Die Brennnessel oder das Geheimnis vom grünen Viagra – Märchen und Geschichten für Kindsköpfe und Kindgebliebene – Teil 17

Das Bild zeigt unser Haus in Rohr im Kremstal mit Pferd und Hausleut' um 1910.
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  • Das Bild zeigt unser Haus in Rohr im Kremstal mit Pferd und Hausleut' um 1910.
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BRENNNESSEL. Wenn die Sonne so schön hervorlacht wie heute, strecken die ersten Frühblüher freudig ihre Blattspitzen aus der Erde. An Hausmauern und Plätzen, wo sich die Sonne schön anlehnt, die jedoch nicht besonders gepflegt sind, werden schon bald die ersten Brennnesseltriebe zu sehen sein.
In Form von Brennnesseljauche wirkt die Pflanze als Gartendünger wahre Wunder. Auch den Brennnesselspinat kennen die meisten.
Ihr vielleicht spannendstes Geheimnis, das besonders den Samen der Brennnessel innewohnt, hütete die Pflanze allerdings viele Jahre wie ihren Augapfel – lediglich eine Handvoll Eingeweihter wusste über ihre "anregende" Wirkung Bescheid. Wie das Geheimnis der Brennnessel wieder ins Gedächtnis der Leute zurückgerufen wurde, erzählt meine heutige Geschichte. Viel Spaß beim Lesen und Ausprobieren ;-)

Wie der Dunzinger Rosshändler „unversegns“ zum Eheretter wurde … A. Buchriegler

Der Dunzinger Rosshändler rieb sich schadenfroh die Hände: „Schon wieder so ein Depp, der mir seinen alten Gaul um ein Vergeltsgott da gelassen hat. Ja, ja, es stimmt schon, was die Leute immer sagen: Jeden Morgen steht ein Dummer auf! Aber mir soll’s recht sein!“ Mit einem breiten Grinsen im fleischigen Gesicht sah er vor sich schon die glänzenden Münzen, die ihm dieses Geschäft wieder einbringen würde. Durch das alte Rezept, das im der Großvater – Gott hab’ den alten Halsabschneider selig – hinterlassen hatte, brachten ihm die ältesten Gäule den größten Gewinn ein.

Das Rezept war natürlich ein Geheimnis und wurde von Generation zu Generation wie ein Augapfel gehütet. Schlaue Füchse, die die Dunzinger Rosshändler seit jeher waren, verfütterten sie einem alten Pferd vor dem beabsichtigten Verkaufstermin eine Woche lang Brennnesselsamen. Die Wirkung war phänomenal, denn die Tiere gebarten sich daraufhin wie junge Wildpferde – wenn auch nur für kurze Zeit. Und frei nach dem Sprichwort „einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul“ kamen die Käufer meist gar nicht auf die Idee, dem Tier ins Maul zu sehen, um so das Alter im Groben zu überprüfen – schließlich gab es für die vierbeinigen Freunde damals weder „Pickerl“ noch Serviceheft.

Am darauffolgenden Sonntag kam er am Wirtshaustisch mit dem sparsamen Schusterbauern Simmerl ins Gespräch. Der hatte sich nach reichlichen Überlegungen endlich dazu durchgerungen, ein zweites Pferd anzuschaffen. Der Dunzinger hatte da natürlich genau das Richtige für ihn: „Ja, Simmerl, da kommst am Besten gleich morgen bei mir vorbei und siehst dir das stolze Ross an, das ich grad vor einer Woche hereinbekommen hab’. Ein Temperament hat das Vieh, das kann ich dir sagen! Trotzdem ist es ein kreuzbraves Arbeitstier. Eigentlich wollt‘ ich es ja am liebsten selber behalten, aber ich hab halt im Moment gar keinen rechten Platz dafür.“

Der Simmerl nickte freudig mit dem Kopf. Ja, er wollte gleich am Montag einen Blick auf das Pferd werfen. Das Verkaufsgespräch dauerte nicht lange, und schon zum Mittagessen stand der Simmerl mit dem Neuzugang vor seiner Haustür. „Da hat er dir das richtige Pferd angedreht, der Dunzinger!“, machte sich seine Frau, die Resl, wichtig. Der alte Gaul hat mindestens so schütteres Haar wie du!“ Die Resl war um gut 15 Jahre jünger als ihr Ehemann und kam sich momentan ziemlich vernachlässigt vor. Tagsüber rackerte der Simmerl selber wie ein Ross, am Abend fiel er todmüde ins Bett und am Sonntag legte er sich gleich nach dem Mittagessen nieder, schließlich musste er irgendwann einmal rasten. Für die Resl blieb da nur wenig Zeit über, und Zärtlichkeiten gab‘s zwischen den beiden schon lange nicht mehr. Dabei hätte sich die Resl so sehr ein Kind gewünscht. Insgeheim spielte sie sogar mit dem Gedanken, dem Simmerl davonzulaufen. So was wie Scheidung sollte es ja geben, das hatte sie kürzlich in einem Groschenroman gelesen.

