Verein für Gedenkkultur
"Stolpersteine" auch für Bruck an der Mur

Nachfahren aus Israel, Chaim und Avi Rainer, Urenkel von Johanna Hofmann, reisten mit ihren Gattinnen an, um der Gedenkfeier beizuwohnen. | Foto: Monika Mehlmauer
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  • Nachfahren aus Israel, Chaim und Avi Rainer, Urenkel von Johanna Hofmann, reisten mit ihren Gattinnen an, um der Gedenkfeier beizuwohnen.
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In Bruck an der Mur wurden Stolpersteine für Johanna, Anna, Josef und Sigmund Hofmann verlegt, damit setzt die Stadt Bruck an der Mur in Kooperation mit dem Verein für Gedenkkultur ein Zeichen gegen das Vergessen. Vier im Boden verlegte Gedenktafeln werden künftig an das Schicksal der in Bruck lebenden jüdischen Unternehmerfamilie Hofmann erinnern.

BRUCK/MUR. Die Stolpersteinverlegung fand vor dem Gebäude in der Herzog-Ernst-Gasse 7 in Bruck an der Mur statt. Zur Zeremonie reisten auch Nachfahren aus Israel, Chaim und Avi Rainer, Urenkel von Johanna Hofmann, mit ihren Gattinnen an.

Die jüdische Familie Hofmann betrieb bis 1938 ein Möbel- und Gemischtwarengeschäft namens „Wiener Bazar“ sowie eine Produktion von Drahteinsätzen, Steppdecken und Matratzen („WIEBA OHG“) in der heutigen Herzog-Ernst-Gasse 7 in Bruck an der Mur, im Dezember 1938 wurde das Unternehmen arisiert.

Werner Anzenberger führte als Mitinitiator der Stolperstein-Verlegung durch die Gedenkfeier. | Foto: Monika Mehlmauer
  • Werner Anzenberger führte als Mitinitiator der Stolperstein-Verlegung durch die Gedenkfeier.
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Angeregt wurde das Projekt von Irmengard Kainz, Obfrau des Museumsvereins und Finanzreferent Werner Anzenberger, seines Zeichens auch Vizepräsident des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstandes. Werner Anzenberger sowie Daniela Grabe vom Verein für Gedenkkultur führten durch die feierliche Zeremonie. Bei der Zeremonie mit dabei waren auch Gemeinderätinnen und Gemeinderäte der Fraktionen SPÖ, ÖVP, Grüne und Neos.

"Was können wir heute tun?"

Werner Anzenberger schaffte es den Bogen von der Nazizeit ins Heute zu spannen: "Wir kennen die Täter, viele davon aus Österreich, wir wissen ihre Namen wie Eichmann oder Kaltenbrunner. Österreich darf sich dieser Verantwortung nie entziehen. Die Stolpersteine hätten schon viel früher in Bruck verlegt werden müssen – wobei vor 20 oder 30 Jahren es die Zeit nicht zugelassen hätte." Anzenberger ging auch auf die demokratisch legitimierte Erneuerung bzw. Verschärfung des Verbotsgesetzes ein und auf die aktuelle Flüchtlingsbewegung. "Stets müssen wir uns die Frage stellen: Was können wir tun?".

Vier Steine, vier Menschen: Daniela Grabe ist Obfrau des "Vereins für Gedenkkultur Graz":  | Foto: Monika Mehlmauer
  • Vier Steine, vier Menschen: Daniela Grabe ist Obfrau des "Vereins für Gedenkkultur Graz":
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Daniela Grabe ist Obfrau des "Vereins für Gedenkkultur Graz": "Vier Steine, vier Menschen. Es wäre schön, wenn Menschen, die hier vorbeikommen, kurz Innehalten und sich einige Gedanken über die Schicksale der einst hier ansäßigen Familie Hofmann machen. Sie haben hier gewohnt, sie haben hier gespielt, sind hier zur Schule gegangen, hatten hier Freunde – und sie wurden vertrieben und ermordet."

Heinz Anderwald, Mitglied der Israelitischen Kultusgemeinde Graz sprach einen Psalm in hebräischer und deutscher Sprache. | Foto: Monika Mehlmauer
  • Heinz Anderwald, Mitglied der Israelitischen Kultusgemeinde Graz sprach einen Psalm in hebräischer und deutscher Sprache.
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Heinz Anderwald, Mitglied der Israelitischen Kultusgemeinde Graz beendete den Festakt mit einem Psalm, gesprochen in hebräischer und deutscher Sprache. Chaim Rainer bedankte sich für das Entgegenkommen der Stadt und für die bewegende Gedenkfeier.

Thomas Stoppacher, im Verein für Gedenkkultur mitverantwortlich für Recherche und Vermittlung, hat die Geschichte der Familie Hofmann erforscht und verlas bei der Stolpersteingeschichte die Biografien der Familienmitglieder.

