Natur | Spazierbericht
Mit Turmfalken am Pötzleinsdorfer Friedhof
Ein aprilhafter Tag in Jänner. Kann er trotz Regenschauer schön werden? Ein Spazierbericht vom Pötzleinsdorfer Friedhof mit zauberhaftem Regen-Vögel-Konzert. Reinlesen, betrachten und genießen.
Das Sauwetter
Es ist ein stürmischer Wintertag, der sich noch nicht entschieden hat Frühling zu sein. Kaum wer würde die Nase vor die Tür stecken. Blitzeis und stürmische Regenschauer sind angesagt. Gerade da habe ich mir vorgenommen den kleinen Pötzleinsdorfer Friedhof zu besuchen. Die A....karte gezogen, denn diesmal stimmt die Wettervorhersage und ich stecke fest. Es kann ungemütlich werden. Das Vordach am Friedhof Pötzleinsdorf ist meine Rettung. Hier sitze ich im Regenschatten am Bankerl und warte.
Meditativer Regen
Man spürt eine ungewöhnliche Ruhe. Ich lasse die Gedanken fließen und trotzdem ist keine von ihnen wichtig. Nichts ist wichtig. Nichts muss sofort passieren. Niemand will etwas von mir. Alles, was mich umgibt, ruht in sich. Alles, was passiert, passiert von sich aus.
Auch die Regentropfen fallen selbst vom Himmel. Tausendfach klopfen sie auf die Grabsteine. Tsupp, tsupp, patsch. Die Tropfen vermascheln sich in der Menge zu einem Echo, das von den umliegenden Häusern zurückkommt. Wenn sie auf dem Marmor aufschlagen, erzeugen sie einen Sprühnebel, der die Gräber mit einer sanften Decke überzieht. Statt sich wie ein Tropfen im Meer zu fühlen, lässt es spüren, dass auch ein Meer aus vielen kleinen Tropfen besteht. Ein Hall aus vielen kleinen Geräuschen.
Concert for one
Was tun die Vögel eigentlich bei solchem Wetter? Gut versteckt in einem gut gepolsterten Nest? Jedenfalls sieht man sie nicht. Ich erblicke nur ein paar fliegende Pfeiler, die über mir flitzen - keine Chance ein Foto zu schießen. Ich wandere mit dem Blick über den Friedhof.
Verschlafen, fast kitschig ist es. Kleines Kirchlein, moosbewachsene Grabsteine verzaubert mit Wasserglitzer. Allerdings ein Friedhof, an dem "Ruhe in Frieden" nicht zwingend Ruhe meint. Nicht wegen der Menschen. Über die 2 Stunden, die ich hier verbringe, laufen mir nur zwei solche Zweibeiner über den Weg. Sobald der Regen schwächelt hallt es aus den Vogelverstecken. Eine Kohlmeise startet. Zuerst langsam, aber regelmäßig im Takt. Die hohe Stimme wechselt sich mit dem langsamer werdenden Trommeln der Regentropfen ab. Es schließt sich ein tiefes Dudeln einer Amsel an. Die Kohlmeise übernimmt noch energischer die Initiative. Bald gibt es Zwei- und Vielstimmiges zu hören, denn auch eine Blaumeise und ein Rotkehlchen lassen sich nicht lumpen. Ein Specht setzt einen Ruf ab während die Kohlmeise Luft holt. Für "Slavik" - der Name auf einem Grabstein, der aus Slawischem übersetzt Nachtigall heißt - wohl genau der richtige Platz für letzte Ruhe. Ich warte und genieße die Atmosphäre.
Die Revier-Kontrolle
Ein hagerer Herr kommt mit einem kleinen selbstgemachten Blumenstrauß vorbei. Mit weiß-grauem Kopf und gesenktem Blick steht er im krassen Kontrast zu dem Konzert, dem ich hier gerade lausche. Er ist vertieft und kann außer einem grüßenden Kopfnicken nichts von sich geben. Er ist wohl noch rechtzeitig gekommen bevor der Regen wieder stärker wird und der dunkler Tag sich in die Nacht verwandelt. Ich beschließe noch eine kleine Runde zu drehen, um doch noch paar Vögel zu fotografieren. Nur wie soll ich die jetzt finden, denn sie sind inzwischen verstummt. Ich bilde mir ein, sie wären mutiger, wenn ich nur ruhig bliebe. Aber es nutzt nichts. Am Weg Richtung Tor wie zum Rausbefördern fliegt eine komische Taube über meinen Kopf. In der Abenddämmerung muss ich zwei Mal schauen. Die Taube hat Krallen und fliegt selbstbewusst die Spitze eines Nadelbaums an. Sie kontrolliert ihr Revier und beobachtet eine Weile. Auch wenn sie nicht herschaut, jeder meiner Schritte wird erfasst. Es ist keine Taube, sondern ein Turmfalke, der sein Revier vor Schlafen-Gehen nochmal kontrolliert.
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