Kritik an Behörden & Folgen
Reaktionen nach Angriff auf Stadttempel in Wien
Beim jüdischen Stadttempel in Wien wurde die Flagge Israels aus der Fassade gerissen und zu Boden geworfen, ein Zeuge des Vorfalls anschließend angegriffen. Zu dem Ereignis äußern sich bis Sonntagmittag zahlreiche Vertreter aus Politik und anderen Institutionen zu Wort. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) muss sich dem Vorwurf stellen, dass die Behörden bei der Überwachung Fehler gemacht hätten.
WIEN. Am Freitagabend kam es zu mehreren Delikten rund um den jüdischen Stadttempel in der Wiener Innenstadt. Ein Mann hebt eine Frau in die Höhe, diese greift nach der Israel-Flagge und reißt sie einfach mitsamt der Fahnenstange und Befestigung aus der Fassade. Daneben formt eine Frau ihre Hand zu einer angedeuteten Waffe, zeigt auf das Symbol des Staates Israels und ruft „Pew, per, pew“, als wolle sie darauf schießen. Als die Fahne schließlich auf dem Boden der Gasse aufschlägt, gibt es im Hintergrund von mehreren Personen Gelächter und Applaus. All dies zeigt ein Video des Vorfalls. Ein Zeuge, der die mutmaßliche Täterin aufhalten wollte, wurde laut Polizei in weiterer Folgen von einem Unbekannten angegriffen.
Die Fahndung nach der mutmaßlichen Täterin blieb bis Sonntagvormittag erfolglos. Die Ermittlungen wurden laut Polizei inzwischen vom Landesamt für Terrorismusbekämpfung Wien übernommen. MeinBezirk.at berichtete bereits ausführlich:
Der Vorfall wurde der Öffentlichkeit zuerst publik, weil Bini Guttmann, Mitglied des Exekutivrats des "World Jewish Congress" und ehemaliger Präsident der Europäischen Union Jüdischer Studierender, das entsprechende Video auf "X" (ehemals Twitter) am Samstagabend teilte. Noch in der Nacht auf Sonntag und am Sonntagvormittag gab es erste Reaktionen von Seiten der Spitzenpolitik und anderer Institutionen.
"Einfach gestört"
Als einer der ersten meldete sich Wiener Vizebürgermeister und Integrationsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) zu Wort: "Das ist einfach gestört. Eine jüdische Einrichtung anzugreifen und sich auch noch dabei zu filmen muss Konsequenzen haben." Er fordert eine "harte Bestrafung" für den antisemitischen Vorfall.
Auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) äußerte sich noch Samstagnacht zu dem Ereignis. Die Provokation sei "völlig inakzeptabel und muss raschest aufgeklärt werden. Ebenso die offenbar fehlende Bewachung durch Kräfte der Exekutive."
Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) reagierte in der Pressestunde im "ORF" auf das Video: "Dieser Vorfall ist aufs schärfste zu verurteilen. Wer solche Symbole herabwürdigt, ist mit der vollen Härte des Gesetztes zu bestrafen. Die Polizei ist den Tätern entsprechend auf der Spur - und wir werden sie auch dingfest machen." Angesprochen auf die Kritik, warum der Stadttempel nicht ständig bewacht worden ist, erklärt der Innenminister: "Der Vorrang galt bis dato dem Schutz von jüdischen Menschen, weil diese in Wien und anderen Städten Europas Angst haben." Der reine Schutz von Gebäuden wäre demnach niedriger priorisiert worden. Bereits im Vorfeld gab es auch Kritik, dass die Wiener Polizei den Tempel nur zu Gebetszeiten bewacht habe.
IKG: Dank an Behörden
Aufgrund der aktuellen Ereignisse wird jetzt auch der reine Objektschutz fokussiert, versichert Karner. Sämtliche Sicherheitsvorkehrungen würden in enger Abstimmung mit den zuständigen Behörden und entsprechend der Warnstufe bestimmt. Er geht auch auf die Sichtbarkeit von Sicherheitskräften in der Öffentlichkeit ein: "Es gibt sichtbare und verdeckte Sicherheitsvorkehrungen", so Karner auf die Kritik.
Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Oskar Deutsch verurteilte ebenso den Angriff auf das schärfste, lobte hingegen die Sicherheitskräfte und stellt klar: "Der Schutz von Menschenleben muss weiterhin oberste Priorität haben."
"Kein Platz in Österreich"
Sonntagvormittag äußerte sich auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) zu Wort. Er versichert: "Für Antisemitismus und Israelhass ist kein Platz in unserer Gesellschaft. Ich gehe davon aus, dass die Täter rasch ausgeforscht werden. Österreich steht an der Seite Israels gegen den Terror der Hamas."
ÖVP-Wien Landesparteiobmann Karl Mahrer tut es Nehammer gleich, kritisiert aber gleichzeitig die Stadtregierung unter SPÖ und Neos. Man habe in Sachen Integration zu wenig getan, er fordert per Aussendung einen "Schulterschluss in der Wiener Stadtpolitik und ein neues Prinzip bei der Integration: Hinschauen statt Wegschauen."
Kurz nach Sonntagmittag meldete sich Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) ebenso zu Wort. Auch er verurteilt den Vorfall "auf's Schärfste" und macht gleichzeitig klar: "Wir sind stolz auf unsere lebendige jüdische Gemeinde."
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