Ostern im Jahr des Gebetes
"Christliches Beten ist eine Weltzuwendung"

Der Glaube wächst langsam, aber sicher. Der Tod hat nicht das letzte Wort, und aus dieser Hoffnung heraus können wir ein österliches Leben führen. | Foto: Rebeiz
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  • Der Glaube wächst langsam, aber sicher. Der Tod hat nicht das letzte Wort, und aus dieser Hoffnung heraus können wir ein österliches Leben führen.
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Die Fastenzeit klingt aus und das Osterfest steht vor der Tür. Wir haben uns mit Bischof Hermann zum Gespräch getroffen.

BEZIRKSBLÄTTER: 2024 ist das „Jahr des Gebetes“. In diesem Zuge ist jetzt auch Ihr Hirtenwort erschienen, welche Bedeutung steckt dahinter?
BISCHOF HERMANN: Wer betet, kann inmitten größter Nervosität zur Ruhe kommen. Angesichts der enormen Verunsicherungen unserer Zeit bedeutet Beten, den inneren Frieden wieder zu finden, sich in Gott zu verwurzeln. Gebet unterbricht unsere Alltagsgeschäftigkeit, ist jedoch keine Flucht aus der Welt. Ganz im Gegenteil. Christliches Beten ist eine Weltzuwendung. Es verbindet uns – besonders mit jenen, die mit großen Herausforderungen kämpfen oder schweres Leid zu ertragen haben. Echtes Gebet stärkt eine solidarische Verbundenheit über alle möglichen Grenzen hinweg. Das ist enorm wichtig – gerade angesichts vieler Polarisierungen und Verhärtungen, die wir täglich beobachten. Wer sich auf Gottes Nähe einlässt, wird ausgeglichener, dankbarer und aufmerksamer. Und Beten ist nicht kompliziert. In der Gebetssammlung „hörgott“ finden sich gute Einstiegshilfen. Ich möchte Menschen dazu anleiten, selbst wieder einen Zugang zum Gebet zu finden. Mein Ziel ist es, unterschiedlichste Menschen zu erreichen, da wir alle spirituelle Nahrung benötigen.

Sie sind nun seit Dezember 2017 in Amt und Würden, sprich das ist Ihr siebtes Osterfest. Was hat sich seit damals verändert, wie waren diese letzten Jahre für Sie?

Ein Geschenk, ja tatsächlich. Ich schätze die vielen Begegnungen, die mir als Bischof geschenkt werden. Wirklich überraschend finde ich das enorme freiwillige Engagement so vieler Menschen in allen möglichen Bereichen unserer Gesellschaft, nicht zuletzt auch in den Pfarren. Herausforderungen gibt es natürlich auch genug. Den Fachkräftemangel, um es einmal so auszudrücken, kennen wir in der Kirche schon etwas länger. Aktuell erlebe ich, dass Menschen sehr viele Belastungen mit sich herum schleppen. Die weltweiten Krisen und das Gefühl, mit dem Tempo der Veränderungen nicht mehr mitzukommen, wirken sich aus. Eine beängstigende Nervosität liegt in der Luft.

"Die Osterbotschaft ist keine Propaganda, sondern öffnet einen menschlichen Raum, in dem wir mit unseren Sorgen und Ängsten abgeholt werden." | Foto: MeinBezirk
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Wie begegnen Sie diesem Phänomen, was schlagen Sie vor?

