Arbeiterkammer-Wahl
Sozialdemokrat Josef Pesserl setzt aufs Miteinander

- Geht optimistisch in die Arbeiterkammer-Wahl: Josef Pesserl von der Fraktion sozialdemokratischer Gewerkschafter.
- Foto: FSG Steiermark
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Seit elf Jahren ist Josef Pesserl Präsident der steirischen Arbeiter. Das wird der sozialdemokratische Gewerkschafter auch nach der Arbeiterkammerwahl (16. bis 29. April) wieder sein – ein Gespräch über seine politischen Vorstellungen und Ideen.
STEIERMARK. "Engagiert, erfahren, kommunikativ." Diese Attribute wirft die KI-Plattform "ChatGPT" aus, wenn man sie nach dem 67-jährigen Arbeiterkammer-Präsidenten fragt. Josef Pesserl schmunzelt: "Ja, mit der Beschreibung kann ich ganz gut leben." Der Hintergrund dieser Einstiegsfrage beim Gespräch mit MeinBezirk.at ist dem Langzeit-Präsidenten von der Fraktion sozialdemokratischer Gewerkschafter (FSG) klar: Der technologische Fortschritt habe die Arbeitswelt voll erfasst. Man dürfe sich nicht dagegen wehren, sondern die Zukunft gestalten, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf diesem Weg unterstützen. "Damit sich dieser Fortschritt nicht gegen die Menschen richtet."
"Brauchen Kultur des Miteinanders"
Klar sei, dass mit dem Fortschritt die Geschwindigkeit der Veränderung immer höher wird, man müsse die Menschen fit für die Digitalisierung machen. Dafür brauche es, so Pesserl, aber eine neue Kultur im Zusammenleben: "Es ist herausfordernd, für den Einzelnen, für die Familien, für die Unternehmerinnen und Unternehmer. Der Fokus muss lauten: Wie bewältigen wir das zum Wohle der Betroffenen – und nicht, wie man sich am besten gegenseitig schlecht macht." Die Politik sei da aktuell ein denkbar schlechtes Beispiel, sie hätte es aber in der Hand, etwas zu ändern: "Politik, die Lösungen anbietet, wird wieder Vertrauen bekommen. Wenn ernsthaft gearbeitet wird, wird das Misstrauen schwinden", ist Pesserl überzeugt. Es herrsche in Österreich keine Politik-, sondern eine Politiker-Verdrossenheit. "Und das würde den Populistinnen und Populisten mit ihre vermeintlich einfachen Lösungen Tür und Tor öffnen. "Es gibt aber keine einfachen Lösungen, es geht immer um Kompromisse – und um die muss man ringen.
Gesundheit, Pflege und Kindererziehung als "Baustellen"
Thematisch hat Pesserl neben der technologischen Entwicklung mehrere "Baustellen" auf seiner Wahlkampf-Agenda. Gesundheit am Arbeitsplatz ist einer dieser Schwerpunkte: "Wir müssen Arbeit so ausgestalten, dass die Menschen sie auch bis ins Pensionsalter ausüben können. Davon sind wir oft weit entfernt."
Ein ebenso heikler Punkt sei die Entwicklung in der Elementarpädagogik. Viele wollen aus diesen Jobs raus, die Gemeinden fühlen sich im Stich gelassen. "Die Sozialpartner sind sich über die Notwendigkeiten längst einig. Ich verstehe nicht, warum die Politik nicht handelt", ist Pesserl verärgert.

- Seit 11 Jahren Arbeiterkammer-Präsident: Josef Pesserl.
- Foto: Prontolux
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Ähnlich sieht er die Lage in der Pflege: "Es gibt zu wenige Pflegeplätze, die Bedingungen für die Beschäftigten sind schlecht, sie brennen aus", fasst der ehemalige Krankenkassen-Obmann zusammen. Den Stehsatz von den fehlenden Fachkräften lässt er nicht gelten: "300.000 Menschen sind aktuell ohne Job. Wenn da Fähigkeiten und Fertigkeiten fehlen, müssen wir sie aus und weiterbilden. Auch die 32-Stunden-Woche will er differenziert betrachtet wissen: "Es hat sich in den 1960er-Jahren auch niemand eine 40-Stunden-Woche vorstellen können." Es gehe nicht um die Stundenanzahl, sondern darum Branchen und Entwicklungen gesamtheitlich zu betrachten – im Sinne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Gehe es ihnen gut, gehe es auch den Unternehmen gut.
Teuerungswelle: Politisches Versagen
Bleibt als letzter Knackpunkt die enorme Teuerungswelle der letzten Jahre. "Durch eine ignorante Politik leiden alle – die Haushalte, die Pendlerinnen und Pendler, die Familien, die Firmen." Seit Anfang 2022 habe man an die politischen Verantwortungsträger appelliert, bei Treibstoff- und Strompreisen lenkend einzugreifen. "Das Gegenteil ist passiert, man hat die Gunst der Stunde genutzt, um enorme Profite zu machen". Der Vorwurf, man dürfe nicht gegen den Markt agieren, sei "Humbug". "Der Markt hat versagt, daher wäre es Aufgabe der Politik gewesen, einzugreifen." Die Politik habe aber mit Einmal-Unterstützungen die Situation noch angeheizt. "Es wäre keine Raketenwissenschaft gewesen, das in den Griff zu bekommen. Ein wenig Hausverstand hätte schon gereicht."

- Mahnende Worte, vor allem Richtung Bundespolitik: Josef Pesserl (FSG).
- Foto: Konstantinov
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Demokratie hegen und pflegen
Letzte Frage: Was treibt Pesserl an, noch einmal in den Ring zu steigen? "Es ist ein Privileg als Gesellschaft in Österreich in einer Demokratie zu leben. Wir nehmen das immer als selbstverständlich hin, das ist es aber nicht." Dieses Pflänzchen Demokratie gelte es jeden Tag zu pflegen. "Und dazu will ich meinen Beitrag leisten."
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