Gefragte Frau
"Jedes Leben ist es wert, erzählt zu werden"
Verlegerin und Biografin Natalie Resch spricht im Interview mit "MeinBezirk.at" über die Faszination von Biografiearbeit, unpolierte Geschichten, Pionierinnen und wie sich diese in ihrem Verlag "Kintsugi" wiederfinden.
GRAZ. Geschichten von inspirierenden Menschen aufzuspüren, fasziniert die Wahlgrazerin Natalie Resch. Mit ihrem Verlag widmet sie sich daher der Biografiearbeit, um Mut zu machen und mitunter Pionierinnen abseits des glänzenden Parketts eine Bühne zu bieten. Rosemarie Kurz' Biografie "Unruhestand!" ist das erste Buch, das kürzlich im "Kintsugi"-Verlag erschienen ist.
Wie ist es dazu gekommen, dass Sie Ihren eigenen Verlag gegründet haben?
Natalie Resch: Ich habe lange im Kulturbereich gearbeitet, mitunter auch als freie Redakteurin. Im Auftrag des Gmeiner Verlags ist 2016 das Buch "Graz – Porträt einer Stadt" entstanden. Mich den Geschichten einzelner Menschen zu widmen und das Besondere an ihren Lebenswelten zu erzählen, hat mich damals schon sehr interessiert. Ein Anruf, den ich im Februar 2020 bekommen habe, war dann ausschlaggebend: Rosemarie Kurz, die ich für das Graz-Buch interviewt hatte, bat mich sie dabei zu unterstützen ihr Leben in Form einer Biografie festzuhalten. Für mich war dann sofort klar, dass ich das machen will. Und nachdem ich dem Buch eine besondere Wirkkraft verleihen wollte, hab ich mir gedacht, ich gründe dafür gleich einen eigenen Verlag.
Was steckt hinter dem Namen "Kintsugi"?
Mir geht es nicht um polierte Geschichten – die kann man im Fernsehen und auf Instagram sehen. Ich denke, man ist perfekt und unperfekt in einem. Und das entspricht der Geschichte von "Kintsugi": Die japanische Porzellan-Handwerkskunst hebt Bruchstellen hervor, kittet sie mit Harz und legt Goldstaub darüber. Im Sinne der Philosophie von Wabi-Sabi betont es die Schönheit im Unvollkommenen.
Was gefällt Ihnen an der Biografiearbeit?
Ich denke, man kann über jeden Menschen schreiben – manche Biografien wären vielleicht komprimierter, andere ein Wälzer. Aber ich bin überzeugt, dass es jedes Leben wert ist, erzählt zu werden. Wir glauben oft, es braucht etwas "Großes", aber die Frage ist was wir als groß und wertvoll bezeichnen.
"Unruhestand" heißt die erste Biografie, die Sie begleitet haben. Wer ist Rosemarie Kurz?
Sie ist keine Berühmtheit, aber in Graz kennt man sie: Das Buch zeigt die Sicht einer Frau, die Alleinerziehende war, Lehrerin und Pionierin. Anhand von persönlichen Themen, die zugleich gesellschaftsrelevant sind, gibt das Buch kurzweilige und intime Einblicke in ihr Leben.
Ihr Verlag möchte sich im Speziellen auch "Pionierinnen" widmen – warum ist Ihnen das wichtig?
Eigentlich war Rosemarie Kurz' Biografie ausschlaggebend dafür: Sie hat immer für Gleichstellung gekämpft, hat sich für Frauen stark gemacht. Sie meint zum Beispiel, man müsse überall wo man ist einmal die Hand heben, sich also zu Wort melden und sichtbar machen. Man muss sich als ausreichend wichtig sehen, um sich den Raum zu nehmen und als relevant genug, um seine Geschichte zu erzählen. Und von diesen Geschichten braucht es mehr.
Ist schon das nächste Projekt in Aussicht?
Ich arbeite gerade schon an einem zweiten Buch, das nächstes Jahr erscheinen wird. Es ist die Biografie eines 1944 in Ungarn Geborenen, der von seiner abenteuerlichen und spirituellen Reise erzählt. Wie man man im Leben trotz herausfordernder Situationen nie seine Leichtigkeit und den Humor verliert.
Steckbrief: Natalie Resch
Nach ihrem Studium "Kunst und Recht" folgten für die Wahlgrazerin Natalie Resch Erfahrungen im Pressebereich (La Strada, Kultum) und in der Programmkonzeption für verschiedene Festivals. Außerdem arbeitete Resch als freie Redakteurin für die Kulturzeitung 80 und das Straßenmagazin Megaphon.
Im Auftrag des Gmeiner Verlags entstand 2016 das Buch "Graz – Porträt einer Stadt", das sie der Biografiearbeit einen Schritt näher brachte. Mit ihrem Verlag "Kintsugi" spürt die Biografin heute Geschichten von inspirierenden Menschen auf. Mit der von ihr begleiteten Biografie der Grazer Pionierin Rosemarie Kurz war Resch 2021 für den Grazer Frauenpreis nominiert.
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