Wiener Nimmerland
Stadtrundgang über Obdachlose und die Drogensucht

Martin, ehemals obdachlos, bei der ersten Station seiner Wiener Nimmerland-Tour am Karlsplatz. | Foto: Antonio Šećerović
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  • Martin, ehemals obdachlos, bei der ersten Station seiner Wiener Nimmerland-Tour am Karlsplatz.
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Ein ehemaliger Obdachloser spricht bei einem etwas anderen Stadtrundgang über seine Obdachlosenzeit, die Drogensucht, sein Punk-Wohnzimmer, das "McBadezimmer" und die berühmte Hausbesetzung der "Pizzeria Anarchia". 

WIEN/INNERE STADT/MARIAHILF. Eine Route vom Resselpark, über die Linke Wienzeile, den Alfred-Grünwald-Park, zur Capistranstiege und als Endstation der Esterházypark. Was wie eine Jogging-Route klingt, ist die Route eines etwas anderen Stadtrundgangs: Der Wiener Nimmerland-Tour. Martin, auch “Matl” genannt, bietet einen authentischen Einblick in das Leben eines drogensüchtigen und jungen Obdachlosen in einer Großstadt wie Wien.

Er zeigt eine Zeichnung für eine Frau, die während der Zeit der Pizzeria Anarchia den Punks viel geholfen hat. | Foto: Antonio Šećerović
  • Er zeigt eine Zeichnung für eine Frau, die während der Zeit der Pizzeria Anarchia den Punks viel geholfen hat.
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Seine rot gefärbten Haare verstecken sich unter einer schwarzen Kappe. Mit Dreitagebart erzählt er im offenen karierten Hemd und grauer Jeans über seine Lebensgeschichte, die filmreif ist. Und das macht er, oft nachdenklich auf den Boden schauend. Die erste Station ist die U-Bahn-Passage am Karlsplatz. Karlsplatz, weil die Station bis zur Fußball-EM 2008 ein Drogenhotspot war. Dort erzählt er bei der Tour über seinen Werdegang zum obdachlosen Dorfkind in Wien.

"Gelangweiltes Dorfkind"

Und wie begann alles? Martin bezeichnete sich als “gelangweiltes Dorfkind” und lebte mit seiner Familie im burgenländischen Seewinkel. Seine Eltern haben sehr jung geheiratet und bekamen schnell vier Kinder. “Mein Vater war aber chronisch abwesend, meine Mutter chronisch überfordert. Man sucht sich dann andere frustrierte Dorfkinder”, erzählt Martin. Er habe dann mit anderen Jugendlichen getrunken, Cannabis und andere Drogen zu sich genommen. Damit es schöner klingt, nennt er seine Kindheit “polytoxikomanisch”. Dabei handelt es sich um den gleichzeitigen Konsum von verschiedenen psychotrop wirkenden Substanzen über einen Zeitraum von mehr als einem halben Jahr.

Bei der Tour-Station im Alfred-Grünwald-Park zeigt er, wie er über eine Werbetafel über das geschlossene Park nachts reinkam. | Foto: Antonio Šećerović
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Als er 16 Jahre jung war, ließen sich seine Eltern scheiden. Martin landete über mehrere Stationen in einem niederösterreichischen Heim, weit weg von seinen Freunden und Bekannten. Später war er sogar für ein Jahr lang in Spanien und kehrte schließlich nach Österreich zurück, und so auch zum Alkohol und den Drogen. Er probierte Heroin und das hat alles für ihn verändert. Von einem “vielversprechenden Schüler”, wie Martin das meint, kam er zum Leben auf der Straße, zur Alkohol- und Drogensucht. Mit Anfang 20 kam er gemeinsam mit einigen Freunden nach Wien.

In seiner Wiener Obdachlosenzeit war er oft im bekannten “Jedmayer” in der Gumpendorfer Straße, wo es billiges Essen, den Tausch von Spritzen, eine Notschlafstelle und eine Postadresse gab. Letzteres war ihm sehr wichtig, den er konnte seine Dokumente wieder bekommen. Über die Jedmayer-Zeit spricht er vor der Suchthilfe in der U-Bahn-Station Karlsplatz, wo er früher Spritz getauscht hat.

Park als Wohnzimmer und "McBadezimmer"

Zu seinem ehemaligen “Wohnzimmer” führt Martin die Tour-Gruppe in den Alfred-Grünwald-Park. Sie suchten einen Park, welcher nachts geschlossen wird. Aufgrund einer Schallschutzwand ist der Park von außen nicht einsehbar und die Werbetafeln an der Wand dienten als Leiter für die Punks, die dort geschlafen haben. “Im Winter frierst du, im Regen sinkst du ab, im Sommer holst du dir einen Sonnenbrand”, erzählt der ehemalige Obdachlose.

