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Josef Muchitsch
Keine Belastungen mehr

SPÖ-Sozialsprecher und Gewerkschafter Josef Muchitsch sieht große Ungerechtigkeiten im System Kurz. | Foto: TT&K
  • SPÖ-Sozialsprecher und Gewerkschafter Josef Muchitsch sieht große Ungerechtigkeiten im System Kurz.
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SPÖ-Sozialsprecher und Gewerkschafter Josef Muchitsch hält das System Kurz nicht mehr für handlungsfähig.

Österreich nahm durch die Corona-Krise enorme finanzielle Schulden auf sich. Wie würden Sie aus dem Blickpunkt der Gewerkschaft das Krisenmanagement beurteilen?

Josef Muchitsch: Leider schlecht! Einige Branchen wurden "überfördert" - wie die Gastronomie - andere zu wenig bis gar nicht unterstützt. Durch Corona sind über 100.000 Menschen unverschuldet arbeitslos geworden und von der Regierung im Stich gelassen worden. Menschen, die während der Krise unser System aufrecht hielten, wurde eine Belohnung versprochen, bekommen haben sie nichts. Die Kommunikation rund um die Impfung war schlecht und die Impfkampagne wurde "versemmelt". Jetzt gibt es eine Spaltung in der Gesellschaft.

Geld und Verschuldung schienen keine Rolle mehr zu spielen. Wie kommt es zur Sanierung der Staatsfinanzen, ohne dass künftige Generationen die Zeche zahlen müssen?

Die Krise hinterlässt enorme Schulden, welche bezahlt werden müssen. Leider werden auch die nächsten Generationen dazu noch einen Beitrag leisten müssen. Aber das war auch schon vor der Krise so. Die Politik hat in den letzten Jahrzehnten Werte und notwendige Infrastrukturen für Österreich geschaffen, mit dem Ergebnis, dass wir in einem der Länder mit dem höchsten Wohlstand leben. Wir brauchen aber in Österreich politische Mehrheiten, die auch Superreiche dazu verpflichten, einen wesentlichen Beitrag zur Krisenfinanzierung zu leisten. Es darf nicht sein, dass diese Kosten wieder auf die arbeitende Bevölkerung und unsere PensionistInnen abgeschoben werden.

Hand in Hand mit der Corona-Bekämpfung ging eine enorme Vermehrung der Geldmenge. Üblicherweise ist die Folge eine saftige Inflation. Womit müssen wir noch rechnen?

Ich bin kein Prophet. Aber laut Wirtschaftsforschern wird sich diese 2022 stabilisieren bzw. leicht sinken. Soweit hätte es gar nicht kommen müssen. Aber die Kluft zwischen Arm und Reich ist während der Krise immer größer geworden, das, verbunden mit einer Hochkonjunktur, ist das Ergebnis. Viele können sich die Grundbedürfnisse nicht mehr leisten. Corona ist noch nicht vorbei und schon zeichnen sich neue Belastungspakete ab. Die Klimaveränderung wird weitere Summen verschlingen. Mit der aktuellen Steuerreform soll nun eine CO2-Steuer eingeführt werden, andererseits soll es einen Ausgleich über einen Klimabonus geben. Das ist nicht der große Wurf, den Türkis-Grün versprochen hat, sondern ein Versuch, der Klimapolitik "einen grünen Fußabdruck" zu verpassen. In Wahrheit ist wenig ÖKO und NULL gerechtes Soziales drinnen.

Bieten nicht die Corona-Beschränkungen eine Gelegenheit, um die leidgeprüften Österreicher gleich in die nächsten Zwangsmaßnahmen zur Bekämpfung der Abgaswerte hineinzutreiben?

Die Menschen haben die Nase voll von Beschränkungen. Da wurde von der Regierung viel versprochen und nichts gehalten. Ich erinnere an einige Kurz-Aussagen wie "Licht am Ende des Tunnels", "wir lassen niemanden zurück" oder "Keine Impfpflicht", welche nun doch versteckt kommt.

Ist es für einen Gewerkschafter nicht verdächtig, wenn der Beifall für die Regierungsmaßnahmen fast nur aus Kreisen der Wirtschaft kommt?

Die Presseaussendungen der Wirtschaft und deren Verbände zeigen, wer die "Sieger" sind. Da gibt es eine Jubelmeldung nach der anderen. Spätestens da hätten bei den Grünen alle Alarmglocken läuten müssen. Tatsache ist: Die "kleine Wirtschaft" und die ArbeitnehmerInnen werden belastet und parallel die "Großen" bei ihrer Gewinnvermehrung entlastet – und das noch ohne wirklich positive ökologische Auswirkungen. Nicht umsonst kommt auch von allen Umwelt-NGO Kritik.

Wie sehen Sie hier die Position der Regierungsparteien?

Dem Vernehmen nach sind die Grünen auch in dieser Frage über den Tisch gezogen worden. Wenn nun die Grünen das Festhalten am „System Kurz“ damit erklären, dass sie damit diese Reform retten wollten, frage ich mich, wann und wo die Grünen auch ihr ökologisches und soziales Gewissen abgegeben haben.

Halten Sie Kurz - auch angesichts seiner damaligen Forderung, Strache müsse zurücktreten, weil gegen ihn ermittelt wurde - für tragbar?

Nein. Aufgrund der Inhalte aus den Chats ist es moralisch nicht mehr möglich, dass Kurz weiter ein politisches Amt besetzt - auch nicht das als Klubobmann. Gerade in einer Pandemie muss zum Wohle der Bevölkerung gearbeitet werden. Das geht nicht, wenn sich die halbe Regierungsmannschaft laufend verteidigen muss. Leider hat auch Schallenberg mit seinen ersten Auftritten gezeigt, dass er sich nicht von Kurz distanzieren will und offenbar nicht interessiert ist, den türkisen Korruptionssumpf aufzuklären.

Würden Sie sich nun Neuwahlen erwarten und wünschen?

Klar nein - die Menschen wurden in letzter Zeit zu oft zu Wahlen gebeten. Jetzt muss ohne politische Einflussnahme eine vollständige Aufklärung stattfinden. Die WählerInnen haben das Recht zu wissen, was an den Beschuldigungen dran ist. Das Parlament ist nach wie vor handlungsfähig. Der Korruptions-Untersuchungsausschuss wird bestmöglich versuchen, bei der Aufklärung zu helfen. Er muss schnell gestartet werden, weil die Gefahr der Beweis-Schredderung nicht umsonst im Raum steht.

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