Agrarische Welt: Umbrüche

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Tierarzt Hannes Resch sagt lapidar: „Wir waren der letzte Vollerwerb in Pirching.“ Dieses unaufgeregte Statement ist brisant; außer man hat über die agrarische Welt nie nachgedacht. Der größere Zusammenhang ist ein Thema, das mehr Aufmerksamkeit verdient.

Resch sagt weiter: „Es gibt auf der Welt nur wenige so fruchtbare Gebiete wie bei uns. Es wachst ja alles. Und das in hoher Qualität.“ Was man hierzulande auf einem halben Hektar anbauen könne, brauche woanders weit größere Flächen. „Und man kann zwei mal im Jahr ernten“, fügt Berufskollege Karl Bauer hinzu.

Die Veterinäre haben etwas gemeinsam. Sie kommen beide von Bauernhöfen, sind in der agrarischen Welt aufgewachsen und haben die enormen Umbrüche in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts weitgehend miterlebt.

Resch merkt an: „Ich bin in unserer Familie der erste Nichtbauer seit 300 Jahren.“ Da könnte selbst dem Laien dämmern, welche Fragen dieses Metier betreffen. Resch erläutert: „Bäuerliches Denken ist anders. Das funktioniert nicht wie normales Geschäftsleben. Das ist ein Generationenvertrag. Da zählt: Was übergibt der Bauer der nächsten Generation?“

So wird auch begreiflich, was man in der Oststeiermark noch gelegentlich zu hören bekommt. Wenn etwa jemand auf seinem Hof „fertiggemacht hat“, also pleite hing, was bei den engen ökonomischen Bedingungen unter einer launischen Natur leicht passieren konnte, hing das oft den Enkelkindern noch als Makel an, auch wenn die den Betrieb längst wieder hochgebracht haben.

Apropos! Zur erfolge sagt Resch: „Bei uns mußten die übrigen Kinder immer rausbezahlt werden.“ Eine schwere ökonomische Bürde für die meist kleinen Selbstversorgerwirtschaften, die sechs bis elf Hektar groß waren und kaum für den Markt produzierten.

In anderen Gegenden Österreichs mußten die Nachgeborenen unbezahlt gehen, falls sie sich nicht als Dienstboten beim Erben des Hofes verdingen wollen. Der „Erbhof“ war eine weit stabilere Angelegenheit; aber eben nur für den erstgeborenen Sohn.

Nach dem Zweiten Weltkrieg änderte sich im Agrarischen alles fundmental. Resch: „Die Erträge sind gestiegen, die notwendigen Arbeitskräfte auf rund ein Zehntel gesunken.“ Das hat mit den neuen Hybridsorten und dem Kunstdünger zu tun, das hat mit Kraftfutter zu tun, vor allem aber auch mit der umfassenden Maschinisierung der Landwirtschaft.

Zur Erinnerung, die ersten Steyr-Traktoren rollten 1947 aus dem Werk. Es dauerte eine Weile, bis sich oststeirische Bauern solche Maschinen leisten konnten. Davor war man mit Ochsen gefahren, manche sogar bloß mit Kühen, die Pferdekraft ist den bessergestellten Landwirten vorbehalten gewesen.

Bei den ein- und zweischarigen Pflügen blieb es nicht lange. Wer heute mit fünf Scharen pflügt oder mit einem modernen Mähwerk Spuren zieht, die fast so breit wie eine Bundesstraße sind, braucht freilich sehr viel mehr Zugkraft, als sie Traktoren der 1950er- und 60er Jahre hatten.

Zurück zum Eingangsstatement: „Wir waren der letzte Vollerwerb in Pirching.“ Das meinte eine Landwirtschaft, bei der die Familie finanziell überleben kann, ohne daß die Leute auf Nebenwerberb wie etwa Industriearbeit angewiesen waren. Diese Zeiten sind längst vorbei.

Ertragssteigerung über Modernisierung, Maschinisierung, aber ein Absacken des Bedarfs an Arbeitskräften und oft schlechte Preise, wo der Produzent an den Lebensmitteln am wenigsten verdient, wobei er das meiste geschäftliche Risiko tragen muß. So läßt sich in etwas polemischer Verkürzung zusammenfassen, was die agrarische Welt bei uns während der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts geprägt hat.

Hannes Resch hat darauf reagiert, indem er zum Unternehmer wurde. Ein Universitätsstudium hätten sich seine Großeltern wohl nicht leisten können. Der Veterinär ist heute Angelpunkt der Tierklinik Gleisdorf Süd. Dieser stattliche Betrieb steht so nicht nur auf der Höhe der Zeit im Verlauf eines denkwürdigen Stücks Sozialgeschichte der Region; wie vorhin skizziert.

Die Tierklinik ist überdies wie ein Scharnier zwischen der agrarischen Welt, die vor Ort stellenweise noch tierärztlich betreut wird, und dem aktuellen urbanen Leben mit seiner Fülle an Haus- und Kuscheltieren, die vielen Menschen ihr Alltagsleben verfeinern.

Der Standort Pirching liegt übrigens nahe einem Speditionskonglomerat, das mit Lagerhäusern und Fahrzeugparks ein logistischer Teil der Industriezone nördlich von Gleisdorf ist, womit also in diesem Bereich der Energieregion alle drei Bereiche verzahnt sind, denen sich die Veränderung des Lebens in der Region verdankt: Agrarische Welt, Industrie und urbanes Leben.

In solchen Zusammenhängen wird die Tierklinik Anfang 2016 auch zum kulturellen Veranstaltungsort werden.

Karl Bauer hat einen Zyklus von Bildern an der Hand, welcher zeigt, wie sich junge Menschen auf hohem graphischem und malerischem Niveau mit dem Thema Schwein auseinandergesetzt haben. Das hat in einer Region mit üppigen Maisfeldern seine realen Entsprechungen. Da kommt also eine brisante Debatte über den Horizont herauf…

+) Tierklinik Gleisdorf Süd [link]
+) Konvergenz 2016: [link]

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