Nach den Wahlen
So wird in Österreich die neue Regierung gebildet

- Die neuen Ministerinnen und Minister werden vom Bundespräsidenten angelobt.
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Nach der geschlagenen Nationalratswahl am Sonntag hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Mittwoch die türkis-grüne Bundesregierung empfangen und ihren Rücktritt angenommen. Gleichzeitig hat das Staatsoberhaupt die Regierung mit der Fortführung der Verwaltung betrauen, bis eine neue Regierung gefunden ist. Am Freitag starten dann die Einzelgespräche der Parteichefs beim Bundespräsidenten – den Anfang macht FPÖ-Chef Herbert Kickl. Voraussichtlich nächste Woche laufen schließlich die Sondierungsgespräche an.
ÖSTERREICH. Am Mittwoch zu Mittag trat das alte Regierungsteam gemeinsam über den Ballhausplatz in Richtung Präsidentschaftskanzlei. Dort empfing Van der Bellen die türkis-grüne Bundesregierung, um deren Rücktritt anzunehmen. Gleichzeitig betraute er die Regierungsmitglieder mit der Fortführung der Verwaltung, bis eine neue Koalition steht. Bereits ab Freitag will das Staatsoberhaupt dazu Gespräche mit den Vorsitzenden der Parlamentsparteien führen, wie er ankündigte:
- Freitag, 4.10., 13:00 Uhr: Herbert Kickl, Bundesparteiobmann der FPÖ
- Montag, 7.10, 10:30 Uhr: Karl Nehammer, Bundesparteiobmann der ÖVP,
- Montag, 7.10, 13:30 Uhr: Andreas Babler, Bundesparteivorsitzender der SPÖ
- Dienstag, 8.10., 10:30 Uhr: Beate Meinl-Reisinger, Parteivorsitzende der NEOS
- Dienstag, 8.10., 13:30 Uhr: Werner Kogler, Bundessprecher der Grünen
Wie geht es weiter?
Nun starten die Sondierungs- und Koalitionsgespräche, die zu einem Regierungsübereinkommen führen sollen – im Schnitt dauert die Regierungsbildung 59 Tage. Die Freiheitlichen brauchen jedoch einen Partner. "Unsere Hände sind ausgestreckt", hat FPÖ-Chef Herbert Kickl in einer ersten Reaktion den Parteikollegen angeboten. Die ÖVP unter Obmann Karl Nehammer sowie SPÖ-Chef Andreas Babler winkten aber als mögliche Partner erneut ab. Auch eine Koalition von ÖVP und SPÖ wäre denkbar, möglicherweise mit den Neos oder den Grünen als dritte Kraft.
Die Bildung einer Bundesregierung erfolgt in mehreren Schritten:
- Rücktritt und Fortführung der alten Regierung: Nach Wahlen bietet die amtierende Regierung ihren Rücktritt an, unabhängig vom Wahlergebnis. Sie führt jedoch die Geschäfte weiter, bis eine neue Regierung ernannt ist. Dafür muss sie neu angelobt werden, wie am Mittwoch passiert.

- Van der Bellen bedankte sich bei der Bundesregierung für ihren Dienst in den vergangenen Jahren.
- Foto: HANS KLAUS TECHT / APA / picturedesk.com
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- Sondierungs- und Koalitionsgespräche: Parteien führen Gespräche, um mögliche Koalitionen auszuloten. Diese münden in Koalitionsverhandlungen und einer Koalitionsvereinbarung, die den politischen Rahmen der Regierung festlegt. Es gibt keinen festen Zeitrahmen für die Regierungsbildung, die durchschnittlich 59 Tage dauert.
- Ernennung durch den Bundespräsidenten: Der/die BundespräsidentIn ernennt den/die BundeskanzlerIn und auf dessen Vorschlag die übrigen Ministerinnen und Minister. Meist beauftragt der/die BundespräsidentIn den/die Vorsitzende/n der stärksten Partei im Nationalrat mit der Regierungsbildung. Eine Minderheitsregierung ist möglich, wenn keine Koalition zustande kommt, was aber selten der Fall ist.
- Das Parlament hat während der Regierungsbildung kein Mitspracherecht, kann aber Gesetze beschließen.
- Sobald die neue Bundesregierung steht und Bundeskanzler:in und Bundesminister:innen vom Bundespräsidenten angelobt wurden, stellen sie sich in einer Sitzung dem Nationalrat vor.
- 23. Oktober: Ende der 27. Gesetzgebungsperiode: Bis zum 23. Oktober bleiben die aktuellen Abgeordneten noch im Amt.
- 24. Oktober: Konstituierende Sitzung: Diese erste Sitzung des neuen Nationalrates – so sich die Regierung konstituiert hat – wird vom Bundespräsidenten einberufen. Bei der Sitzung werden die 183 neuen Abgeordneten aufgrund des Bundesverfassungsgesetzes angelobt und die drei Nationalratspräsidentinnen und -präsidenten gewählt. Ebenso gewählt werden die ersten Ausschüsse. Mit der konstituierenden Sitzung beginnt offiziell die 28. Gesetzgebungsperiode, der neue Nationalrat kann seine Arbeit beginnen.

- Bundespräsident Alexander Van der Bellen gelobt die neuen Ministerinnen und Minister an.
- Foto: Roland Ferrigato
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Der Präsident des früheren Nationalrates eröffnet die erste Nationalratssitzung und führt bis zur Wahl des neuen Präsidenten den Vorsitz. Um die folgende Angelobung ausführen zu dürfen, werden vier künftige Abgeordnete zur vorläufigen Besorgung der Geschäfte als Schriftführer ernannt. Dann werden die Abgeordneten aufgerufen und durch die Worte "Ich gelobe" zu Treue gegenüber der Republik, zu steten Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und zur gewissenhaften Erfüllung ihrer Pflichten angelobt.
Zeichen der Unzufriedenheit
Laut Wahlbefragung unter 1.248 Wahlberechtigten zwischen 23. und 28. September durch FORESIGHT/ISA im Auftrag des ORF prägte Unzufriedenheit die Stimmung bei der Wahl: beinahe sechs von zehn Befragten sehen eine negative Entwicklung in den letzten fünf Jahren – fast doppelt so viele wie 2019. Der FPÖ ist es im Wahlkampf am besten gelungen, diese Stimmung in Wählerstimmen umzusetzen. Und: Wären nur Pensionisten wahlberechtigt gewesen, hätte die ÖVP mit 39 Prozent vor der SPÖ und FPÖ gelegen. Unter den Erwerbstätigen hingegen führt die FPÖ mit 36 Prozent vor ÖVP und SPÖ. Ältere wählten anders als Junge.
Vier Verfassungsprinzipien
Das österreichische Bundesverfassungsgesetz wurde im Jahr 1920 maßgeblich von dem Juristen Hans Kelsen mitgestaltet - der "Vater der Verfassung". Inzwischen wurde die Verfassung mehrmals den gesellschaftlichen Entwicklungen angepasst. Vier Grundprinzipien bestehen weiterhin: das demokratische Prinzip, das republikanische Prinzip, das bundesstaatliche Prinzip, sowie das rechtsstaatliche Prinzip.
So wird die Regierung ernannt
Die Bundesregierung besteht aus dem/der BundeskanzlerIn, dem/der VizekanzlerIn und den übrigen BundesministerInnen. Sie werden – anders als die Mitglieder des Nationalrates – nicht direkt gewählt. Der/die BundespräsidentIn ernennt den/die BundeskanzlerIn und auf dessen/deren Vorschlag die übrigen Ministerinnen und Minister.
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