Ein paar Tage später sollte sich Resls Verdacht bewahrheiten. Das Pferd erwies sich wirklich als himmelalt und abgerackert. Der Simmerl konnte dem Gaul maximal das Gnadenbrot am Hof ermöglichen – das wollte er sich aber noch überlegen. Immerhin kostete ihn das Geld, und so ein Pferdeleberkäs war ja auch was ganz Feines. Immer wieder raufte er sich die Haare vor lauter Wut. „Wie konnte ihm das bloß passieren – sich vom Dunzinger derart hineinlegen zu lassen?!“

Als er den Rosshändler allerdings zur Rede stellen wollte, war dieser partout nicht anzutreffen. Freundlich, aber bestimmt gab ihm die Haushälterin ein jedes Mal die Auskunft, der Herr Dunzinger wäre am Markt, beim Doktor oder geschäftlich unterwegs. Das drückte natürlich auch die Stimmung am Schusterbauernhof gehörig und der Haussegen hing noch ein bisserl schiefer – so das überhaupt noch möglich war. Da wurde es der Resl eines abends zu bunt und sie beschloss die Initiative zu ergreifen, nahm Hut und Umhang vom Haken, und schon hörte man die schwere Haustüre fest hinter ihr ins Schloss fallen.

Der Dunzinger Ludwig erwartete zu so später Stunde eigentlich keine Besucher mehr, und so ging er neugierig selber zur Haustür. Als er sah, wer sich da vor ihm aufbaute, trat er gleich zur Sicherheit einen großen Schritt nach rückwärts und sah sich insgeheim nach einer Fluchtmöglichkeit um.

„Du bist mir ein ganz Gerissener, Rosshändler!“, fuhr ihn die Resl forsch an. „Den armen Simmerl derart zu betrügen, ihm einen lahmen alten Gaul als junges Wildpferd anzupreisen! Pfui, schäm dich! Ist dir eigentlich klar, dass das nicht rechtens ist!“ „Ich hab‘ nichts Unrechtes getan! Wovon ist überhaupt die Red’? Und außerdem, wenn’st mir so kommst, dann musst mir schon an Zeugen bringen!“ Jetzt hatte der Dunzinger die gewohnte Selbstsicherheit wiedererlangt. Schließlich war der Simmerl nicht der erste, der auf den Rosshändler hereingefallen war.

„Du weißt schon, dass mein Bruder Polizeiinspektor ist und im Kriminaldezernat arbeitet!“, spielte die Resl ihren größten Trumpf aus. „Entweder du sagst mir, wie du den alten Gaul so aufgepeppt hast oder ich geb’ die Sache an die Polizei weiter!“ Da bekam der Dunzinger ganz weiche Knie. An diese Verbindung hatte er bei dem Geschäft nicht gedacht. Das könnte diesmal wirklich ins Auge gehen. „Gut, ich will’s dir verraten!“, begann er stotternd.

„Aber ich will alles schriftlich niederschreiben. Wenn’st mich trotzdem anzeigst, dann soll auch euer anderes Pferd mir gehören.“ Das war der Resl recht, und so wurde sie in das lange gehütete Familiengeheimnis der Dunzingers eingeweiht. „Ha, ha, ha…!“ Die Resl hielt sich die Seiten vor Lachen. „Dunzinger, jetzt hast mich auf eine Idee gebracht. Du ahnst ja gar nicht, wie du mir mit deiner Schlitzohr-Tour geholfen hast – falls es wirkt, versteht sich.“ Und schon machte sie sich vergnügt pfeifend und beschwingt auf den Nachhauseweg. Den völlig verdutzten Dunzinger ließ sie mit herunter hängender Kinnlade baff auf der Türschwelle zurück.

Die Resl hatte nämlich, als alte Krimifreundin, sofort kombiniert. Was bei so einem alten Gaul Wunder wirkt, das kann doch auch an einem faden Ehemann nicht spurlos vorübergehen. Und so wurde beim Schusterbauern ab jetzt fleißig Brennnessel verkocht. Einmal gab‘s Brennnesselsüppchen mit gerösteten Brotwürfeln, ein andermal Brennnesselspinat und dann wieder ein Brennnessel-Gröstl mit Eiern und Brot. Zum Knabbern gab‘s Knäckebrot mit Brennnesselsamen und zum Schlafengehen einen Brennnesseltee mit Honig. Dem Simmerl erklärte sie, dass eben jetzt gespart werden müsse, immerhin habe er ja das Ersparte in den lahmen Gaul investiert.

Und so wurde das Geheimrezept der Dunzinger Rosshändler auch zum Geheimrezept der Schusterbauern-Frauen, das auch diese gut hüteten und von Generation zu Generation weiterreichten. Schließlich sollte es beim Simmerl sensationell wirken. Schon im nächsten Frühjahr stellte sich der lang ersehnte Hoferbe ein, dem noch weitere fünf Geschwister folgten.

Hundert Jahre später dürfte sich allerdings doch einmal eine Schusterbäuerin verplappert haben, denn heutzutage sind Brennnesselsamen weithin als „grünes Viagra“ bekannt …

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