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SteirerStimmen – Folge 137: Der Bodenbauer hat "Labor Alltagskultur" gefunden
Sabine Sölkner erlaubte es sich, ihrem Leben einen radikalen Cut zu setzen. Kurz vor ihrem Fünfziger pachtete die studierte Soziologin in diesem Jahr mit ihrem Verein „Labor Alltagskultur“ den traditionsreichen Alpengasthof Bodenbauer in St. Ilgen. Trotz mangelnder Erfahrung in der Gastronomie soll das Projekt funktionieren.
THÖRL. „Ich wollte eher eine kleine Almhütte“, erzählt Sabine Sölkner. Umso überraschender scheint es, dass sie stattdessen im Regal ein paar Ebenen weiter oben hineingriffen hat und jetzt in St. Ilgen den imposanten Bodenbauer samt Zimmern und Hochschwabmuseum führt. In unserer aktuellen Folge „SteirerStimmen“ spricht die diplomierte Soziologin und neue Bodenbäuerin, warum sie trotz großer Erfahrung in der Gastronomie ihren Fuß in die kriselnden Branche setzte, wie endlos lang die ersten Wochen waren und warum einfach probieren besser als für immer zögern ist.
Tausche Stadt gegen Einöde!
Sabine Sölkner hat sich damit arrangiert, jetzt oft „Frau Chef“ genannt zu werden. „Es fühlt sich schon sehr lang an“, sagt sie und doch ist der Bodenbauer unter ihrer Führung erst seit Juni im Betrieb. Ursprünglich aus der Steiermark, studierte Sölkner Soziologie an den Universitäten Wien und Graz, verdiente sich später als Supervisorin und wurde Obfrau des Wiener Kulturvereins „Labor Alltagskultur“. Die COVID-19-Pandemie veranlasste sie dann aber zu einer metaphorischen Neugeburt, sie brach radikal mit ihrem bisherigen Leben. „Eigentlich würde ich lieber die Natur als Nachbar haben als ein Hochhaus“, dachte sie sich.
So habe sie begonnen, nach einer Almhütte zur Bewirtschaftung zu suchen, hörte dann aber über mehrere Ecken von der Verfügbarkeit des Bodenbauers. Der 1888 gebaute Alpengasthof bildet für viele einen Startpunkt zum Wandern ins Hochschwabgebirge und anschließend einen Platz zum Einkehren. Nach turbulenten Jahren und dem Abschied der Vorpächter stand er seit Herbst 2021 zur Pacht frei. Bei ersten Besuchen im Winter dieses Jahres verliebte sie sich sofort in die Idylle, den Ausblick ins Gebirge und die Ruhe der Gegend. Sie selbst erklärt es als Schicksalsschlag für beide Parteien. „Der Bodenbauer hat uns gefunden“, sagt sie lächelnd, nicht umgekehrt.
Viel mit Gastronomie am Hut hatte sie davor nicht. In den 1990ern arbeitete sie während des Studiums in verschiedenen Restaurants und in den letzten Jahren führte sie als „One-Woman-Show“ eine Jausenstation auf der Mugel bei der Gleinalpe. Mit einem großen Gastronomiebetrieb ist das aber kaum vergleichbar und dennoch sprang sie in das kalte Wasser des Gewerbes.
Wer wagt, der gewinnt?
„Einige Leute haben mich darauf hingewiesen und gesagt, das ist nicht nur Mut, das ist Wahnsinn“, erzählt sie und doch habe sie es durchgezogen. Mit dem „Labor Alltagskultur“ im Rücken und einigen Frauen aus dem Verein als Unterstützung unterzeichnete sie den Pachtvertrag. „Ich habe mir genügend Lebenserfahrung und Sicherheit in meinem Leben erarbeitet, um neue Dinge gut anzugehen“, begründet sie den ungewöhnlichen Schritt.
„Wir sind gekommen, um zu bleiben“, verkündet sie und erklärt ihre Motivation auch damit, dass sie den Schritt nun kurz vor ihrem 50er machen musste. Es galt, wenn nicht jetzt, wann dann? Sie möchte es zumindest probieren, als sich dann später vor sich selbst für ihre verpassten Chancen rechtfertigen zu müssen. Das Gefühl wäre dann ein besseres, denn sie könne sich dann sagen: „Zumindest habe ich es probiert, als man versucht es erst gar nicht, weil man vorher schon weiß, dass das vielleicht nicht hundertprozentig sicher ist.“
Ideen warten auf Verwirklichung
„Wir sind so aufgestellt, dass wir weniger professionell sind als alle unsere Vorpächter zusammen“, sagt Sölkner. Sie selbst musste zu Beginn noch überall selbst mitschöpfen und sogar in der Küche aushelfen. Mithilfe der Netzwerke des Vereins gelang es aber ein gutes Team zusammenzustellen, dieses besteht hauptsächlich aus Frauen, nur ein Mann ist an Bord. Diese komme gut durch, Sölkner wünscht sich aber mehr Mitarbeiter aus der Region. Die Vier-Tage-Woche solle ein Anreiz sein auch zum abgelegenen Bodenbauer zu fahren.
Die Tage im Sommer wirken für Sölkner endlos, die zahlreichen Ideen in den Köpfen des „Labor Alltagskultur“ können mangels Zeit deshalb noch nicht umgesetzt werden. So sei sich nicht einmal ein Sommerfest zum Kennenlernen ausgegangen. Natürlich weiß auch sie nicht, wie sich die Corona-Situation im Herbst und Winter verhält, stellt sich dem aber entgegen. „Was soll so 50-jährige Frauen, die den Mut gehabt haben, einfach ins kalte Wasser zu springen, denn bitte jetzt umhauen?“, fragt sie schlagfertig.
„Wenn wir Pommes und das Alltagsgeschäft gut gelernt haben und unsere Routinen gut sitzen, können wir in den nächsten Schritt machen“, erklärt sie. Primär möchte man ein Anlaufpunkt für Seminargruppen werden, aber auch das Kulturleben soll beflügelt und unterschiedliche künstlerische Darstellungsformen nach St. Ilgen gebracht werden.
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