Die stille Oase mitten im alten Graz

Rainald Schaider und seine Stammwirtin Angela Grabner

Unsere WOCHE-Straßenreporter waren diesmal in der Schlögelgasse zu Gast ? und hatten einen Richter als Führer.

Niemand kennt die kurze Schlögelgasse (vom Dietrichstein- bis zum Kaiser-Josef-Platz) so gut wie Rainald Schaider. Der Richter in Rente lebt nämlich seit seiner Geburt im Jahr 1944 in dieser Gasse ? und überraschte unsere Straßenreporter Klaus Krainer und Dieter Demmelmair mit seinem perfekten Insiderwissen (siehe auch Info unten).
Unsere Reporter wussten das meiste von dem, was ihnen Schaider erzählte, nicht. Etwa dass die Gasse einst Schlegelgasse hieß und nach einem alten Bürgergeschlecht benannt ist und dass das Haus Nr. 9 den Namen ?Fürstlich Dietrichstein?sches Stiftungshaus? trägt, unverkäuflich ist und noch einen Hausmeister hat.
Dass im Haus Nr. 7 einst die legendäre ?Gulaschhütte? war, Heimat der ersten Bowlingbahn von Graz, davor einer Lehmkegel- und dann einer automatischen Kegelbahn war. Dass man, wenn man die Einfahrt zum Haus Nr. 1 durchschreitet (u. a. Rechtsanwaltspraxis von Guido Held), in einen riesigen Innenhof samt Pavillon und gemauertem Pool kommt ? Oase der Stille.
Oder dass im ?Hotel Gollner? nicht nur Rezeptionist Heinz Kossek, sondern auch der sprechende Graupapagei ?Joko? die Gäste empfangen hat. ? Und dass es in der Weinstube ?Zum verlorenen Sohn? einfach nur urgemütlich ist ... 
Autoren: klaus.krainer@woche.at, dieter.demmelmair@woche.at

Das weiß Rainald Schaider über die Schlögelgasse:

Schlögelgasse (Schlöglgasse)                         
II.Bez., Dietrichsteinplatz - Kaiser-Josef-Platz, 1838

Benannt nach der sog. Schlögel-, Schlegel- (altes Grazer Bürgergeschlecht) oder Sauhofwiese, die ehemals zur Fideikommißherrschaft Freiberg des Grafen Maximilian von Kollonitz (Kollonitsch) gehörte. Sie umfaßte ungefähr den Bereich zwischen Kaiser-Josef-Platz, der Schlögelgasse, dem Dietrichsteinplatz sowie der Sparbersbachgasse und der Mandellstrasse.
(Kubinzky; Grazer Straßennamen 1996)

Fürstlich Dietrichstein'sches Stiftungshaus, Schlögelgasse 9, 9a, Dietrichsteinplatz 1, 2:
Dietrichstein, Max Dismas Franz Graf von (Wohltäter):
 Geboren am 23. April 1785, war Max Graf von Dietrichstein, der gräflichen Linie Weichselstätten-Rabenstein angehörend, ständischer Verordneter und Erblandjägermeister in Steiermark. Dietrichstein tätigte große Stiftungen zugunsten der Armen; so erwarb er das Haus Schlögelgasse Nr. 9(?) und richtete darin eine Stiftung unter anderem für vermögenslose, um Staat oder Kirche verdiente Adelige ein. Max Graf von Dietrichstein starb 1859 in Graz.(Wikipedia)
 Der älteste Teil (vormals Dietrichsteinplatz 2, Schlögelgasse 9/III, jetzt Dietrichsteinplatz 1) hat bereits 1818 als zweistöckiges Gebäude an der "Schlegelbrücke über den Grazbach" -vormals Färberbrücke- mit Einfahrt vom Dietrichsteinplatz aus existiert. Das jetzige, denkmalgeschützte Palais in der Schlögelgasse 9 wurde vor 1870 erbaut. In den 1990er-Jahren wurden über den ehemaligen Stallungen am "Heuboden" Wohnungen im amerikanischen Soap-opera-stile (öffne die Türe und du stehst im Wohnzimmer) erbaut und die Häuser Dietrichsteinplatz 1,2 teils aufgestockt, teils der Dachboden ausgebaut und Lifte eingebaut. Der innere Hof spricht davon, dass der Stiftungsvorsitzende Dr.Herberstein und der Hausmeister (ja, das gibt es) einen Hang zur Gartengestaltung haben. Das Haus ist als Stiftung unverkäuflich und beherbergt als Mieter die TU Graz, drei Altmieter, viele Studenten in WG's, ein griechisches, ein türkisches, ein chinesisches Restaurant(ehemals Alt-Wien), ein Matratzengeschäft, einen türkischen Fahrradhändler und ein Geschäft für PC-Zubehör(ehemals Post).

Schlögelgasse 7:
Ein Wohnhaus, in dessen Innenhof, wie auch die Aufschrift über dem Torbogen schildert, sich bis vor wenigen Jahren die legendäre "Gulaschhütte" befunden hat. Dies war vorher eine Lehmkegelbahn der Familie Staudinger (wo ich noch Kegelbub gespielt habe), dann eine automatische Kegelbahn mit Lokalteil, wo in der Mitte die erste Bowlingbahn von Graz war. Vor fünf Jahren mußte dieses Relikt modernen Wohnungen (Maisonetten) weichen.