Einmal hat ihn eine Zeitung mit “stylischer Obdachlose” bezeichnet, weil er als Obdachloser zum “McBadezimmer” ging, eine zugängliche Toilette eines Fast-Food-Restaurants.  | Foto: Antonio Šećerović
  • Einmal hat ihn eine Zeitung mit “stylischer Obdachlose” bezeichnet, weil er als Obdachloser zum “McBadezimmer” ging, eine zugängliche Toilette eines Fast-Food-Restaurants.
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Einmal hat ihn eine Zeitung mit “stylischer Obdachlose” bezeichnet, weil er als Obdachloser zum “McBadezimmer” ging, eine zugängliche Toilette eines Fast-Food-Restaurants. “Für viele war es ungewohnt, aber ich als Punker hatte immer einen Rucksack voller Pflegemittel”, erzählt Martin. In dieser Zeit hatte er mehrere Jobs, die er oft gewechselt hat. Doch die Drogen waren ein Alltagsproblem: “Zwei Stunden am Vormittag holte ich mir meine Morgenration, dann war ich unterwegs und am Abend wieder zwei Stunden Drogen genommen, bis ich eingeschlafen bin. Das hat sicherlich ein Jahr gedauert, bis ich es bemerkt habe”. Heute ist er noch immer in Substitoltherapie, hofft aber auf einen baldigen Entzug.

Pizzeria Anarchia

Doch zurück zur Tour: Bei der vorletzten Station, der Constantinstiege an der Gumpendorfer Straße, steht er vor Graffitis und spricht von mehreren Hausbesetzungen aus der Vergangenheit. Besonders stolz ist er auf die Hausbesetzung der “Pizzeria Anarchia”. Es handelt sich um die Hausbesetzung in der Mühlfeldgasse (2.) Ende Juli 2014. Damals waren 1.700 Beamte im Einsatz – gegen 20 Punks. Die BezirksZeitung berichtete damals. Ein Immobilienspekulant hat damals die Punks eingeladen, in seinem leer stehenden Haus einzuziehen. “Wir waren naiv, haben das Angebot angenommen und einen Mietvertrag unterschrieben", sagt er. Nachdem man die Räumungsklage gegen den Hausbesitzer verloren hatte, wollten die Punks das Haus nicht verlassen. Nach 14 Stunden Räumung wurden 31 Personen festgenommen.

Leopoldstadt: Haus Mühlfeldgasse 12 wurde geräumt

Es hat sich jedoch alles geändert, als er Nadine kennengelernt hatte. Seine Freundin war damals “deppater” als er, doch sie war es, die die nötigen Schritte gemacht hat. “Ich war beeindruckt und inspiriert von ihr. Sie möchte das alles nicht mehr machen, hat ihre Matura nachgemacht und Elektrotechnik studiert”, erzählt der Burgenländer. Dann war er weg von der Straße, hat heute einen Job und organisiert gemeinsam mit Nadine die Nimmerland-Touren.

Bei der Hausbesetzung in der Leopoldstädter Mühfeldgasse Ende Juli 2014 waren 1.700 Beamte im Einsatz. Und das wegen 20 Punks. | Foto: A. Edler
  • Bei der Hausbesetzung in der Leopoldstädter Mühfeldgasse Ende Juli 2014 waren 1.700 Beamte im Einsatz. Und das wegen 20 Punks.
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Bevor er selbstständig wurde, war er jahrelang Teil der Supertramps, einem Verein, die ein Projekt gestartet haben, bei dem ehemalige Obdachlose auf Stadtrundgängen mit ihren Erfahrungen und Wissen zum Thema Obdachlosigkeit, Sucht, Drogen und damit verbundenen Themen aufgeklärt haben. Das Projekt wurde von der Katharina Turnauer Privatstiftung jahrelang unterstützt. Im Winter 2021 war dann aber Schluss. “Wir wollten nicht mehr, dass unsere Guides sich jeden Tag so anziehen, als wären sie obdachlos oder ehemals obdachlos. Deswegen haben wir nach fünf Jahren beschlossen, es zu beenden. Das war sehr schwierig und unsere größte Hoffnung war, dass sich die Guides selbstständig machen”, erzählt Turnauer bei einem Pressetermin.

Quer durch versteckte Parks und charmante Gassen kann man dabei sein bei der zweistündigen Wiener Nimmerland-Tour entlang des sechsten Bezirks. Der Startpunkt ist bei der U-Bahn-Station Karlsplatz, Endpunkt ist neben dem Haus des Meeres. Mehr Informationen über Termine auf Deutsch und Englisch sowie Angebote kannst du hier finden: https://wienernimmerland.at/tour.

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