30 Jahre danach
Packender Thriller rund um Serienmörder Jack Unterweger
Ernst Geiger leitete in den 1990er-Jahren die Sonderkommission rund um die Prostituiertenmorde, für die Jack Unterweger schließlich verurteilt wurde. Mit MeinBezirk.at sprach Geiger über sein Unterweger-Buch "Mordsmann".
STEIERMARK. "Es war mein Lebensfall." Das sagt der berühmte Polizei-Hofrat Ernst Geiger, 30 Jahre nachdem der verurteilte Serienmörder Jack Unterweger in einer Zelle in der Grazer Karlau seinem Leben ein Ende gesetzt hat.
Aber es war nicht nur für Geiger ein besonderer Fall, er hat auch viele Kapitel der österreichischen Kriminalgeschichte neu geschrieben. In den Ermittlungen gegen den einstigen Liebling der Wiener Kultur-Schickeria wurde erstmals eine Sonderkommission eingesetzt, eben diese "SoKo" wurde von Geiger geleitet.
Und erstmals wurde in Österreich eine DNA-Analyse bei einem Gerichtsverfahren eingesetzt. Es ging um das Haar einer Prager Prostituierten, das man in Unterwegers Auto gefunden hatte. "Die Auswertung mussten wir damals noch in der Schweiz machen, weil es bei uns kein entsprechendes Labor gab", erzählt Geiger. Erst nach Unterweger wurde in Österreich die entsprechende Struktur aufgebaut.
Steiermark ein "krimineller Boden"
Nach wie vor hält Geiger die Prostituiertenmorde für den spektakulärsten Kriminalfall Österreichs. "Vor allem wegen seiner internationaler Verstrickungen", so Geiger. Der "Häfen-Literat", wie man ihn nannte, hatte dem Urteil nach Morde in Österreich, Tschechien und den USA verübt. Diese Komponente hatten andere Fälle, wie etwa jener von "Briefbomber" Franz Fuchs, nicht. "Aber bemerkenswert ist, dass alle großen Kriminalfälle ihren Ursprung oft in der Steiermark hatten", merkt Geiger an.
"Unterweger war höchst manipulativ"
Zurück zu Unterweger – was war er für ein Typ? "Meine Einschätzung: Ich habe niemals einen so manipulativen, berechnenden Menschen erlebt. Er konnte andere innerhalb von Sekunden einschätzen und hat dann versucht, sie zu manipulieren. Ich habe ihn nur ein paar Mal vernommen, die meisten Vernehmungen hat der damalige U-Richter Wolfgang Wladkowski geführt."
An die steirischen Begleiter in diesem Fall erinnert sich der mittlerweile pensionierte Polizeibeamte aus Wien gut. Etwa an den leider bereits verstorbenen Richter Kurt Haas und Journalistin Doris Piringer sowie an deren Kollegen Hans Breitegger ("Kleine Zeitung"). Und er erinnert sich an mühevolle Kleinarbeit: "Den Begriff Sonderkommission kennt man heute aus Fernsehserien. So spektakulär war das bei uns nicht." In kleinen Schritten trug man Indizien zusammen, Tankbelege, Hotelrechnungen und vieles mehr. "Die Kollegen in der Steiermark haben damals großartige Arbeit geleistet", streut Geiger den Kriminalbeamten Rosen.
"Thriller basiert auf Fakten"
Mit dem Buch "Mordsmann" hat Geiger jetzt alle diese Erinnerungen verarbeitet, wie nah ist es an der Wahrheit? "Es gibt die eine oder andere fiktive Person, die es braucht, um den Spannungsbogen aufrecht zu erhalten. Aber die Fakten stimmen alle, basieren alle auf den wahren Gegebenheiten. Das Buch ist im "edition a"-Verlag erschienen und ab sofort erhältlich.
Das war Jack Unterweger*:
Eigentlich hieß er Johann Unterweger, der am am 16. August 1950 in Judenburg geborene Steirer wollte aber immer schon "Jack" genannt werden. 1974 wurde er aufgrund des Mordes an Margret Schäfer zu lebenslanger Haft verurteilt.
Im Gefängnis holte er seinen Schulabschluss nach, brachte von 1985 bis 1989 die Literaturzeitschrift „Wort-Brücke“ heraus. So erweckte er bei der damaligen Kunstszene den Eindruck, dass er sich erfolgreich resozialisiert habe und wurde aufgrund zahlreicher Petitionen von berühmten Kunstschaffenden wie Intellektuellen nach sechzehn Jahren Haft 1990 ohne weitere Auflagen vorzeitig entlassen. Danach verübte er – so das Gerichtsurteil – eine Mord-Serie an neun Prostituierten, die er mit deren eigener Unterwäsche strangulierte.
Der erste Mord ereignete sich ein halbes Jahr nach seiner Entlassung 1990 in Prag, weitere folgten in den darauffolgenden Monaten in Graz, Wien und Lustenau, bevor sich Unterweger nach Amerika begab – im Sommer 1991 verübte er weitere drei Morde in Los Angeles. Als er in Verdacht geriet, flüchtete Unterweger im Februar 1992 von Wien über die Schweiz nach Miami, wo er vom FBI festgenommen wurde.
Indizien, die auf sein Verschulden hinwiesen, waren etwa die Tatsache, dass er jedes Opfer mit demselben Knoten, dem sogenannten Henkersknoten, erdrosselt hatte oder er sich stets zu den Tatzeiten in unmittelbarer Nähe der Tatorte befand, ohne ein Alibi zu haben.
*Quelle: Bundesministerium für Inneres, Publikation "Öffentliche Sicherheit".
Der Autor:
Ernst Geiger leitete bis 2017 die Abteilung 3 des österreichischen Bundeskriminalamtes, zuständig für Ermittlungen in den Bereichen Organisierte und Allgemeine Kriminalität. Er war Chef-Ermittler in vielen aufsehenerregenden Mordfällen. Er leitete die Ermittlungen gegen den Serienmörder Jack Unterweger und fasste den Dieb der Saliera, eines wertvollen Salzfasses des Kunsthistorischen Museums.
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