Gute Frage. Ganz unmittelbar würde ich sagen, Ostern bewusst begehen – wo auch immer. Dieses Fest versucht doch eine Antwort auf einige bedrängende Fragen unseres Menschseins: Was tun, wenn das Böse übermächtig erscheint? Was tun, wenn sich Verzweiflung nahelegt? Wohin mit den Ängsten? Ja, diese Fragen sind recht intensiv da. Die Osterbotschaft lautet: Du bist nicht allein! Gott reicht dir die Hand. Er kann dich aus dem Loch der Hoffnungslosigkeit herausziehen. Auch aus den Trümmern des Versagens kann wieder Neues entstehen. Vermutlich müssen wir diesen österlichen Glauben ganz neu zugänglich machen. Es geht um weit mehr als um ein nettes Frühlingsfest. Jesus ist der tatsächliche Erlöser, der uns aus allen negativen Szenarien herausführen und Hoffnung schenken kann, wenn wir ihm Raum geben. Ostern bringt es auf den Punkt: Vergebung ist möglich, ein Neuanfang ist möglich. Und vor allem: Die Osterbotschaft ist keine Propaganda. Sie erzählt von Begegnungen und öffnet einen menschlichen Raum, in dem wir mit unseren Sorgen und Ängsten abgeholt werden. Der Glaube wächst langsam, schrittweise.

Thema: junge Menschen. Kann es sein, dass junge Menschen heutzutage mehr von der Kirche entfernt sind als es je zuvor der Fall war? Und wie holen Sie junge Leute ab? Demnächst Bischof Hermann mit lustigen Videos auf Tik tok?
Eher nicht. Mein Auftritt auf Instagram reicht schon. Die Frage, wie man heutzutage junge Menschen anspricht, ist von großer Bedeutung. Am besten gelingt es in persönlichen Begegnungen und mit einem ehrlichen Zuhören. Einsamkeit ist auch unter jungen Menschen zu einem großen Thema geworden. Wer ist denn da, der wirklich zuhört und nachfragt? Der Aufbau von Vertrauen ist das einzige Rezept, das wirklich funktioniert. Nach Gesprächen mit jungen Leuten bin ich immer selbst am meisten beschenkt. Ich lasse mich gerne in Schulen einladen. Jugendliche haben ein gutes solidarisches Bewusstsein und eine hohe Sensibilität, wenn Ungerechtigkeiten oder Diskriminierungen passieren. Da müssen wir als Kirche lernen. Wirkliches Interesse an der Lebenswelt der jungen Menschen ist jedenfalls vonnöten.

Was sagen Sie eigentlich zu diesem oft gehörten Standardsatz: Ich glaube zwar an Gott, aber nicht an die Kirche. Für meine Beziehung mit Gott brauche ich die Kirche nicht.

Ja, diese Aussagen sind mir sehr vertraut. Grundsätzlich freue ich mich schon, wenn Menschen ungeniert vermitteln, dass sie an Gott glauben. Für diesen Glauben braucht es jedoch eine Form, in der eine kulturelle Ausgestaltung und Reflexion möglich ist. Religion im Wildwuchs kann sehr eigenartige Blüten zeitigen, ja durchaus auch gefährlich werden. Die Kirche selbst ist wie ein Gefäß, das von außen betrachtet nicht immer attraktiv erscheint und durchaus zerbrechlich ist. Aber genauso wie ein Gefäß das Wasser hält, muß die Kirche das Frischwasser des Glaubens und der Hoffnung zugänglich machen. Wenn ein Geist der Menschlichkeit in der Kirche erfahrbar ist, wird die Kirche auch wieder zugänglicher sein. In jedem Fall muss man einen Schritt in den Innenraum machen, um die Kirche wirklich zu entdecken – einen Gottesdienst mitfeiern, sich an einer caritativen Aktion beteiligen oder bei ehrenamtlichen Besuchsdiensten mitmachen. Die Kirche ist ja nicht nur im Kirchengebäude zu Hause, sondern ganz selbstverständlich in der vielfältigen Seelsorge, im Bildungsbereich und in der Kultur – im alltäglichen Leben der Menschen!

