Pfarrkirche Aflenz-Kurort
Sensationsfund im Kirchendach
Durch Zufall wurde in einem Türmchen der Pfarrkirche Aflenz-Kurort eine Kirchenglocke entdeckt, die wesentlich älter ist als jene, die man dort erwartet hätte. Sie stammt nämlich aus dem Mittelalter.
AFLENZ. Es war im Dezember, als Diakon Günther Kaponig auf das Kirchendach stieg, um von einem kleinen Türmchen eine Glocke zu bergen. Mit dem, was er dann aber tatsächlich dort vorfand, hatte niemand gerechnet: "Ich habe hinter dem Hochaltar einen Strick vom Dach baumelnd entdeckt. Ich habe dann daran gezogen – aber passiert ist nichts. Daraufhin habe ich einmal nachgefragt, wie wir weiter vorgehen sollen", so Kaponig.
Im Pfarrgemeinderat wurde dann recherchiert und festgestellt, dass sich in einem kleinen Türmchen direkt oberhalb des Altarraumes eine alte Glocke befindet. Das war auch allgemein im Ort bekannt. Als man jedoch die Glocke, die sich in dem Turm befand, geborgen hatte, war die Überraschung riesengroß, denn: "Es war nicht jene barocke Glocke, die sich laut Aufzeichnungen dort befinden sollte, sondern eine wesentlich ältere. Die Glocke, die wir dort gefunden hat, stammt aus dem Mittelalter und ist um 200 Jahre älter als jene, die wir dort vermutet hatten", erzählt Pfarrgemeinderatsvorsitzende Maria Zifko immer noch aufgeregt. "Von dieser Glocke hat niemand gewusst und es gibt auch keinerlei Aufzeichnungen darüber", erklärt Zifko. "Es gibt ein zentrales Glockenverzeichnis, in dem eigentlich alle Glocken zu finden sind. Nur diese Glocke war nicht darunter."
Gutachten vom Experten
Mit Hilfe von Herbert Gasser, dem externen Glockenreferenten der Diözese Graz-Seckau, hat man sich dann auf die Suche nach Informationen betreffend der geborgenen Glocke gemacht. "Es handelt sich um eine Bronzeglocke mit einem sehr eigenwilligen, charakteristischen und beseelten Klang. Die Glockenzier und insbesondere das Hund-Hasenfries sind ein sicherer Hinweis dafür, dass die Glocke aus der Judenburger Gießerei bzw. aus der Schule des Hans Mitter stammt", erklärt Gasser. "Es handelt sich hierbei um eine so genannte Wandlungsglocke, d.h. sie wurde während der Wandlung in der katholischen Messe geläutet."
Wie und warum diese Glocke in dem kleinen Türmchen versteckt wurde, weiß niemand – genauso unbekannt ist derzeit, wo sich jene Glocke, die man dort geglaubt hat zu finden, ist. "In den 1960er Jahren, es war rund um 1964/1965 herum, wurden die bis dahin händisch geläuteten Glocken auf elektronische Bedienung umgestellt. Seither hatte diese Glocke in dem kleinen Türmchen keine Bedeutung mehr", so Zifko. Möglicherweise wurde sie durch zu heftiges Ziehen am Strick aus der Verankerung gehoben und hat sich im Gebälg verkeilt – aber das sind nur Spekulationen.
Besondere Glockensammlung
Die Pfarrkirche Aflenz-Kurort verfügt in ihrem Glockenturm über sechs Glocken unterschiedlicher Größen; darunter befindet sich jedoch eine ganz besondere: "Es ist die wertvollste und wahrscheinlich auch schönste Glocke in ganz Österreich: die Peter und Paul-Glocke von Hans Mittter. Sie stammt aus dem Jahr 1446 und hat zwei Besonderheiten: ihren Klang und die gußtechnische Ausführung", erklärt Zifko.
Für die soeben entdeckte Glocke gibt es keinerlei Aufzeichnungen und keinen schriftlichen Beleg. Man hofft jedoch, weiterführend mehr herauszufinden. Experte Gasser schätzt die Glocke jedoch auf das Jahr 1450.
Zifko erklärt weiter: "Es ist nicht selbstverständlich, dass sich alte Glocken in Kirchtürmen erhalten haben. Vielfach landeten gesamte Geläute kriegsbedingt auf Glockenfriedhöfen und wurden für Rüstungszwecke umgeschmolzen. Mariazell, dessen älteste Glocke aus 1830 stammt, sind beispielsweise sämtliche historische Glocken durch verschiedene Umstände (Stadtbrand von 1827, beide Weltkriege, museale Zwecke) abhandengekommen."
Somit ist Aflenz nun im Besitz von drei bemerkenswerten mittelalterlichen Glocken und kann mit Recht stolz sein auf dieses Kulturgut. Wie es nun mit dem Sensationsfund weitergeht? "Die nächsten Schritte hinsichtlich Sanierung, Ort und Zeitpunkt der Präsentation der wieder aufgefundenen alten Wandlungsglocke werden gemeinsam mit Herbert Gasser als Kirchenmusik- und Glockenreferent und dem Bundesdenkmalamt erörtert werden. Anläßlich der Langen Nacht der Kirchen am 2. Juni sollte die Glocke für die Öffentlichkeit sichtbar sein", so Zifko. Und weiter: "Über den tatsächlichen weiteren Verlauf der historischen Glocke haben Hauptamtliche und Fachleute zu entscheiden. Wünschenswert für die Pfarre Aflenz wäre jedoch, dass das Fundstück jedenfalls in Aflenz verbleibt und dass nicht zuletzt durch die Presseaktion ein verstärktes wertschätzendes Bewusstsein in der Bevölkerung der gesamten Region geschaffen wird."
Das könnte dich ebenfalls interessieren:
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.