SPRINGKRAUT. Märchen und Geschichten für Kinder, Kindsköpfe und Kindgebliebene - Teil 39

Das Drüsige- oder Indische Springkraut wuchert regelrecht an Wasserläufen. Ein Spaß ist es, beim Wegschleudern der Samen nachzuhelfen.
  • Das Drüsige- oder Indische Springkraut wuchert regelrecht an Wasserläufen. Ein Spaß ist es, beim Wegschleudern der Samen nachzuhelfen.
  • hochgeladen von Anita Buchriegler

Vor Kurzem entdeckte ich auf "meinbezirk" die ersten Fotos vom Kleinen Springkraut - ein Kraut, das uns aus Wäldern, Lichtungen und Waldrändern mit seinen kleinen gelben Blüten entgegenzwinkert. Sein Bruder, das Echte Springkraut, fällt durch seine etwas größeren, dunkelgelben Blüten auf. Man sagt, wenn sich ein müder Wanderer eine Springkraut-Blüte mit etwas Spucke auf die Stirn klebt, bekommt er einen regelrechten Energieschub. Ich hab das einmal mit einer Kindergruppe auf Kräuterwanderung selbst ausprobiert - die Wirkung war sensationell ; - ) Aber Achtung! Essbar ist die gesamte Pflanze nicht. Sie gilt (mit Ausnahme der Samen) als leicht giftig. Die Samen werden mit enormen Druck bis zu 10m weggeschleudert - worauf wahrscheinlich der Name "Springkraut" zurückzuführen ist.

In der Medizin ist das Drüsige- oder Indische Springkraut von Bedeutung. Mit seinen rosa-roten Blüten wuchert es gerne entlang von Flussufern, Gräben und Waldrändern. Erst gestern habe ich die erste rosa-rote Blüte entlang vom Sulzbach entdeckt.

Als Bachblüte "Impatiens" hilft es Menschen die sehr schnell denken und arbeiten können, denen ihre Umgebung jedoch zu langsam ist bzw. Menschen die zu wenig Geduld mit ihren Mitmenschen haben. Auch unruhige Kinder, die ständig quengeln und nicht stillhalten können, soll Bachblüte Impatiens (Ungeduld) gut tun (bezüglich einer Anwendung auf jeden Fall einen Arzt oder Apotheker konsultieren!).

Von dieser Bedeutung und seinen indischen Wurzeln erzählt meine heutige Geschichte:


Von Indern, Engländern und dem Sinn hinter dem Offensichtlichen…

„Des kreuzvermaledeite Kraut!“, schrie der Schmödlmair Ludwig zornig als er hinterm Haus zum Bachbett hinuntersteigen wollte. 10 Jahre war er jetzt Bürgermeister hier in Springenfels. Und Jahr für Jahr ärgerten ihn die großen Stauden mit den rosa-roten Blütenblättern, die überall wucherten, mehr. „Ausreißen müsst‘ man es, bedingungslos ausreißen, und zwar in jedem Winkel der Gemeinde!“ Der Ludwig blieb wie angewurzelt stehen: „Ja, das ist es. Das ist die Lösung! Ich bin ein Genie – das hab ich doch schon immer gewusst!“ Und so eilte er, dreckig und verschwitzt wie er war, schnurstracks ins Gemeindehaus, um ein Rundschreiben an alle Gemeindebürger zu veranlassen - nein, eigentlich kein Rundschreiben sondern eine dringliche Aufforderung:

„Mit sofortiger Wirkung verfüge ich – der Ludwig Schmödlmair, Bürgermeister von Springenfels – dass das INDISCHE Springkraut (das mit dem indischen wollte er besonders hervorheben, denn alles was aus dem Ausland kommt, hört sich ja bekanntlich noch gefährlicher an) mit sofortiger Wirkung AUSZUREISSEN ist. Das Kraut, welches bei uns nicht heimisch ist, und irgendwann aus dem Ausland eingeschleppt worden ist, vertreibt unsere heimischen Pflanzen und überwuchert schon die halbe Gemeinde. Bei einem Aktionstag am kommenden Samstag, rufe ich alle Vereine des Ortes auf, dem Kraut gemeinsam zu Leibe zu rücken und es im ganzen Ort auszumerzen. Wer danach das selbige noch irgendwo gewahr wird, muss es zum Schutze unserer heimischen Flora, weiterhin sofort ausreißen. Diese Anordnung gilt bis auf Widerruf.