Thomas Stoppacher hat die Geschichte der Familie Hofmann erforscht und verlas bei der Stolpersteingeschichte die Biografien der Familienmitglieder. | Foto: Monika Mehlmauer
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Biografie der Familie Hofmann in Bruck

Mori(t)z Hofmann, geboren am 27.05.1853, kam 1885 als kleiner Krämer aus Lackenbach nach Klagenfurt. Seine erste Frau Antonia, geborene Grünhut aus Kuklow (Ungarn), starb 1887 im Alter von 32 Jahren an Bauchfellentzündung und Erschöpfung. Danach heiratete Moritz Johanna Stöhr, die ebenfalls aus Kuklow stammte. Moritz Hofmann war Mitbegründer des “Israelitischen Kultusvereins” und der “Chewra Kadischa” in Klagenfurt. Seine letzte bekannte Wohnadresse in Klagenfurt, Bahnhofstraße 17, lässt darauf schließen, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits ein wohlhabender Bürger war.

Johanna und Moritz Hofmann hatten acht Kinder, von denen nur zwei die Shoah überlebten, v.l.n.r. Sigmund, Antonia, Rosa, Siegfried, Emil, Selma, Anna und Jakob. | Foto: Monika Mehlmauer
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Moritz und Johanna Hofmann zogen zwischen 1892 und 1893 mit den Kindern Emil (1885), Jakob (1886), Antonia (1889), Anna (1891) und Selma (1892) von Klagenfurt nach Bruck. Vorerst lebten sie in der heutigen Roseggerstraße 28 (damals Grazer Straße 71), dort kam Josef (1893) zur Welt. Gemäß einem rassistischen Kommentar im Obersteirerblatt vom 5. April 1894 hatte Moritz bis 1894 bereits ein Geschäft namens Wiener Bazar am Brucker Minoritenplatz, das er „durch die Vermiethung des Ladens an einen christlichen Gewerbsmann“ verlor.

Siegmund (1895) und Rosa (1900) kamen bereits in der heutigen Herzog Ernst Gasse 7 (damals noch Wiener Straße 153, dann Wiener Gasse 7) zur Welt, es ist anzunehmen, dass dies bereits ab 1895 der Wohnort der Familie und der Geschäftssitz des Wiener Bazars war. Moritz starb 1906 an einem Herzfehler an dieser Adresse.

In der Herzog-Ernst-Gasse 7 befand sich zwischen 1895 und 1938 der Wohnsitz und das Familienunternehmen der Familie Hofmann, der „Wiener Bazar“. | Foto: Monika Mehlmauer
  • In der Herzog-Ernst-Gasse 7 befand sich zwischen 1895 und 1938 der Wohnsitz und das Familienunternehmen der Familie Hofmann, der „Wiener Bazar“.
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1908 kaufte Johanna das Gebäude und betrieb dort ein relativ großes Geschäft (genehmigter Zu- und Umbau 1912), unter anderem eine Möbelhandlung und ein Gemischtwarengeschäft, den Wiener Bazar. 1921 wurde das Familienunternehmen um den Standort am Hauptplatz 8 (das Gebäude war von 1921 bis 1932 im Besitz von Jakob und Malwine Hofmann) erweitert. 1923 wurde ein Gewerbeschein für die WieBa OHG (WIEBA Hoffmann & Co) für eine Produktion von „Drahteinsätzen, Steppdecken und Matratzen an den Standorten Wienergasse 7a bzw. Hauptplatz 8 eingetragen, als offene Gesellschafter waren Johanna, Emil, Jakob, Josef und Siegmund Hofmann sowie Karl Deschmann vermerkt. Die Löschung erfolgte für den Standort Herzog-Ernst-Gasse 7 erst am 22.11.1938.

Antonia Reiner zog 1921 mit Ihrem Mann Ludwig Rainer (Reiner) nach Wien, dort wurden die Kinder Walter (1921) und Elfriede (1926) zur Welt. Selma zog 1927 nach Wien und betrieb dort eine „Pfandlerei“ und ein Wäschegeschäft. Jakob, Malwine und ihr Sohn Paul zogen 1932 nach Wien, Emil 1935, Rosa bereits 1929.

Johanna wurde 1942 in Theresienstadt ermordet. Ihre Kinder Emil (Jugoslawien) Jakob (Jasenovac), Selma (Izbica), Antonia (Reiner, Hartheim), Anna (Izbica) und Siegmund (ca. 1943 Italien) die Schwiegerkinder Nelly oder Elza (geb. Spitzer, Jugoslawien), Malwine (geb. Kohn, Daruvar, Lobograd, Ausschwitz) und Ludwig Reiner sowie die Enkeltochter Elfriede Reiner (beide Maly Trostinec) überlebten die Shoa nicht.

