Gegen Verschwendung
Lebensmittel halten länger!
Frisch oder verdorben? Wer öfter Lebensmittel wegwirft, weil er sich über deren Zustand nicht sicher ist, bekommt Rat von den Experten der Wiener Tafel: Dort werden nicht nur Lebensmittel vor dem Wegwerfen gerettet, sondern auch Kompetenzen zu deren Beurteilung vermittelt.
WIEN. "Essen wegschmeißen? Das geht gar nicht!", sagt Wiener-Tafel-Geschäftsführerin Alexandra Gruber. Von Lebensmitteln versteht man im Großen TafelHaus am Großmarkt Wien etwas: Retten die rund 350 ehrenamtlichen Mitarbeiter doch täglich rund vier Tonnen davon in Wirtschaft und Handel vor dem Müll, versorgen damit mehr als 100 Sozialeinrichtungen und helfen so tatkräftig mit, Ressourcen zu bewahren und Müllberge zu vermeiden.
Nun setzt man sich auch dafür ein, dass auch daheim nichts weggeworfen werden muss: "50 Prozent der weggeworfenen Lebensmittel kommen aus Privathaushalten", so Alexandra Gruber, "großteils liegt das daran, dass die Leute nicht wissen, ob die Sachen noch gut sind."
Haltbarkeit ist relativ
Eine Herausforderung, die die Lebensmittel-Fachleute der Wiener Tafel gerne annehmen: Mit einer Infokampagne samt Workshops machen Gruber und ihre Kollegen die Konsumenten zu Experten in Sachen Mindesthaltbarkeitsdatum und klären weitverbreitete Irrtümer auf: So etwa über das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD), mit dem die Genießbarkeit von Lebensmitteln nur bedingt zu tun hat: "Das MHD ist kein Ablaufdatum, sondern vielmehr eine Garantie, dass das Produkt bis zu diesem Datum unverändert bleibt", weiß Wiener-Tafel-Profiköchin Petra Gruber. Man sollte es nicht mit dem Verbrauchsdatum verwechseln, das den letzten Tag angibt, an dem das Lebensmittel - etwa Fleisch oder Fisch - verkauft und verzehrt werden darf.
Die Experten der Wiener Tafel stellten in vielen Versuchen fest, dass Lebensmittel bei guter Lagerung stets deutlich länger halten, als vom MHD angegeben - wie lange, kommt aber darauf an:
2-5 Tage über MHD haltbar:
Feinkost wie etwa Wurstsalat, Brot und Gebäck, Feinback- und Konditorwaren, Frischmilch, Schlagobers, Salate, Milcherzeugnisse (außer Käse und Butter)
7-10 Tage über MHD haltbar:
Fertiggerichte, Würste, Frischkäse, Schokolade, Marinaden und Dressings, Schnitt- und Hartkäse, Butter, Eier
1-2 Monate über MHD haltbar:
Süßigkeiten, Nüsse, Kerne und Samen, Fruchtsäfte und Sirupe, Haltbarmilch, Pflanzliche Fette und Margarine, Pflanzliche Öle, Mayonnaise, Senf, Müsli und viele Körner, Pulverprodukte mit Fettanteil, Knabbersachen
Mehr als 1 Jahr über MHD haltbar:
Zucker und Salz, Nudeln und alle Teigwaren, Mehl und Reis, Pulverprodukte ohne Fettanteil, Konserven, Honig und Sirupe, Bonbons und andere harte Süßigkeiten, Gewürze, Gewürzextrakte und Würzsaucen, Kakaopulver und Kakaobutter
"Das MHD ist nur ein Anhaltspunkt. Die Entscheidung, ob ein Lebensmittel noch gut ist, trifft man mittels riechen, schauen und schmecken", so Petra Gruber. "Mit unserer körpereigenen Sensorik erhält man viele Informationen über unsere Nahrung. So ist etwa unsere Nase ist ein wandelndes Labor, mit dem wir mehr als eine Million Gerüche unterscheiden können. Und der Grundsatz 'was nicht mehr gut riecht, ist schlecht' trifft meistens zu."
Frisch oder verdorben?
Deshalb leitet die Wiener Tafel Konsumenten im eigenen "Sensorik Labor" online dazu an, Lebensmittel mit den eigenen Sinnen zuverlässig in "genießbar" oder "nicht genießbar" unterscheiden zu lernen. Beim Riechen, Schauen und Schmecken gibt es nämlich einige Tipps und Tricks: "Bei Milch riechen viele Leute am Deckel. Dort setzt sich aber oft das Fett ab, wodurch der dortige Geruch keine Aussagekraft hat", weiß Projektmanagerin Monika Heis. "Besser ist es, eine kleine Menge in ein Gefäß zu schütten und dann daran zu riechen. Bei säuerlichem Geruch ist die Milch verdorben."
