Allerheiligen
VERGÄNGLICHKEIT. Märchen und Geschichten für Erwachsene, Kinder und Kind gebliebene - Teil 143

In der letzten Musikstunde vor den Herbstferien haben mich meine Schüler gefragt, woher Halloween kommt und manche - sowohl Moslems als auch Christen - betonten, dass das Fest nichts mit ihrer Religion zu tun habe. Daraufhin hab ich sie mit auf eine Gedankenreise genommen... in die Zeit vor den großen Weltreligionen, wo die Menschen noch an die Anderswelt - die geistige Welt - glaubten. Zu Allerheiligen, so war man sich damals gewiss, sollen die "Schleier" die die geistige Anderswelt von der greifbaren Welt der Menschen trennten, besonders dünn sein. Man glaubte, mit den verstorbenen Ahnen, die bereits in dieser Anderswelt weilten, Kontakt aufnehmen zu können. In manchen Gegenden ist bis heute der Brauch erhalten geblieben, den lieben Verstorbenen ein Allerseelen-Mal zu bereiten. Denn... auch wenn sie es nicht mehr wirklich essen konnten, so sollten sie die Liebe dahinter noch immer spüren können.

Wenn man im vergangenen Jahr einen lieben Angehörigen oder Freund verloren hat, so ist man zu Allerheiligen noch empfänglicher für die alten Mythen und Überlieferungen, kommt mir vor. Die herbstlichen Nebelschwaden regen zum Nachdenken und Erinnern an. Und ist es nicht die Erinnerung, die liebe Menschen - auch wenn sie nicht mehr unter und sind - am Leben hält? Aus solchen und ähnlichen Grübeleien ist die heutige Geschichte entstanden...

Eine Reise zwischen den Welten

Angela saß beim Computer und tippte die Zusammenfassung eines Kurses ins Word ein. Es war ein ziemlich eigentümlicher Kurs. Obwohl sie im Vorfeld nicht einmal gewusst hatte, worum es wirklich geht, war sie hingegangen - nur weil sie diese Referentin kennen lernen wollte.  Der Vortrag hatte sich in eine seltsame Richtung bewegt: Zauberpflanzen und Pflanzen des Todes. Neben den gebräuchlichen Heilmitteln wurde da über Räucherungen gesprochen, die den Übergang ins Jenseits erleichtern sollen oder Mittel gegen Depressionen nach Verlusten. Auch über so manche übernatürliche Phänomene aus dem Geisterreich wusste die angesehene Heilpraktikerin zu berichten. Angela schrieb alles brav mit, denn hier war reichlich Stoff für Märchen und Geschichten und die mochte sie für ihr Leben gern. 

Da läutete das Telefon. "Albert - Bruder" stand am Display. Erfreut hob Angela ab, denn ihren Lieblingsbruder bekam sie, der Entfernung halber, viel zu selten zu Gesicht. "Hallo Albert!" jubelte Angela ins Telefon. Die Antwort kam seltsamerweise gar nicht freudig zurück. "Ich muss dir eine Schlechte Nachricht bringen...", sagte er. "Was ist eine schlechte Nachricht?" fragte die junge Frau beunruhigt. "Unser Bruder hat sich gestern das Leben genommen...." Angela stieß einen Schrei aus, der selbst die Kleine, die zu ihren Füßen spielte, verschreckt hochfahren und "Was ist, Mama?" rufen ließ. "Oliver ist gestern von der Europabrücke gesprungen. Genau dort, wo er schon einmal Bungee Jumpen war. Du weißt, er hat seit Jahren psychische Probleme!" Angela rannen die Tränen über die Wangen. "Das muss zu dem Zeitpunkt passiert sein, als sie in diesem seltsamen Kurs gesessen war... fast als hätte sie es indirekt gespürt.. Zu Oliver hatte sie sehr wenig Kontakt gehabt. Wenn es ihm nicht gut gegangen war, war er nicht einmal zu Taufen im Familienkreis erschienen und bei der letzten, da war er so verloren an der Theke gesessen, als würde er nicht dazugehören. Aber dann hatte er sich wieder zu Angela gesetzt und die beiden hatten geredet und geredet als wären sie erst Tags zuvor auseinander gegangen...

Nach dem Telefonat versuchte sie ihrer Kleinen so kindgerecht wie möglich zu erzählen, was sie selbst noch nicht begreifen konnte. "Onkel Oliver ist in den Himmel gegangen, Laura. Er war krank. Weißt du was, mein Kleines, wir nehmen eine von den Nussschalenkerzen die wir gegossen haben und fahren damit zum Fluss. Wenn wir eine für Onkel Oliver schwimmen lassen, kommt er sicher gut über die Regenbogenbrücke..." Wenig später kletterten sie die engen Steinstufen zum Fluss hinunter und schickten die brennenden Nussschalen-Kerzen auf die Reise. ""Komm gut rüber, brother...", flüsterte sie leise. 

In der Nacht hatte Angela einen Traum. Sie sah Oliver wie er nach droben  - auf dem Weg zum Himmel war. Aber irgendwie schien er, als hätte er die Situation noch nicht begriffen. Er war fröhlich, tanzte und genoss den ganzen Trubel, der da jetzt rund um seine Person stattfand.  Es fühlte sich an, als wäre er immer noch so orientierungslos wie zu Lebzeiten. Am nächsten Nachmittag war da plötzlich ein Lied in Angelas Gedanken, dass sie prompt in die Gitarrenstunde mitnahm, um die Griffe auszuarbeiten. Aber selbst als sie es ins Handy einspielte, ging ihr Oliver nicht aus dem Sinn. Da hatte sie dieses Bild vor sich... wie er sich darüber freute und zu seinem Lied tanzte. "Wir haben schon lange nicht mehr miteinander getanzt", wehte es ihr durch den Sinn. Und sie hatte gleichzeitig die Vision, wie sie Oliver schnappte und mit ihr ausgelassen herumwirbelte. Angela schüttelte den Kopf. Hoffentlich fang ich jetzt nicht an zu spinnen!" Selbst während des Begräbnisses könnte sie ihren Bruder noch deutlich spüren. "Du bist noch immer nicht drüben...", dachte sie bei sich. 

Ein paar Tage später wachte Angela auf, dabei hatte sie das Gefühl, dass heute etwas anders war. Sie streckte die Glieder durch, um völlig wach zu werden, gähnte laut und schwang sich aus dem Bett. "Jetzt hab ich's!", fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. "Es ist Oliver. Oliver ist nicht mehr da!" Noch einmal schüttelte sie vehement den Kopf. Seit sie die Nachricht von Olis Tod erhalten hatte, war er immer in ihren Gedanken, immer irgendwie bei ihr. "Wo bist du, Oliver?" fragte Angela besorgt in die Leere. Bist du jetzt drüben?" Da meldete er sich ein letztes Mal - ganz ernst und leise, als wäre er eine Ebene zurückgetreten. "Mach dir keine Sorgen Schwesterlein!" sagte er. "Es geht mir gut! Ich bin jetzt bei meiner Mama im Herzen..."

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