Minderjährige betroffen
200 Zwangsehen pro Jahr in Österreich
Die Kinder- und Jugendanwaltschaft warnt: Es soll eine hohe Dunkelziffer bei Zwangsehen geben. Die Corona-Pandemie erschwert zudem den Zugang zu Betroffenen.
ÖSTERREICH. Weltweit sind geschätzte 200 Millionen Minderjährige von Zwangsheirat betroffen. In Österreich sind es jährlich etwa 200 Fälle – die Dunkelziffer ist laut der Kinder- und Jugendanwaltschaft deutlich höher, Tendenz steigend. Die Zwangsehe, also die Nötigung zu einer Ehe, ist in Österreich verboten und somit eine Straftat. Laut Hilfseinrichtungen steigen die Zahlen dennoch seit Jahren bedenklich weiter. Dabei erschwert vor allem ein aktueller Aspekt die Arbeit der Hilfsorganisationen: die Corona-Pandemie.
Kleine Hochzeiten
Auf die veränderten Lebenssituationen aufgrund von Corona reagieren demnach nämlich auch die Familien mit neuen Strukturen und Gegenstrategien, um ihre Töchter gegen deren Willen zu verheiraten. Zwangsehen, die in Österreich organisiert werden, finden nun im kleineren Kreis statt. Von groß geplanten Hochzeiten erlangen Berater noch aus dem sozialen Umfeld der betroffenen Minderjährigen Kenntnis. Was jedoch hinter verschlossenen Türen im engen Familienkreis geplant wird, bleibt oft im Ungewissen.
Offizielle Zahlen, die nun einen Rückgang von Zwangsehen ausweisen, seien somit trügerisch. Und auch die Reisebeschränkungen ins Ausland hätten nicht den erhofften Effekt erzielt. Verschleppungen seien während des Lockdowns mit dem Auto durchgeführt worden.
Vereine helfen
Junge Frauen, die sich an Hilfseinrichtungen wenden um sich der Zwangsverheiratung zu entziehen, setzen sich einer lebensgefährlichen Situation aus. Aufgrund der traditionellen Vorstellung verletzen sie die Ehre der Familie, wenn sie sich den Plänen widersetzen. Aufgrund der Corona-Pandemie sind Anlaufstellen wie Jugendzentren und Schulen lange Zeit ausgefallen. Die koordinierende Fachstelle des Vereins Orient Express unterstützt bei Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Zwangsheirat, Verschleppung und Gewalt "im Namen der Ehre". Neben der Beratungsstelle gibt es auch Schutzeinrichtungen.
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