Schlögelgasse 5:
Ehemals die "Operngarage" mit Zapfsäulen im Innenhof, jetzt die "Kaiser-Josef-Garage". Diese Garage sollte bis vor wenigen Jahren nach hinten in den Innenhof mit einer Ausfahrt durch das Haus Dietrichsteinplatz Nr. 6 erweitert werden.

Schlögelgasse 3:
Das Haus des Augenarztes Dr.Hesse. Im Innenhof alte Laufbalkone und Loggien sowie einer Dachterasse.

Schlögelgasse 1:
Die Rechtsanwaltskanzlei Dr. Held, ehem. Präsident der RA-Kammer und Messechef, und die bei Studenten beliebte Pizzeria "Sägewerk". Im geräumigen Innenhof alte Laufbalkone.

Schlögelgasse 2:
Evangelischer Kindergarten und Seminarräume der Karl-Franzens-Universität. Daneben auf 2a war die Kolonialwarenhandlung Kirwasser, vorher Schurz (heute Ortho-Aktiv).

Ecke Schlögelgasse/Luthergasse (Luthergasse 6):
Weinstube "Zum verlorenen Sohn". Eine der wenigen verbliebenen und revitalisierten alten Weinstuben in Graz. Die Weinstube wurde in den 40er- oder 50er-Jahren eröffnet auch mit einem Gastraum im ersten Stock. Ich kann mich noch erinnern, dass zu Beginn der 50er-Jahre hinter der Budel(Theke) gegenüber dem Eingang eine Falltüre direkt in den Keller geführt hat.
Das wesentlich ältere Haus gehörte zum Baustoffhandel Hanschmann. Es war dann rund 20 Jahre geschlossen und wurde von der Fa.Vipautz gekauft, wie die Baustoffhandlung in die Kosgasse übersiedelte. Es war dann Lager und Schauraum bis es 1986 wieder verpachtet wurde und in den Semesterferien des Jahrhundertschneefalls wiedereröffnet wurde, aber ohne ersten Stock. Im Oktober 2006 wurde es von der Tochter übernommen.

Schlögelgasse 6, 8:
Ehemals Baustoffhandlung Hanschmann, jetzt Installationsunternehmen Vipautz.

Schlögelgasse 10:
Wohnhaus mit dem früher vertrauten Kaffee Jurgetz. Hier wurde von der Wirtin bis vor wenigen Jahren noch jeden Mittag für die Stammgäste ausgekocht. Mehrfacher Pächterwechsel in den letzten Jahren.

Daneben Eingang in den Innenhof, der zum Kostümverleih der Bühnen, dem ehemaligen Kulissendepot, wie auch zum ehemaligen Malersaal als Aufführungsort von Boulevardstücken ("Die offene Zweierbeziehung") führt.

Schlögelgasse 14:
Hotel Gollner. Ehem. Hotel "Zum Schimmel", wie das Zeichen im Giebel zeigt. Ein Hotel garni, das sich mit einer illustren Schar prominenter Gäste, vorwiegend aus dem Opernmilieu zu schmücken weiß. Das vorherige Selbstbedienungsrestaurant ist im vorigen Jahr einer Kopier- und Versandtanstalt gewichen. Die Fleischerei Gollner hat schon 2003 wegen einer EU-Verordnung, die solche Betriebe im Wohngebiet verbietet, den Betrieb eingestellt.
Der Hausteil in der Reitschulgasse ist bereits auf einem Plan von 1818 nachweisbar. Die Ursprünge der gastronomischen Tätigkeiten reichen in das Ende des vorletzten Jahrhunderts zurück.
Es begann mit einem Pferde- und Kutscheneinstellplatz und dem Betrieb eines einfachen Einkehrgasthofes, wie Fotografien aus 1880 beweisen. Damals blieben Geschäftsleute noch 1 Woche, heute 1 Tag.
1920 wurde der Einkehrbetrieb erweitert mit einem Weinkeller und Restaurantbetrieb durch die Familie Gollner.
Im Jahr 1961 gab es einen kompletten Umbau mit der Verlegung des Eingangs von der Reitschulgasse in die Schlögelgasse. Das bis dato unter dem Namen ?Zum Schimmel? geführte Haus wurde nun zum ?Hotel Gollner?, die Geschäftsleitung wurde von der Familie Alois Gollner an die Tochter Marliese Gerlach und von dieser inzwischen an ihre Tochter Christina Gerlach übertragen.
2003 im "Kulturhauptstadt-Jahr" erfolgte der Zubau über dem geschlossenen Fleischerei-Betriebsgelände mit Appartements. Das Hotel Gollner ist derzeit das einzige Grazer Hotel, dass im Rahmen des Hotelbetriebes auch 50m²-Appartements mit Blick zum Schloßberg anbieten kann.

Hinter all diesen Gebäuden mit ungerader Hausnummer befindet sich der größte umbaute Innenhof von Graz, der umgrenzt wird von Schlögelgasse - Kaiser-Franz-Josef-Platz - Mandellstrasse - Grazbachgasse und Dietrichsteinplatz. Dies war früher einmal die "Freiberger Wiese" (Grundherrschaft Freiberg) .
Autor: Rainald Schaider

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