Absage an generelles Tempolimit durch Landesregierung

Gehofft wurde von der Politik bis zum Schluss das Gegenteil, nun ist es amtlich. Das sektorale Fahrverbot auf der Inntalautobahn wurde vom Europäischen Gerichtshof aufgehoben.

Für Landeshauptmann Günther Platter und LHStv. Hannes Gschwentner eine herbe Enttäuschung. "Dabei wird von vom EuGh das sektorale Fahrverbot als probates Mittel bescheinigt, die Schadstoffe zu senken", sagt Platter, der indieser Aufhebung ein äußerst schlechtes Signal aus Brüssel sieht und hier den Sieg der Frächterlobby kritisiert. "Wir wollen am sektoralen Verbot unbedingt festhalten, es erneut beantragen und im Jänner mit der EU-Kommission sofort die Verhandlungen aufnehmen, sagt Platter. Im Urteil wird kritisiert, dass Tirol noch keine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Autobahn verordnet hat und auch dass zu viele Tiroler LKW nicht der strengen Euro 6-Abgasnorm entsprächen. Ein generelles Tempolimit bringt nichts, aber wir werden die Schaltung des IG-Luft-Hunderters sensibilisieren. Die Landesförderung von Neuanschaffungen für LKW gibt es, und die Kontrolltätigkeit entlang der Inntalautobahn wird verschärft, das müsste reichen, das Fahrverbot wieder zu bekommen", sagt Umweltreferent Gschwentner.

In einer ersten Stellungnahme meldete sich Wirtschaftskammer-Präsident Jürgen Bodenseer zu Wort: „Die Politik hat mit den Fahrverboten in den letzten Jahren wider besseres Wissen gehandelt. Wir haben die Tiroler Landesregierung immer wieder darauf hingewiesen, dass Verkehrs- beschränkungen aus Umweltschutzgründen primär an den Schadstoffemissionen der Fahrzeuge anknüpfen müssen und nicht an der Art des transportierten Gutes. Die Aufhebung war daher zu erwarten.“

Für Fritz Gurgiser und das Transitforum ein Skandal. „Freier Mülltransit ist wichtiger als das Grundrecht auf Gesundheit durch den sensibelsten Gebirgsraum des gesamten Binnenmarktes", sagt Gurgiser. "Eine falsche Güterabwägung demaskiert den EuGH als willfährigen Handlanger einer aus den Fugen geratenen EU, welche die Grundrechte mit den Füßen tritt und der EuGH erklärt die Brennerstrecke zur „grundrechtslosen Transitstrecke“, sagt Gurgiser in einer ersten Reaktion. Auch Kampfmaßnahmen sind nun nicht mehr auszuschließen.

„Die heutige Aufhebung des sektoralen Fahrverbotes, bedeutet: Grundfreiheit besiegt Grundrecht! Freier Warenverkehr siegt über das Grundrecht auf Gesundheit. Das ist das bittere Weihnachtsgeschenk der europäischen Höchstrichter für die Tiroler Bevölkerung“, kritisiert Klubobmann Georg Willi die heutige EuGH-Entscheidung. Die Tiroler Grünen gehen auch mit der Landesregierung hart ins Gericht. „Seit einem vollen Jahr ist die Argumentationslinie der Generalanwältin bekannt. Aber anstatt mit einem stationären 100er auf der Autobahn zwischen Kufstein und Innsbruck Signale an den EuGH zu senden, haben Platter, Gschwentner & Co auf warten und hoffen' gesetzt. Genau diesen 100er hat die Generalanwältin vehement eingefordert. Nichts ist passiert, obwohl wir im Landtag dazu Initiativen gesetzt haben. Daher war die Niederlage absehbar“, sehen die Grünen Mitschuld bei ÖVP und SPÖ. „Jetzt muss die Reaktion lauten: Mit Volldampf an einem neuen, der EuGH Argumentation folgenden Müllfahrverbot zu arbeiten. Der LKW Verkehr darf bei der Reduktion von Schadstoffen nicht ausgenommen werden. Denn 200.000 Lkw-Fahrten auf der Inntalautobahn mehr sind ein zusätzliches Gesundheits- und ein Sicherheitsrisiko. Wir werden hier LH Platter und LHStv. Gschwentner in die Pflicht nehmen“, schließt Willi.

