sie beim Einschlafen an das kleine Vögelchen. "Wenn doch wenigstens du hier wärst, kleine Freundin!"

Als Rosalie erwachte, flatterte wirklich der kleine Dornenvogel um ihr Haupt und bedeutete dem Mädchen, ihm zu folgen. Wie aus dem Nichts tauchte eine kleine Hütte vor ihr auf, vor der eine schöne fremde Frau saß. Sie lächelte Rosalie freundlich entgegen. "Hast du Hunger mein Kind?" Rosalie verbrachte eine ganze Woche bei der Fremden, für die sie starke mütterliche Gefühle verspürte. Die beiden taten sich wohl und die Frau zeigte ihr, was normalerweise eine Mutter ihrer Tochter weiter gibt: Spinnen, Weben, Sticken, Färben, Kochen und Kräuter richtig handhaben... all das stahl sich ganz nebenbei während ihrer Gespräche in Rosalies Gedächtnis. Außerdem verriet sie ihr, dass es ein Farbstoff der Berberitze war, der Wolle und Leder ein wunderschönes Gelb verlieh. Rosalie war, als kannte sie die Fremde schon ein Leben lang. Da erschien eines Morgens das Vögelchen wieder und Rosalie wusste, dass die wundervolle Zeit mit der fremden Frau um war. Zum Abschied schenkte ihr die Fremde, ein edles gelbes Wollkleid und Schuhe aus gelbem Ziegenleder. Es schien dasselbe, das ihre Mutter auf dem Bild getragen hatte. "Du bist ein gutes Kind!" sagte die Fremde beim Abschied und drückte sie fest an ihre Brust. "Dein Leben steht unter einem guten Stern! Hör nur auf dein Herz, dann wird sich alles zum Guten wenden!"

Einen Moment lang, hatte Rosalie zum Wald hinüber geschaut. Als sie antworten wollte, waren Frau und Hütte verschwunden und das Mädchen stand allein auf der Lichtung. "Kleine Freundin!" seufzte es da. Jetzt gibt es nur mehr uns zwei. Ich wünschte du wärest ein Mensch aus Fleisch und Blut, dann könnten wir wenigstens miteinander reden!"

Kaum hatte sie den Wunsch ausgesprochen, da wieherte ein Pferd und vor ihr sprang ein wunderschöner Jüngling aus dem Sattel. Er reckte die Glieder und sah Rosalie ungläubig an. "Du hast mich wirklich erlöst! Ich habe schon nicht mehr gewagt daran zu glauben!" Und er begann zu erzählen... wie er einst von einer bösen Zauberin in ein Vögelchen verwandelt worden war. Von seinem Vater, dem König, dem aus Gram über sein Verschwinden das Herz brach. Und dass der Bann nur dann gebrochen werden konnte, wenn er einen Menschen fand, der ihn auch in der Gestalt eines Vogels als Freund erkannte, einen Menschen, der die Sorge um ihn über sein eigens Wohlergehen stellte.

Lange sprachen sie miteinander. Verschaut in das Antlitz des anderen hielten sie sich an den Händen. "Und jetzt komm!" sagte der Prinz fröhlich. "Ich nehme dich mit auf mein Schloss! Schon morgen soll Hochzeit sein - wenn du mich willst!" Bevor Rosalie zu ihrem Prinzen aufs Pferd stieg, warf sie noch einen letzten Blick zurück auf die Lichtung. Staunend sah sie da die fremde Frau. Mit Tränen in den Augen nahm diese Rosalie in die Arme und drückte sie zärtlich an sich. Da wusste das Mädchen, dass es ihre Mutter gewesen war, die ihr die schönste Zeit ihres Lebens beschert hatte. Aber sie wusste auch, dass es jetzt endgültig Zeit war, Abschied zu nehmen. Als sie fort war, lag da ein Brautkleid, schöner als Rosalie es sich je hätte träumen lassen. Dann ritten sie fort... der Prinz und das Mädchen... gemeinsam in eine wunderschöne Zukunft...

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Foto: Cityfoto
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