Lokalaugenschein im Frauenhaus

Hilde Scheikl ist Geschäftsführerin des Kapfenberger Frauenschutzzentrums sowie der Mädchen- und Frauenberatungsstelle und ist Obfrau des Vereines „Wildrosen“.
  • Hilde Scheikl ist Geschäftsführerin des Kapfenberger Frauenschutzzentrums sowie der Mädchen- und Frauenberatungsstelle und ist Obfrau des Vereines „Wildrosen“.
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Wenn Frauen vor ihren Männern flüchten müssen. Sehr persönliche
Geschichten rund ums Frauenschutzzentrum.

"Schatzi, der Kaffee ist auch schon wieder aus!“ Eigentlich hat mich das schlechte Gewissen bei diesem Satz noch nie gedrückt. Jetzt schon.
Ich war im Frauenhaus – richtig: Frauenschutzzentrum – in Kapfenberg, und dort wird Mann mit allen schlechten und grausamen Angewohnheiten seiner Artgenossen schonungslos konfrontiert.
Das eigene Manns-Bild im Kopf wird zurechtgerückt: Wer übernimmt den Einkauf für den Haushalt? Die Frau! Wer kleidet das Kind ein? Die Frau! (In meinem Fall auch besser so). Wer managt Haus und Wohnung? Die Frau!
Früher hatten wir Männer ja noch die Jagd und vielleicht noch das Sammeln. Naja, jetzt bringen wir in vielen Fällen zwar noch mehr Geld nach Hause als die Frau – und wir mähen den Rasen und tragen die Balkonblumen im Frühjahr vom Keller herauf. Und darauf, dass wir mehr Geld nach Hause bringen, darauf brauchen wir keinesfalls stolz zu sein. Das ist beinahe noch ein steinzeitliches Relikt. Wenn es nach dem Geschlechterbild der männerdominierten Gesellschaft und der ebenso männerdominierten Politik geht, dann haben wir uns von der Steinzeit-Höhle noch nicht sehr weit entfernt.
In der Steinzeit wähnen sich immer noch viele Männer, wenn es um ihre Frauen und Kinder geht. Frauen, die als ihr Eigentum betrachtet werden und auch so behandelt werden.
Wobei so mancher Mann auf sein Eigentum, beispielsweise das Auto, besser Acht gibt als auf Frau und Kind. Und wenn Frau nicht spurt, dann setzt es halt eine g´scheite Watschen oder das Haushaltsgeld wird gestrichen – und wenn Mann schon beim Watschenausteilen ist, dann gehen die Kinder auch gleich mit.
Eine Strategie der Konfliktbewältigung übrigens, die in der Steiermark gar nicht so selten ist. Jede vierte Frau wird in ihrem Leben laut Statistik mindestens einmal mit Gewalt im familiären Umfeld konfrontiert. Da ist die Obersteiermark keine Ausnahme.
Hier kommt das Frauenschutzzentrum und die Frauen- und Mädchenberatung ins Spiel. „Wir ergreifen Partei für die Frau“, sagt Hilde Scheikl, Geschäftsführerin für das Frauenschutzzentrum und für die Frauenberatungsstelle in Kapfenberg.
Im Frauenschutzzentrum herrscht gedrückte Stimmung. In der Nacht zuvor hat eine Frau, die vor ihrem Mann ins Frauenschutzzentrum geflüchtet ist, einen Selbstmordversuch unternommen. „Hinter jeder Frau, die oft mit ihren Kindern bei uns Unterschlupf und Hilfe sucht, steckt eine eigene, zutiefst berührende und schockierende Geschichte“, erzählt Hilde Scheikl. Geschichten, mit denen auch die Betreuerinnen und Therapeuten im Frauenschutzzentrum tagtäglich konfrontiert werden.
Aktuell ist das Frauenschutzzentrum in Kapfenberg „gut“ ausgelastet. Spricht einerseits für die Notwendigkeit dieser Einrichtung, und wirft andererseits ein schlechtes Bild auf die Männergesellschaft, dass diese Schutzeinrichtungen überhaupt notwendig sind.
Immer wichtiger wird für den Trägerverein „Wildrosen“, in dem Frauenschutzzentrum und Beratungsstelle eingebettet sind, die beratende Tätigkeit.
Die Frauen- und Mädchenberatung gibt es mittlerweile in Kapfenberg und in Kindberg (Stadtgemeinde). „In der Beratungsstelle können sich Frauen und Mädchen sozusagen in alle Richtungen informieren. Da muss noch absolut keine Gewalt im Spiel sein. Beispielsweise helfen und informieren wir bei Scheidungen oder Unterhaltsleistungen“, sagt Hilde Scheikl.
Wie weit Frauen im hochzivilisierten Europa noch von einer Gleichstellung entfernt sind, zeigen die Forderungen des EU-Konvents des Europarates. Der Europarat bemüht sich, diesem Ungleichgewicht und der häuslichen Gewalt in einem, von bereits 13 Mitgliedsstaaten unterschriebenen, EU-Konvent entgegenzuwirken. Der Zweck dieses Übereinkommens ist der Schutz von Frauen vor allen Formen von Gewalt, zur Beseitigung jeglicher Form von Diskriminierung, der Förderung der Gleichstellung, der Förderung der internationalen Zusammenarbeit und die Bereitstellung von Hilfe und Unterstützung für Organisationen.
So soll die Begriffsbestimmung „Gewalt gegen Frauen“ als Verstoß gegen Menschenrechte und als eine Form der Diskriminierung von Frauen gewertet werden können.
Ein Mann im Frauenhaus ist die strikte Ausnahme. Wenn ich bei Pressegesprächen im Frauenschutzzentrum zufällig einer Frau begegne, kommt unweigerlich ein Schuldgefühl in mir hoch. Irgendwie fühle ich mich in diesem Moment schuldig, ein Mann zu sein. Zu sehr schäme ich mich für viele meiner Artgenossen. Und ich spüre auch die Angst dieser Frauen vor Männern. Da ist keine Spur mehr von Selbstbewusstsein und Ich-sein. Da ist nur mehr Angst.
Gleich morgen werde ich selbst den Kaffee einkaufen. Am besten einen Fair-Trade-Kaffee. Das aber ist wieder eine ganz andere Geschichte.

Kontakt Frauenschutzzentrum Kapfenberg: Tel. 03862/27 999.

Autor: Markus Hackl

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