Familienflüsterer Dr. Streit
Beim Verkleiden in neue Rollen schlüpfen
Fasching steht vor der Türe und damit holen Groß und Klein wieder ihre Kostüme aus dem Schrank. Aber warum bereitet es uns eigentlich so große Freude, in andere Rollen zu schlüpfen? Familienflüsterer Philip Streit erklärt die Magie des Verkleidens – nicht nur im Fasching und auch nicht nur für Kinder.
GRAZ. Sich zu verkleiden und kunstvoll zu bemalen spielt nicht nur im Fasching eine wichtige Rolle. Es ist, wie wir wissen, eine der ältesten Ausdrucksformen des Menschen und gehört zu unseren Grundbedürfnissen. Biologisch angelegt ist dies in der Fähigkeit, sich in andere einzufühlen und deren Perspektiven zu übernehmen. Daran wachsen wir als menschliche Wesen, so können wir uns mit anderen zusammenschließen und etwas bewirken. Auch für festliche Anlässe wählen wir etwa besondere Kleidung, Tracht oder schönen Schmuck. Dies steht in Zusammenhang mit unserer sozialen Stellung.
An neuen Rollen wachsen
Doch warum ist das Verkleidung im Fasching so attraktiv? In menschlichen Kulturen gab es schon immer Zeiten, in denen das Legale und Illegale verschmelzen durften. Dies kann etwa ein Ventil dafür sein, Ärger oder Unzufriedenheit auszudrücken ohne dafür bestraft zu werden. Zugleich macht es große Freude und stiftet Sinn, sich gemeinschaftlich zu verkleiden und ein Fest zu feiern. Dies gilt auch in anderen Kulturkreisen. Und die verkehrte Welt, begründet in der Commedia dell’arte, begründet im Mittelalter, gibt die Möglichkeit, sich in verschiedenste Rollen einzufügen und daran zu wachsen.
Verkleiden für die kindliche Entwicklung
Kinder freuen sich nun ganz besonders auf den Fasching, denn sich zu verkleiden und in verschiedene Rollen zu schlüpfen ist ihr Metier. Kinder wachsen grundsätzlich im Spiel und daran, sich ausprobieren - so lernen sie die Welt kennen. Die Pädagogische Psychologie führt eine Vielzahl an Gründen an, warum das Verkleiden und Spielen mit anderen Rollen wichtig für die kindliche Entwicklung ist.
So fördert es das kreative Denken, stützt die emotionale Entwicklung und hilft schüchternen Kindern, weil sie gefahrlos die Rolle des Starken einnehmen können. Dadurch entwickeln sich Kommunikation, Kontaktfreude, Einfühlungsvermögen und Mitgefühl. Kinder lernen durch das Spiel mit Verkleidungen, das sich oft mit Gut und Böse befassen, auch das Normsystem der jeweiligen Gesellschaft kennen.
Magie des Verkleidens fördern
Für Eltern kann es eine Herausforderung sein, sich daran kreativ zu beteiligen. Doch Kinder lieben Verkleidungen nicht nur im Fasching, wir sollten ihnen daher auch darüber hinaus Möglichkeiten und Anlässe dazu geben. Hier einige Tipps, wie die Magie des Verkleidens gefördert werden kann.
- Fördere die angeborene Lust deines Kindes in verschieden Rollen zu schlüpfen, sich zu verkleiden und sich zu entdecken.
- Schaffe dafür auch Platz im Alltag und unterbinde es nicht. Kinder spielen zum Beispiel leidenschaftlich gerne Hund oder Katze. Lass dich ich darauf ein und spiegle das Verhalten, so kann Begeisterung entstehen.
- Wenn ein Kind sich verkleiden möchte, lass es selbst entscheiden, was es will. So entsteht Freude daran, sich neu zu auszuprobieren.
- Kreiere Möglichkeiten und Gelegenheiten für Verkleidungen auch außerhalb des Faschings – etwa bei Geburtstagsfeiern, einem Gartenfest oder einem besonderen Spiel.
- Auch die kühnste Entdeckerfreude braucht einen klaren Rahmen. Diesen gebt ihr als Eltern vor – jedoch nicht, indem du alles bestimmst, sondern indem du präsent bist.
- Sich zu verkleiden, mitzuspielen und in verschiedene Rollen zu schlüpfen beflügelt übrigens auch Eltern. Es fördert unsere Kreativität, schafft Freude und lässt manche Mühsal vergessen.
In diesem Sinn, einen wunderbaren Fasching!
Der Experte
Philip Streit ist klinischer Gesundheitspsychologe, Psychotherapeut, Lebens- und Sozialberater. Seit 1994 leitet er das Institut für Kind, Jugend und Familie in Graz, das unter 0316 77 43 44 für dich da ist. Hast du Fragen, wie du dein Leben gestalten sollst, brauchst du Rat? Deine Fragen an Dr. Philip Streit gerne jederzeit an: redaktion.graz@regionalmedien.atMehr Tipps vom Familienflüsterer:
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