Hagebutte. Der vergessene Christbaum - Märchen und Geschichten für Kinder, Kindsköpfe und Kind gebliebene - Teil 50

Hektisch wie nie ist sie, die Zeit um Weihnachten. Hat man sich im Vorjahr noch gedacht: "stressiger geht's nicht", scheint im darauffolgenden Jahr trotzdem wieder eine Spur mehr los zu sein. Wonach man sich sehnt sind nicht mehr die großen Geschenke sondern Stille, Friede und einfach nur Zeit.

In meiner heutigen Geschichte habe ich versucht, all das einzufangen. Vermischt mit meiner größten Angst aus Kindheits und Jugend- und sogar noch Erwachsenentagen: Was ist, wenn wir einmal vergessen, den Christbaum zu besorgen? Wie wär ein Weihnachtsfest ganz ohne Lichterbaum?

Der vergessene Christbaum

Es war der 24. Dezember - doch sogar heute musste Papa nochmal ins Büro. Mit leerem Blick starrte Anneliese auf das Fernsehgerät, ohne auch nur im Geringsten mitzubekommen, was sich im Weihnachtsprogramm "In einem Land vor unserer Zeit" gerade abspielte. Nie hatte Papa Zeit für Anneliese. Als Direktor dieser doofen schnöseligen Firma gab es scheinbar keinen Platz für sein Mädchen. Und Mutti - mit ihr sah es um keinen Deut besser aus! Wohltätigkeit hier, Event dort - irgendetwas gab es immer zu organisieren. Auch sie war heute Vormittag außer Haus. Vielleicht sogar im Funkhaus bei "Licht ins Dunkel".

"Wir waren heuer noch nicht einmal im Tannenland den Christbaum aussuchen!" hatte Anneliese Papa nachgeschrien, als er eilig das Haus verließ. Da hielt der Vater doch noch einmal inne und nahm sein Mädchen in die Arme: "Keine Sorge Kleines", flüsterte er liebevoll in Annelieses Ohr. Irgendwo in der Stadt wird sicher noch einer zu finden sein - versprochen!" Drei Stunden später war Papa wieder zurück. Doch irgendetwas schien ihn zu bedrücken. Er setzte sich zu Anneliese auf die Couch und schien, als ob er nicht recht wüsste wie er mit dem was er ihr nun sagen wollte beginnen soll... "Was ist?" fragt das Mädchen schlimmes ahnend. "Diesmal hab ich's echt vermasselt!" flüsterte Annelieses Vater beschämt. Sämtliche Verkaufsstände sind zu - die Christbäume haben sie einfach zu Brennholz zersägt - und im Tannenland ist am 24. Dezember sowieso geschlossen. Aber vielleicht hat ja Mama eine Idee?"

"Jetzt haben sie nicht einmal für Weihnachten Zeit!" dachte das Mädchen entsetzt. "Ich brauche frische Luft!" Wie der geölte Blitz fuhr Anneliese in ihren Anorak, schnappte Haube und Fäustlinge und dampfte ab in Richtung "raus aus der Stadt". Gleich hinter der Villa von Familie Lensberg dehnte sich ein kleines verträumtes Wäldchen aus - dort suchte Anneliese Zuflucht. Als sie sich auf einem moosbewachsenen Baumstumpf niederließ, flossen heiße Tränen über ihre von Laufen und Kälte geröteten Wangen und sie wurde von einem herzzerreißenden Schluchzen gebeutelt. "Warum beachtet mich niemand? Will mich keiner hören? Was ist bloß los mit Mama und Papa? Ständig laufen sie Geld und Ruhm nach! Die Zeit für uns wird dadurch geradezu aufgefressen. Jetzt lassen sie sogar schon Weihnachten sterben!"

Da fiel dem Mädchen ein Buch ein, das es einmal gelesen hatte. "Es ist doch Christnacht und man sagt, dass in dieser Nacht die Tiere anfangen zu sprechen. Vielleicht reden die wenigstens mit mir - oder wissen, wo man um diese Zeit noch einen Christbaum herbekommt..."

Doch weder Reh noch Hase wollten die alte Sage bestätigen. Einer hoppelte zwar ganz frech heran, aber von Reden war da keine Spur. Da hörte sie plötzlich jemanden eine Melodie singen. Das Lied kam von drüben vom Hagebuttenstrauch und bei näherem Hinhören konnte sie "Ein Männlein steht im Walde" verstehen. Außer dem Strauch mit den roten Farbtupfen war jedoch keine Menschenseele zu sehen.

"Du willst einen Christbaum und ein richtig schönes Weihnachtsfest?" drang die Stimme aus dem Strauch erneut an ihr Ohr. "Dann komm ganz nah und hör mir zu! Ich helfe dir gerne - schließlich ist es schon lange her, seit mich ein Kind wirklich beachtet hat.