Gerald Hauser, FPÖ-Landes- und Landtagsklubobmann, stellt in einer Aussendung fest: „Das ist ein Schandurteil und eine Bankrotterklärung der Brüsseler Politik, es wird über uns drübergefahren.“ Der freie Verkehr sei wichtiger als die Gesundheit der Bevölkerung, wettert Hauser. Er befindet, es sei massivster Protest einzulegen. Nationaler Widerstand und Selbsthilfemaßnahmen seien zum Schutz der Tirolerinnen und Tiroler nötig.

"Die Entscheidung des EUGH zeigt auch die wirkliche Linie der europäischen Verkehrspolitik", sagt Liste-Fritz-Klubobmann Bernhard Ernst. "Aber es zeigt die jahrelangen Versäumnisse der Österreichischen und Tiroler Verkehrspolitik schonungslos auf. Es ist der ÖVP Politik – trotz Bemühungen – bis dato nicht gelungen, auch nur einen Fuß in die Tür einer neuen EU-Verkehrspolitik zu setzen. Landeshauptmann Platter muss jetzt Maßnahmen setzen, denn viele Tiroler, vor allem aber 25.000 Kinder im Luftsanierungsgebiet, leiden unter der permanent schlechten Luft. Die Landesregierung braucht jetzt nicht die Wehrhaftigkeit zu beschwören, sondern sie muss kreativ und hartnäckig den rechtlichen Rahmen ausschöpfen und ausreizen. Wir kennen etwa die Möglichkeit für Blockabfertigungen an der Grenze“, stellt d Ernst fest.

Zur Sache:
Folgendes Maßnahmenpaket wird das Land Tirol umsetzen:

· Tirol hält an der Wiedereinführung des Sektoralen Fahrverbots fest und setzt weitere gelindere Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität.

· Sensibilisierung der Schaltquote des flexiblen Tempolimits 100 km/h:
Mit einer Erhöhung der Schalthäufigkeit der immissionsabhängigen Geschwindigkeitsbeschränkung soll die Effizienz der Maßnahme und somit das Reduktionspotential betreffend der Luftschadstoffe erhöht werden.

· Weitere Intensivierung der Kontrollen der LKW-Kontrollstellen Brenner, Radfeld und Kundl:
Derzeit werden von der Tiroler Polizei auf den Kontrollstellen Brenner, Radfeld und Kundl zusammen knapp 12.000 Einsatzstunden pro Jahr geleistet. Verhandlungen mit Innenministerin Johanna Mikl-Leitner sollen erreichen, dass die Kontrollstellen rund um die Uhr besetzt werden.

· Anschaffung einer Frontradaranlage zur verstärkten Kontrolle des flexiblen Tempolimits 100 km/h:
Damit sollen neben der hohen Disziplin der Einheimischen auch die ausländischen FahrerInnen zum Einhalten der Geschwindigkeitsbeschränkung angehalten werden.
Wesentlich ist dabei die Zweckbindung der Strafgelder für Maßnahmen zur Luftreinhaltung.

· Schrittweise Mauterhöhung ab dem 1. Jänner 2012:
Die Mauttarife zwischen Kufstein und Innsbruck werden schrittweise und je nach Emissionsklassen der LKW erhöht. Die Einnahmen aus der Mauterhöhung werden zur Querfinanzierung des Brennerbasistunnels herangezogen.

· Förderung von emissionsarmen schweren LKW:
Mit dieser Förderung werden die heimischen Unternehmen dabei unterstützt, möglichst schon vor Inkrafttreten der neuen EU-Abgasnormen im Jänner 2014 auf emissionsarme Schwerfahrzeuge umzustellen. Mit einem Betrag von maximal 5.000 Euro pro Fahrzeug wird die Anschaffung (sowohl Ankauf als auch Leasen) neuer emissionsarmer LKW der Euroklasse VI und EEV gefördert, wenn im Gegenzug ein alter LKW abgemeldet wird.

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