Spritzensammler - ein neuer Job

Foto: Kontaktladen
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"Montags mache ich meine Tour", erzählt Robert, der seit 19 Jahren abhängig ist. "Mindestens drei Stunden bin ich unterwegs, meistens werden es vier." Der 43-Jährige geht dabei alle bekannten Konsumplätze ab. Er ist mit einem Eimer für medizinische Abfälle, einer Greifzange und Handschuhen ausgerüstet. Zwischen 15 und 30 Injektionsutensilien und Materialien sammelt er jeweils ein.
Insgesamt gibt es drei Personen, die diesen Job machen. Während dieser Tätigkeit sind die Einsammler unfallversichert und bekommen vom Verein ERfA ein "therapeutisches Taschengeld" für ihre Tätigkeit. "In erster Linie mache ich es aber für die saubere Natur, für den Schutz meiner Mitmenschen und um der Gesellschaft etwas zurückzugeben", erklärt Robert. "Hinter jeder Sucht steckt eine seelische Verletzung". Arbeit und ein geregelter Alltag helfen, abhängige Menschen wieder einzugliedern. "Ich suche meinen Platz in der Gesellschaft, wo ich von Nutzen sein kann", verdeutlicht Robert nochmals, was ihm wichtig ist.

Infektionsgefahr
In Graz gibt es schon seit den 1990er-Jahren Präventionsmaßnahmen, damit der öffentliche Raum frei von Spritzen ist und die Gefahr, mit HIV oder Hepatitis C infiziert zu werden, vermieden werden kann. Wer in den Kontaktladen kommt, kann gebrauchte Spritzen gegen sterile tauschen. Aber nur so viele, wie er mitbringt. Auch in vielen öffentlichen WC-Anlagen sind spezielle Entsorgungsboxen angebracht.

Konsumraum
Kontrovers diskutiert wurde in Graz ein überwachter Drogenkonsumraum, worüber es aus anderen europäischen Städten positive Rückmeldungen gibt. Der öffentliche Raum wird dort vom Drogenkonsum deutlich entlastet. In Graz fand sich bisher noch keine politische Mehrheit dafür. "Konsumiert wird sowieso", räumt eine Sozialarbeiterin vom Kontaktladen mit der Illusion einer drogenfreien Gesellschaft auf. Eine drogentherapeutische Anlaufstelle würde für Süchtige hygienischere Bedingungen schaffen und könnte durch Fachpersonal in medizinischen Notfällen schneller helfen.

Kontaktladen als Anlaufstelle

Ein motiviertes Team sorgt für das Wohl von Suchtkranken.
Der Kontaktladen in der Grazer Orpheumgasse und Streetwork im Drogenbereich bietet abhängigen Menschen ein Angebot nach den Grundsätzen der akzeptanzorientierten und niederschwelligen Drogenarbeit für Konsumenten illegaler Drogen und Personen, die am Substitutionsprogramm teilnehmen.
Neun Sozialpädagogen und -arbeiter sind in dieser sozialen Einrichtung tätig. Drei Mal die Woche gehen sie für mindestens drei Stunden anonym auf die Straße. Ihr Erkennungszeichen in der Szene: Eine Streetworktasche.
Prinzipiell setzt man sich für die primäre Versorgung der Suchtkranken ein: Grundsicherung und Basisversorgung. Bei der Arbeit auf der Straße geht es auch zentral um die Hygienebedingungen.

Zahlen und Fakten rund um die Sucht

Im Jahr 2011 gab es in Graz 5.955 Kontakte zu Süchtigen im Streetworkeinsatz durch das Team des Kontaktladens, dies entspricht einer Zunahme von 21 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Im Kontaktladencafé wurden 12.821 Besuche verzeichnet. 1.604 Beratungs- und Informationsgespräche haben stattgefunden, in denen es vordergründig um allgemeine Lebensberatung geht.
Mehr als 450.000 gebrauchte Spritzen wurden 2011 von Konsumenten im Kontaktladen gegen steriles Besteck getauscht.
Rund 700 Menschen aus Graz und Umgebung befinden sich im Substitutionsprogramm.
Mehr als 100 Süchtige ließen sich 2011 im Rahmen einer Gesundheitsuntersuchung auf HIV testen. Und keiner der Getesteten war infiziert. Deutlich mehr Betroffene gibt es in Graz allerdings bei Hepatitis-C-Erkrankungen.

Foto: Kontaktladen
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