100 Jahre Republik in Graz: Ein Kaiserreich für die Erste Republik

- In Graz wurde am damaligen Franzensplatz die Republik Deutschösterreich ausgerufen.
- Foto: Ansichtskarten: Proklamierung der Republik in Graz, 12. November 1918, GrazMuseum
- hochgeladen von Lucia Schnabl
Am 12. November 1918 wurde am Grazer "Franzensplatz" vor 20.000 Menschen die Republik ausgerufen. Die WOCHE im Gespräch mit dem GrazMuseum-Direktor Otto Hochreiter und dem Leiter des Stadtarchivs Wolfram Dornik.
Mit dem Zusammenbrechen der Armeen der Mittelmächte im Sommer und Herbst 1918 begann auch der Zerfall der Habsburgermonarchie. Als Stadt, die sich stets als "deutscheste Stadt" der Monarchie positionierte und schon im späten 19. Jahrhundert mit starken Absetzbewegungen auffiel, spielte Graz eine Vorreiterrolle im Sturz des monarchischen Systems. "Der Kaiser war nie gerne in Graz", weiß auch Wolfram Dornik, Leiter des Grazer Stadtarchivs, zu berichten.
Revolution der Elite
Die großen Staatsaktionen geschahen allerdings auch 1918 in Wien: "Es gibt keinen 'steirischen' oder 'Grazer' Beitrag zur Republikwerdung", erklärt der Direktor des Graz Museums Otto Hochreiter, "Es sind die Geschehnisse in Wien, die in Graz Wellen schlugen." Die Bilder vom damaligen Graz scheinen auf den ersten Blick jedenfalls keine Revolution abzubilden. Es war eine andere Art der Revolution: Eine Revolution der politischen und wirtschaftlichen Elite. "Diese Elite sah das Staatsversagen der Monarchie, welche die Entwicklungen des 19. Jahrhunderts zum größten Teil verschlafen hatte und nur sehr verzögert eine Antwort auf die nationale Frage geben konnte."
Wunsch nach Anschluss
"In Graz stellte man sich schon immer besonders Deutsch dar", so Dornik. Dementsprechend sei Graz auch "schnell dabei" gewesen, die alte Ordnung zu stürzen, um sich dem Deutschen Reich anschließen zu können. "Bereits Anfang Oktober 1918 hielt Adolf Fizia, der letzte Grazer Bürgermeister der Monarchie, Reden, die den Gesamtstaat dermaßen massiv in Frage stellten, dass sie nur ein Jahr davor als Hochverrat gegolten hätten", erzählt Dornik. Mitte Oktober habe er dann begonnen, mit anderen politischen und wirtschaftlichen Elitevertretern einen Wohlfahrtsausschuss zu installieren. "Das Ziel dieses Ausschusses war es, die Situation ohne Streiks zu überstehen und die Versorgung im Land aufrechtzuerhalten."
Zu diesem Zeitpunkt hungerte die Stadt seit gut drei Jahren. Die Importe aus Ungarn, auf die Graz stark angewiesen war, funktionierten bereits seit dem Jahreswechsel 1914/15 nicht mehr ordentlich. "Zudem war Graz damals besonders betroffen, weil es zwischen 1914 und 1917 keinen Bürgermeister hatte. Diese agierten in der Mangelwirtschaft als Makler."
Hungernde Zugeständnisse
Die Ereignisse 1918 geschahen somit nicht im luftleeren Raum. Die alliierten Kräfte pochten auf eine demokratische Verfassung und für die Österreicher ging es ums Überleben: "Die soziale Situation war durch Not und Hunger geprägt. Es war eine Extremsituation, in der auch politisch schnell Zugeständnisse gemacht wurden", so Hochreiter. So kam es am 12. November 1918 vor rund 20.000 Menschen am Franzensplatz vor dem Grazer Schauspielhaus zu einer gewaltfreien Ausrufung der Republik Deutschösterreich. "Seither heißt dieser Platz Freiheitsplatz."
Deutschösterreich war ein Kartenhaus
Im Zuge des Jubiläums "100 Jahre Republik" widmen sich Friedrich Bouvier, Wolfram Dornik, Otto Hochreiter, Nikolaus Reisinger und Karin Schmidlechner im "Historischen Jahrbuch der Stadt Graz" der Zeit zwischen 1918 und 1938. Auch im Graz Museum beschäftigt man sich ab 4. Oktober in einer Ausstellung mit den ersten Bewährungsproben der neuen Republik. Die Ausstellung zeigt, weshalb Deutschösterreich bereits von Beginn an zum Scheitern verurteilt war und warum es letztendlich in den Wendejahren in sich zusammenfiel.



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