Hochachtungsvoll

Bürgermeister Ludwig Schmödlmair

Die Springenfelser konnten die drohende Gefahr gut nachvollziehen und versammelten sich am darauffolgenden Samstag fast vollzählig – der Älteste Teilnehmer war 97, die Jüngste, das Kocher Nannerl war vorige Woche gerade erst drei geworden - vorm Feuerwehrdepot. So rückte man der „ausländischen Invasion“ gemeinsam und mit vereinten Kräften zu Leibe, bis kein einziges Pflanzerl mehr übrig schien. Was allerdings schon ein bisserl lästig war und die allgemeine Begeisterung trübte, waren die Samen, die einen regelrecht ansprangen. „Der Bürgermeister hat schon recht“, machte sich der arbeitsscheue Gruber Vinzenz wichtig, „solche Ausländer sind ja sogar in der Pflanzenwelt richtig gefährlich!“

Am Abend wurde dann im „Goldenen Ochsen“ gefeiert. Der sonst so sparsame Bürgermeister spendierte sogar Würstl, Limonade und ein großes Fass Bier für die Helfer.

Dann neigte sich das Jahr seinem Ende zu, der Winter zog ins Land, bedeckte den Schauplatz mit Schnee und Eis und die Leute in Springenfels vergaßen den „Feind aus dem Pflanzenreich“. Schließlich passte so ein Thema auch nicht zur Weihnachtszeit und schon gar nicht zum himmlischen Geschehen in der Krippe, im Stall zu Bethlehem. Aber auf jeden Winter folgt bekanntlich ein Frühjahr, und als ein neuer Sommer ins Land zog, blühte das Sringkraut üppiger denn je.

Als der Bürgermeister an einem heißen Sommertag wieder einmal zum Bach hinunter wollte, um die schmerzenden, geschwollenen Füße im kalten Bachwasser zu kühlen, entfuhr ihm ein entsetzter Schrei des Schreckens: „Himmelherrgottsakrament! Das kann doch nicht wahr sein. Das kreuzvermaledeite Ausländerkraut hat sich schon wieder bei uns breit gemacht!“

In diesem Sommer plagten den Schmödlmair allerdings ganz andere Sorgen und so ließ er die Pflanze Pflanze sein, auch wenn es ihn innerlich wurmte. Grund war sein Nachzügler, der 8-jährige Florl, der ihm großes Kopfzerbrechen bereitete. Jetzt war er schon das zweite Jahr in der Schule und der Dorfschullehrer schickte fast wöchentlich die Nachricht, dass mit dem Florl nichts anzufangen sei. Er bleibe nicht sitzen, könne sich nicht konzentrieren und brauche überhaupt so viel Aufmerksamkeit, dass es am besten wäre, der Herr Bürgermeister stelle einen Hilfslehrer ein, der sich nur um den Florl kümmerte, so er wolle, dass aus dem Buben was Rechtschaffenes würde.

„So ein Blödsinn“, redete der Ludwig mit sich selber. „Ich werd‘ halt einfach strenger mit dem Buben sein müssen. Und mit der Dora – die Dora war die Frau des Bürgermeisters – mit der Dora werd‘ ich auch ein Wörtchen reden müssen. Die soll den Buben nicht so „verscheißerln. Da kann ja kein rechtschaffenes Mannsbild aus ihm werden“.

Am Nachmittag wurde er, Gott sei Dank, durch einen unerwarteten Besuch von seinen Sorgen abgelenkt. „Grüß‘ dich Gott Ludwig“ schallte die Stimme vom Hermann lachend durchs Vorhaus. Die beiden hatten miteinander die Schulbank gedrückt und freuten sich ein jedes Mal auf ein Wiedersehen. Lange war es her, seit sie Neuigkeiten ausgetauscht und über die alten Streiche gelacht hatten. Außerdem war der Hermann recht kräuterkundig. „Vielleicht weiß er ja, wie man das lästige Springkraut los wird?“, ging es dem Bürgermeister durch den Kopf. Aber soweit sollte er gar nicht kommen. „Ja Ludwig, was ist denn bei dir los?“, wollte der Hermann noch unter der Haustür wissen. „Hast leicht ADHS bekommen auf deine alten Tag?! Ha, ha, ha?“

„Was ist ADHS??? – Und wieso lachst überhaupt so komisch, du alter Bazi!“, entgegnete Ludwig leicht betreten.