Bei Joghurt wiederum gibt es mehrere Faktoren, die über frisch oder nicht mehr frisch entscheiden: "Frisches Joghurt glänzt stärker als älteres. Mit der Zeit wird es auch immer fester", erklärt Petra Gruber. "Mit der Zeit zerfällt übrigens der Milchzucker, wodurch das Joghurt immer säuerlicher wird." Bei korrekter Lagerung - und falls die Kühlkette nicht zu lange unterbrochen worden ist - kann man Joghurt oft auch durchaus eine oder zwei Wochen nach dem MHD noch bedenkenlos genießen, "und wenn es wirklich sauer geworden ist, schmeckt man das sofort."
Augen und Hände als Prüforgane
Bei Obst und Gemüse trifft man die erste Vorauswahl bereits im Supermarkt, wenn man es zum Prüfen in die Hand nimmt: "Ist die Schale des Apfels prall und glatt und die Gurke knackig, dann ist die Ware frisch", weiß Monika Heis. Aber auch bei Salat kann man durch Schauen und Fühlen den Zustand selber zuverlässig bewerten: "Ein Salathäuptel wird zwar nicht heute geerntet worden sein, wenn der Anschnitt braun ist - trotzdem kann man ihn ruhig kaufen, wenn man ihn noch am selben Tag essen will", erklärt Petra Gruber, "ist ein Salat aber insgesamt braun oder sogar faulig, so ist er verdorben."
Auch Schimmel kann man schnell selber erkennen - die Entscheidung ob genießbar oder ungenießbar ist dabei sehr einfach: "Hat ein Brot schimmlige Stellen, dann ist nicht nur ein Teil befallen, sondern der ganze Laib - man sollte ihn daher sofort wegwerfen. Bei ungeöffneten Joghurts etwa kann man Schimmel oft schnell am gewölbten Deckel erkennen, weil dabei Gärgase entstehen", so Monika Heis. "Bei Hartkäse allerdings kann man Schimmel ruhig - großzügig - wegschneiden und den Käse dann essen, weil dort das Pilzmyzel nicht in den Käse hineinwachsen kann."
Im Kühlschrank: oben oder unten?
Hat man die Einkäufe einmal nach Hause gebracht, gilt es ein paar Faustregeln zu beachten: "Im Kühlschrank ist es oben wärmer als unten", weiß Petra Gruber, "darum sollten etwa Fisch, Fleisch und Wurst unten liegen, Joghurts in der Mitte und etwa geöffnete Konserven nach oben."
Aber auch Obst hält im Kühlschrank deutlich länger - allerdings nicht jedes: Hier gilt die Faustregel: Heimisches Obst liebt es kühl, Exoten mögen es warm. So kann man etwa Äpfel oder Erdbeeren bedenkenlos im Kühlschrank lagern, Orangen oder Mangos allerdings nicht. Salat wiederum sollte in das eigene Salatfach ganz unten gelegt werden - ebenso wie jegliches Gemüse.
Im Kühlschrank ist laut Petra Gruber aber auch die Reihenfolge entscheidend, "denn wenn ich etwas nicht gleich finde, bleibt die Tür des Kühlschranks lange offen und er wird nicht nur warm, sondern braucht zugleich auch mehr Strom."
Geheimwaffe: Einkaufsliste
Die Einkaufsliste gilt übrigens als "Geheimwaffe" gegen Lebensmittelverschwendung: "Hungrig einkaufen zu gehen, kann sich nicht nur in der Geldbörse, sondern später auch im Mistkübel teuer auswirken", weiß Monika Heis, "am besten notiert man sich vor dem Einkauf in aller Ruhe, was man wirklich braucht. Ein Speiseplan für die nächsten Tage kann da ein guter Anhaltspunkt sein."
Sollte dennoch einmal von einem Lebensmittel zuviel im Kühlschrank sein, kann man auch improvisieren und den Speiseplan flexibel daran anpassen: "Habe ich zuviel Milch, gibt es Palatschinken", sagt Monika Heis schmunzelnd, "Wenn zuviel Obst und Gemüse da ist, wird eben ein Veggie-Tag eingelegt. Und ist Brot im Überfluss vorhanden, lohnt sich etwa ein Scheiterhaufen. Das Rezept steht übrigens in unserer Broschüre 'Altes Brot mit neuem Sinn'."
Alle Infos über die Wiener Tafel sowie Broschüren und Rezepte gibt es online unter www.wienertafel.at
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