Anneliese war ganz starr vor Schreck. Als sie genauer hinsah, saß da wirklich eine Hagebutte am Strauch, die fast wie ein kleiner Mensch wirkte und auch größer war als die andern.

"Ich bin das Hagebuttenmännlein und wer bist du?" "Anneliese" stotterte das Mädchen. "Ich bin Anneliese".
„Also, Anneliese, hör genau zu. Siehst du den kleinen Tannenbaum dort drüben auf der Lichtung? Er wird dein perfekter Christbaum sein. Aber du darfst ihn ja nicht umsägen - hörst du - egal was passiert, das Bäumchen muss am Leben bleiben!" Das versprach Anneliese gerne und lauschte gespannt, was das kleine Männchen auf der Hecke sich noch alles ausgedacht hatte. "Und dort drüben hinter dem großen Busch, da steht ein altes verfallenes Gartenhäuschen - du kennst es bestimmt! Die Tür ist zwar versperrt aber gleich links im hohlen Baumstumpf müsste noch der Schlüssel sein - ja genau - siehst du - probier ihn gleich mal aus!" Mit einem kleinen Knacks ließ sich das rostige Schloss öffnen und Anneliese spähte vorsichtig zur Tür hinein. "Aber liebes Hagebuttenmännlein, wie soll ich denn das Bäumchen schmücken? Ein richtiger Christbaum braucht doch zumindest Äpfel, Nüsse, Kerzen und Silberfäden!" Auch dafür wusste das Männlein Rat:
"Ich habe vor vielen Jahren einmal beobachtet, wie zwei kleinen Jungen hier einen Weihnachtsbaum für die Tiere geschmückt haben. Wenn du Glück hast, sind zumindest Kerzen und Silberfäden noch heil.

Es begann schon leicht zu dämmern. Trotzdem nahm Anneliese all ihren Mut zusammen und wagte sich vorsichtig in die Hütte hinein. "Ich hab die Kiste!" Als sie den knarrenden Deckel hob, staunte sie nicht schlecht. Es befanden sich wirklich Kerzen darin - und Lametta, etwas Silberfaden - und sogar Kerzenhalter. "Jetzt bräuchten wir nur noch ein Feuerzeug!" rief Anneliese voller Freude. "Mit solch modernem Zeug kann ich dir nicht dienen. Aber grab noch etwas tiefer in die Kiste, ich glaube es sind noch Zündhölzer da!"

Kurze Zeit später erstrahlte das kleine Bäumchen in atemberaubend schönem Weihnachtsglanz.

"Eins fehlt noch!" sagte das Hagebuttenmännlein nachdenklich. "Rote Äpfel"! "Die hab ich zuerst drüben in der Wildfütterung gesehen!" jubelte Anneliese. Und war schon weg. "Befestige sie mit Zündhölzern und dem Silberfaden - ja genau so! Ist dein Christbaum nicht wunderschön!" "Ja, wunderschön hauchte das Mädchen. Doch da bemerkte sie, dass es schon stark dämmerte. "Die Eltern werden sich Sorgen machen! Es ist schon fast finster! Schade, und ich hätte die Kerzen so gerne angezündet!" Doch das Hagebuttenmännlein schwieg plötzlich. Und Anneliese fragte sich, ob sie all das nur geträumt hatte.

"Anneliese!", "Kind, wo bist du!", "Anneliese!"

"Papa? Mama? Ich bin hier! Hier drüben neben der verfallenen Gartenhütte!" Unendlich erleichtert schlossen die Lensbergs ihr Mädchen in die Arme!" "Gott sind wir froh, dass dir nichts zugestoßen ist. Wir haben uns schon solche Sorgen gemacht!" rief Annelieses Vater erleichtert aus. "Wo hast du nur all die Zeit über gesteckt?" meldete sich nun auch ihre Mutter zu Wort. "Ach seid mir bitte nicht böse. Ich war so traurig wegen dem Christbaum, da hab ich wohl ganz die Zeit vergessen. Aber ich bin echt froh dass ihr da seid. Kommt mit, ich will euch etwas zeigen. Das hier wird das schönste Weihnachtfest dass wir je hatten!"

Sachte entzündete das Mädchen die Kerzen am Baum und als die kleine Familie "Stille Nacht" sang, begann es leis zu schneien. Anneliese drehte sich um und sah zum Hagebuttenstrauch hinüber. In der Dämmerung konnte sie nur noch die Umrisse ihres kleinen Freundes erkennen. Und plötzlich begann sie übers ganze Gesicht zu strahlen. Anneliese konnte das "Frohe Weihnachten" des Hagebuttenmännleins zwar nicht mehr laut hören, aber sie fühlte es ganz tief drin in ihrem Herzen.

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