Wir erleben heutzutage ja durchaus spirituelle Strömungen, ich sage nur Eckhart Tolle etc. Hat Gott heutzutage mehr "Konkurrenz" denn je zuvor? Denn auch durch spirituelle Lehrer und durch Meditation finden die Menschen zur Stille und zum inneren Frieden.
Es gibt viele Wege, um zu Gott zu finden – vermutlich so viele wie es Menschen gibt. Ich bin jedoch fest überzeugt, dass die christliche Spiritualität für unsere Zeit unendlich wertvoll ist. Geht es doch darum, sich von einer größeren Liebe ergreifen und beschenken zu lassen. Die Mitte und zentrale Gestalt christlicher Spiritualität ist Jesus von Nazareth. Er ist Gottes Nähe und Barmherzigkeit in Person. Eine oberflächliche Wellness-Spiritualität kommt an die Qualität seiner Frohbotschaft und an das Zeugnis seines Lebens niemals heran. Der Glaube an ihn trägt in den entscheidenden Lebenssituationen, weil er dem Kreuz nicht ausweicht – auch nicht den vielen Wunden unserer Zeit. Die Botschaft Jesu ist nicht die eines Helden, der mit starker Hand durchgreift, sondern vielmehr die einer selbstlosen Hingabe. Sie gibt Menschen echten Halt und schließt niemanden aus. Die Auferstehungskraft des christlichen Glaubens erfahren wir von Neuem zu Ostern.

Wie steht es 2024 mit dem Priesternachwuchs?
Sehr ausbaufähig. Und mit dem Fachkräftemangel haben wir ja Erfahrung. Bei uns wirkt er sich nicht nur in Bezug auf Priesterberufungen aus, sondern auch für andere Aufgaben im religiösen Bereich wie Religionsunterricht und verschiedene pastorale Tätigkeiten. Dennoch bin ich zuversichtlich, dass eine Zeit kommen wird, in der junge Menschen sich wieder leichter dafür ansprechen lassen, insbesondere wenn sie jemanden erleben, der authentisch seinen Glauben lebt. Übrigens gibt es mittlerweile Angebote für Quereinsteiger, die berufsbegleitend eine religionspädagogische oder theologische Ausbildung machen möchten.

Wie werden Sie persönlich Ostern feiern? Was werden eventuelle Höhepunkte des diesjährigen Osterfestes sein?

Ich freue mich in jedem Jahr auf die österlichen Gottesdienste – ob im Dom oder in Pfarren, wo ich aushelfe. Das sind die eigentlichen Höhepunkte. Alle, die noch nie die Kartage bewusst mitgefeiert haben, lade ich herzlich dazu ein. Vor allem die Feier der Osternacht ist ein ganz tiefes Erlebnis. In einigen Pfarren unsere Landes werden in der dieser Nacht heuer sogar Erwachsene getauft. Wichtig sind die sogenannten „Großen Fürbitten“ am Karfreitag. Dabei werden die wichtigen Anliegen und Wunden unserer Zeit benannt. Speziell die flehentliche Klage um Frieden in der Ukraine und im Heiligen Land. Aber Ostern spielt sich natürlich nicht nur in der Kirche ab. Es ist eine Zeit, sich zu versöhnen. Dafür brauchen wir alle Mut und Kreativität. Oft ist es nur eine kleine Geste, eine Bitte um Entschuldigung – und alles kann neuwerden. Ostern ist die Zeit, das Leben neu zu wählen. Klingt wie ein schöner Sager im Superwahljahr, nicht wahr?

Ist es auch Ihre Osterbotschaft für unsere Leserinnen und Leser?

Ja, zu Ostern feiern wir Tod und Auferstehung Jesu. Das ist befreiend. Wir haben die Wahlmöglichkeit für das Leben, für alles, was das Leben fördert. Und wir müssen wählen. Vor allem die Option für die Schwächsten in unserer Gesellschaft. Es ist wichtig zu verstehen, dass wir als Gesellschaft nur gemeinsam vorankommen können. Die Lernschritte dafür beginnen in der unmittelbaren Nachbarschaft. Gerade in Zeiten unzähliger Krisen ist es wichtig, den vielen Kleinkriegen keine Chance zu geben. Bei den Worten und Gesten abrüsten, nicht aufmunitionieren. Das gilt natürlich auch für den Wahlkampf. Ostern ist ein Neubeginn, wenn wir uns darauf einlassen. In diesem Sinne wünsche ich allen ein hoffnungsvolles Fest!

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