„Na ja, du hast gar so viel Springkraut rund ums Haus stehen, und Pflanzen wachsen bekanntlich dort, wo sie gebraucht werden. Weißt das ADHS ist so eine neue Krankheit. Du kennst doch noch das Buch vom Struwwelpeter – die Geschichten vom Zappel-Philipp und vom Hans Guck-in-die-Luft. Jetzt hat man herausgefunden, dass wenn ein Kind in der Schule gar nicht stillsitzen will, sich überhaupt nicht konzentrieren kann, wie ein „Schiss in der Reither“ tausend Sachen auf einmal im Kopf hat und wahnsinnig viel Aufmerksamkeit braucht, dass das eigentlich eine Krankheit ist – und die nennt sich ADHS.

„Eine Krankheit sagst?! Ja und gibt‘s dagegen ein Mittel?“ Schön langsam begann ein schrecklicher Verdacht in ihm zu keimen.

Das Mittel soll, nach den Erkenntnissen vom Engländer Edward Bach, das Springkraut sein. Es heißt ja auch Impatiens – also so viel wie Unruhe oder Ungeduld. Aber helfen tut es angeblich nur dann, wenn man es als Bachblütentinktur verwendet.

Das brachte den Ludwig zum Grübeln. Wortkarg und in sich gekehrt saß er da. Der Herman begann sich nun ernsthaft Sorgen um den Freund zu machen. Nachdem Hermann gegangen war, ging der Bürgermeister sofort zum Kalender und sah nach, wann die nächste Bürgermeister-Versammlung in der Bezirkshauptstadt anberaumt war. Denn jetzt wollte er es wissen. Er hatte beschlossen den Florl untersuchen zu lassen.

„Ja Herr Schmödlmair, Ihr Sohn dürfte wirklich an ADHS erkrankt sein“, eröffnete ihm der Arzt als die Untersuchungsergebnisse vorlagen. Vom schulmedizinischen Standpunkt kann ich Ihnen da noch nicht wirklich weiter helfen. Ich an Ihrer Stelle würde es vorerst mit Bachblüten versuchen. Hilft‘s nicht, so schadet‘s nicht!“ Mit einem unterdrückten Seufzer und einem niedergeschlagenen „Vergelt‘s Gott, Herr Doktor!“, verließ Ludwig die Ordination und machte sich auf in die Kreisapotheke am Hauptplatz.

Als der Herman kurz vor Beginn der Herbstferien wieder bei seinem Freund, dem Bürgermeister, anläutete – er hatte zur Sicherheit sein dickes Kräuterbuch mit, weil er sich noch immer Sorgen um den Ludwig machte - fand er diesen völlig verändert, ja geradezu ausgelassen und fröhlich vor. „Da bin ich aber heilfroh, dass es dir wieder besser geht!“, umarmte ihn der Freund erleichtert. Bei meinem letzten Besuch dachte ich, dir fehlt etwas Ernsthaftes!“

Da erzählte ihm Der Ludwig die ganze Geschichte: von den vielen Briefen des Oberlehrers, vom Springkraut, das übrigens mittlerweile weit nicht mehr so wucherte, von dem Schrecken den er ihm mit seiner Rede über ADHS eingejagt hatte, dem Test beim Doktor und der wundersamen Heilung durch die Blütenessenzen vom Herrn Bach. „Weißt du Hermann“, rieb sich der Schmödlmair freudig die Hände, „Seit drei Wochen ist unser Florl wieder in der Schule. Natürlich hat mich der Oberlehrer auch diesmal wieder zu sich bestellt. Die Ursach‘ war aber eine völlig andere als sonst. Baff war er, weißt du – völlig baff, weil unser Florl jetzt viel aufmerksamer ist und brav mitlernen tut er auch! Ich bin dir ja so dankbar, dass du mich da auf die richtige Spur gebracht hast!“ Und so schlenderten die beiden mitten am helllichten Tag zum Wirtshaus hinunter, denn so etwas gehörte auf jeden Fall gefeiert.

Das Springkraut aber, zog sich von da an zurück, schließlich hatte es seine Mission erfüllt und in der Gemeinde durfte es niemand mehr ausreißen. Was die Fremden anbelangt, so hatte Ludwig Schmödlmair seine Meinung grundlegend geändert. Schließlich waren es, neben dem Hermann, ein Engländer (Edward Bach, der Erfinder der Bachblüten lebte in England) und ein „Inder“ gewesen, die ihm und seiner Familie geholfen hatten. Ja, ja, oft lohnt es sich schon, den Sachen etwas tiefer auf den Grund zu gehen.

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