MEINE MEINUNG

Norber Wallner

Karl Brunners List

Vor 65 Jahren ging der Zweite Weltkrieg zu Ende. Jene Menschen, die der älteren unserer beiden Pensionisten-Generationen angehören, haben diese Tage, April/Mai 1945, miterlebt. Uns nach Kriegsende Geborenen stehen Bücher, teilweise hervorragende Landes-, Stadt- und Gemeindechroniken, als Informationsquellen zur Verfügung.

Stefan Karner schildert in ?Die Steiermark im 20. Jahrhundert? u. a. den Vormarsch der Roten Armee in der Oststeiermark. ?Kilometerlange Trecks von Flüchtenden bewegten sich vor den sowjetischen Einheiten in Richtung Westen?. Und: ?Tausende Vergewaltigungen steirischer Frauen durch sowjetische Soldaten schienen der NS-Propaganda, die den Russen zum Untermenschen und Teufel gemacht hatte, Recht zu geben. Das Schweigen vergewaltigter Frauen aus Scham und anhaltendem Schock, oft bis an ihr Lebensende, wurde zum Kontrapunkt des Kriegsgeheuls?.

Wie dem Buch ?Judenburg 1945? von Johann Andritsch zu entnehmen ist, litt dann auch die Bevölkerung von Judenburg und Umgebung sehr unter den russischen Besatzungstruppen. Während die britischen Soldaten als durchwegs freundlich und unaufdringlich in Erinnerung blieben, gab es durch die Russen ständige Belästigungen der Frauen, Plünderungen und Diebstähle. Die Mur war in Judenburg Demarkationslinie zwischen Briten (rechtes Murufer) und Russen, gegen Ende Juli 1945 zogen sich die Russen bis zum Semmering zurück.

In den letzten Kriegstagen strömten Flüchtlinge auch durch den Bezirk und die Stadt Murau nach Westen, die Bevölkerung hatte von den Greueltaten der Russen gehört und fürchtete sich vor einer sowjetischen Besetzung. Mit einer List konnte der damals 56 Jahre alte Murauer Kaufmann Karl Brunner (der Großvater der Schlagersänger Charly und Jogl Brunner) dies verhindern. Er hatte dabei sein Leben riskiert.
Wie Wolfgang Wieland in seinem Buch ?Murau ? Eine Stadt stellt ihre Geschichte vor? berichtet, täuschte Karl Brunner der vorrückenden Roten Armee mit Hilfe der heimischen Bevölkerung und mehrerer britischer Kriegsgefangener eine bereits vollzogene Besetzung der Stadt Murau durch britische Truppen vor. Brunner hatte Glück, dass die Russen diesen Schwindel nicht durchschauten und dass die erbetene britische Besatzungstruppe bald in Murau eintraf. Der Murauer Bevölkerung blieb dadurch viel zusätzliches Leid erspart.

Karl Brunner war dann in den Nachkriegsjahren eine der führenden Persönlichkeiten der steirischen Politik: Nationalratsabgeordneter, Landesrat und schließlich von 1961 bis zu seinem Tod im Jahre 1964 Erster Landtagspräsident.

Prof. Andritsch zitierte in seinem Buch u. a. Berichte der ?Murtaler Zeitung? vom 14. April 1945 als Beispiele dafür, welch harte Urteile ? Deserteuren drohte das Todesurteil ? vom NS-Regime bis zuletzt ausgesprochen wurden. ?Rundfunkverbrecher ? 3 Jahre und 1 Jahr Zuchthaus?: Der 50-jährige Franz G. und seine Ehefrau Wilhelmine aus Götzendorf bei Pöls hatten ausländische Rundfunksender abgehört.
?Zuchthaus für Ehrvergessene?: Die 19-jährige Hausgehilfin Barbara F. aus Zeltweg hatte sich in unerlaubte Beziehungen zu einem Kriegsgefangenen eingelassen.. 1 1/2 Jahre Zuchthaus. ?Erschwerend bei der Strafbemessung war die Wiederholung des Verbrechens?.

Autor: Norbert Wallner

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