Den Kindern Rosa (Neumann, GB – Isr.) und Josef (Rumänien – Internierung Mauritius 1940 – 1945 – Israel/Palästina) sowie den Enkelkindern Walter Reiner (später Rainer, Chaims Vater, Isr.) und Paul Hofmann (GB-Australien) gelang die Flucht.

Nach dem Tod von Moritz Hofmann im Jahr 1906 führte Johanna Hofmann das Familienunternehmen, 1942 wurde sie im KZ Theresienstadt ermordet. | Foto: Monika Mehlmauer
  • Nach dem Tod von Moritz Hofmann im Jahr 1906 führte Johanna Hofmann das Familienunternehmen, 1942 wurde sie im KZ Theresienstadt ermordet.
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Josefs Schicksal ist besonders interessant und schockierend. Er war von 1939 bis 1940 in Graz inhaftiert. Das Urteil lautete auf „Rassenschande“, da er offenbar ein länger andauerndes Verhältnis mit einer nach damaliger Definition „deutschen“, noch dazu verheirateten Frau unterhielt. Danach zog er nach Wien, 1940 gelang ihm über Rumänien die Flucht nach Palästina, wo er als illegaler Einwanderer registriert, jedoch daraufhin von den britischen Mandatsbehörden nach Mauritius gebracht und bis 1945 dort interniert wurde. Er lebte danach in Rechovoth in der Nähe von Tel Aviv, nahe seiner Schwester Rosa. Aus ihrem späteren Leben gibt es keine näheren Daten.

Ca. 2013 nahm Chaim Rainer, Sohn von Walter, Enkelsohn von Ludwig und Antonia und Urenkel von Johanna und Mori(t)z, den Kontakt mit der damaligen Museumsleiterin Irmengard Kainz auf. Bei der Stolpersteinverlegung am 14. November war Chaim mit seiner Frau Nava, seinem Bruder Avi und dessen Frau Yaffa sowie seinem Neffen mit dabei.

Stolpersteine in der Steiermark

Stolpersteine in der Steiermark gibt es mittlerweile in Graz, Frohnleiten, Kindberg, Köflach, Leoben, Ramsau, Schladming und jetzt auch in Bruck.

Der “Verein für Gedenkkultur in Graz“ setzt sich für die Förderung der Gedenkkultur in Graz und in der Steiermark ein, insbesondere die Förderung des sichtbaren und öffentlichen Gedenkens und des Erinnerns an die Opfer des Nationalsozialismus.

Ein kurzes Innehalten und stets ein Auge auf die Stolpersteine zu haben und gegebenenfalls auch ein wenig abputzen – das wünscht sich Daniela Grabe. | Foto: Monika Mehlmauer
  • Ein kurzes Innehalten und stets ein Auge auf die Stolpersteine zu haben und gegebenenfalls auch ein wenig abputzen – das wünscht sich Daniela Grabe.
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Die zentrale Aufgabe des Vereins für Gedenkkultur ist die Umsetzung des Projekts „Stolpersteine“ des Kölner Künstlers Gunter Demnig auch in Graz und seit 2018/2019 auch in weiteren steirischen Gemeinden.

„Stolpersteine“ sind ein Projekt, mit dem an das Schicksal jener Menschen erinnert wird, die im Nationalsozialismus ermordet, deportiert, vertrieben, in den Suizid getrieben worden sind oder von „Arisierungs“-Enteignungen betroffen waren; dabei wird sowohl jüdischer Opfer gedacht als auch jener Menschen, die Opfer politischer, religiöser, ethnischer Verfolgung waren, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung ermordet wurden, wegen Verweigerung des Kriegsdienstes oder weil ihr Leben als „unwert“ galt (sogenannte „Euthanasie“).

Die Messing-Oberseiten der Stolpersteine tragen Namen und Lebensdaten der Opfer und die Inschrift: „Hier wohnte“ oder „Hier arbeitete“. Sie werden vor den letzten freiwilligen Wohn- oder Wirkungsstätten der Opfer in das Gehsteig-Pflaster eingelassen. | Foto: Monika Mehlmauer
  • Die Messing-Oberseiten der Stolpersteine tragen Namen und Lebensdaten der Opfer und die Inschrift: „Hier wohnte“ oder „Hier arbeitete“. Sie werden vor den letzten freiwilligen Wohn- oder Wirkungsstätten der Opfer in das Gehsteig-Pflaster eingelassen.
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Die Messing-Oberseiten der Stolpersteine tragen Namen und Lebensdaten der Opfer und die Inschrift: „Hier wohnte“ oder „Hier arbeitete“. Sie werden vor den letzten freiwilligen Wohn- oder Wirkungsstätten der Opfer in das Gehsteig-Pflaster eingelassen.

Mehr Infos zum Verein für Gedenkkultur gibt es hier

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