Volkskundemuseum
Von der reinen Schaulust zum Austausch über Pornografie
Im Volkskundemuseum in Graz tastet sich Kurator Peter Hörz in seiner aktuellen Ausstellung "Schaulust!" an ein Thema heran, das uns alle tagein, tagaus begleitet, aber worüber so gut wie niemand spricht: Pornografie. Der Bogen spannt sich von der Frühzeit der Fotografie bis zu Gegenwartsphänomenen.
STEIERMARK/GRAZ. Gerade im Pandemiejahr erlebten Porno- und Sexplattformen im Internet einen wahren Boom. Während des ersten Lockdowns ab März wurde die Internetplattform Pornhub in den Wirtschaftsnachrichten zu jenen Unternehmen gezählt, die von Kontaktverbot und Langeweile profitierten.
Und es sollte nicht lange dauern, bis kritische Stimmen laut wurden. Die New York Times erhob schwere Vorwürfe gegen die Plattform, die "überschwemmt"“ sei von Vergewaltigungsvideos, Rachepornos und "authentischen" Gewaltdarstellungen. Die Weltöffentlichkeit war alarmiert. Forderungen nach Restriktionen wurden laut – erhoben von Feministinnen und Feministen, Jugendschützerinnen und Jugendschützern sowie fundamentalistischen Christinnen und Christen.
Alle schauen, niemand spricht
Wenn es um Pornografie geht, gilt meist: Alle schauen, niemand spricht. Die Ausstellung "Schaulust!" möchte das ändern. In ihr wird Pornografisches in den Fokus gestellt und eines kulturanthropologischen Blicks gewürdigt. Der Konsum von Pornografie wird dabei einerseits als Teil des Alltags von Millionen Menschen verstanden, andererseits als Inszenierung, die mit sexueller Alltagspraxis nicht viel zu tun hat. Schließlich wird Sex selten so erlebt wie im Sexfilm, heißt es in einer Presseinformation von Universalmuseum Joanneum.
Gegliedert in ein gutes Dutzend Themenfelder zeigt die Ausstellung im GrazerVolkskundemuseum in der Paulustorgasse unter anderem pornografisches Material aus der Frühzeit der Fotografie und thematisiert die auf Darstellungen des heiligen Sebastian bezogene Schaulust des 16. Jahrhunderts.
Erinnert wird an den jahrelangen Kleinkrieg zwischen dem "Österreichischen Kontaktmagazin" (ÖKM) und dem stets echauffierten "Pornojäger" Martin Humer sowie an erregende Aufklärungslektionen in der Zeitschrift "Bravo".
Endlich drüber reden
Mit Blick auf Gegenwartsphänomene frage die Ausstellung aber natürlich auch nach "Onlyfans" und den Darstellerinnen und Darstellern dieser Plattform sowie nach der Pornografisierung der Alltagsästhetik im Kontext nichtpornografischer sozialer Medien.
Gezeigt werden zudem Sequenzen aus pornografischen Filmklassikern und Medien, die exemplarisch für verschiedene Genres der Pornografie stehen. Dabei gehe es aber, so Kurator Hörz, „nicht einfach darum, eine pornografische Kuriositätenschau zu präsentieren, die den Voyeurismus bedient, sondern um ein Angebot zum Schauen und einen Impuls zum Darüberreden".
Kurator Peter Hörz ist Kulturwissenschafter, forscht über Arbeit, Mobilität, Geschlecht und Queerness und lehrt am Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie der Karl-Franzens-Universität Graz, am Lehrstuhl für Europäische Ethnologie/Volkskunde der Universität Würzburg und an der Hochschule Esslingen.
Die Ausstellung
Schaulust!
Pornografie und Alltag
Volkskundemuseum am Paulustor, Graz, Paulustorgasse 11–13a
Eröffnung: 3. Oktober, 19 Uhr
Laufzeit: 4. Oktober 2023 bis 14. Jänner 2024
Hier findest du das Volkskundemuseum:
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