Im Hinterland waren die Lebensmittel knapp

Am Bahnhof im Juni 1918: Eine Kärntner Einheit verlässt Fürstenfeld mit dem Zug. | Foto: Pfeilburg
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  • Am Bahnhof im Juni 1918: Eine Kärntner Einheit verlässt Fürstenfeld mit dem Zug.
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Österreich feiert in diesem Jahr den 100. Jahrestag der Gründung der Republik. Die WOCHE würdigt dieses besondere Jubiläum im Rahmen der Serie "100 Jahre Republik". Der Erste Weltkrieg von 1914 bis 1918 und der Zusammenbruch der Donaumonarchie verschonten auch die Region Fürstenfeld, ein Hinterland des Krieges nicht. "Überall machten sich Not und Armut breit", berichtet Gabriele Jedliczka, Leiterin des Fürstenfelder Museums Pfeilburg über das Jahr 1918. Ihre Ausführungen stützen sich auf Artikel in der Stadtchronik und der Chronik "Fürstenfeld und Umgebung".

Nahrungsmittelkürzungen

Anton Weixelberger folgt im Juli 1918 Karl Pferschy als Fürstenfelder Bürgermeister nach. Schon ab dem Frühjahr war die Stadtverwaltung vorrangig mit der Versorgung der Bevölkerung mit den nötigsten Lebensmitteln befasst. Diese war bereits weitgehend zusammengebrochen, Brotrationen wurden ebenso wie Mehl- und Fettzuteilungen gekürzt, die Beschwerden über die schlechte Qualität des Mehls nahmen zu. Bohnen wurden beschlagnahmt, Hausschlachtungen und die Herstellung von Ostereiern verboten. Die arge Futternot hatte amtliche Maßnahmen im Viehverkehr zur Folge. Maiskolben, Rosskastanien, Leinsamen, Äpfel, Heu und Stroh mussten abgeliefert werden. Gekürzt wurden Mehl- und Fettzuteilungen. Das Aufbringen von Saatgut für den Feldbau bereitete große Schwierigkeiten.

Schmuggel und Kino

Im Stadttheater häuften sich Aufführungen für wohltätige Zwecke. Der Erlös wurde für Invalide, Kriegswitwen und -waisen aufgewendet. Um den Schmuggel mit Nahrungsmittel über die ungarische Grenze einzudämmen, wurden Einkaufsbeschränkungen für ungarische Staatsbürger eingeführt. Der Schleichhandel nahm bereits ab 1917 weitreichende Dimensionen an. In Ungarn machten sich die Einschränkungen kaum bemerkbar, Lebensmittelrationierungen nahmen jenseits der Lafnitz nicht jene Ausmaße wie in der Steiermark an.
Die Stadt forcierte die Eröffnung eines Kinos, Anfragen kamen sogar aus Trient. Den Zuschlag erhielten Josef Sitt und Jakob Dopplhofer, das erste Fürstenfelder Kino nahm im Gasthaus Georg Pferschy seinen Betrieb auf.

Großes Aufsehen erregten Verkäufe ärarischen Gutes (Staatsvermögen oder Eigentum) durch Soldaten, ein Schwarzmarkt wurde vermutet. Auch Isabella Hupfer,geborene Pferschy, Gattin des Baumeisters Carl Hupfer, geriet in eine "hochnotpeinliche" Untersuchung aufgrund des Kaufs von ärarischer Socken. Im Bahnverkehr wurde der Legitimationszwang eingeführt. Die Gasthöfe mussten fleischlose Tage einhalten. Die Stadtverantwortlichen überlegten im Mai 2018 die Einführung von Gemeinde-Wirtschaftsräten. Im Juni sollte die Tabakarbeiterschaft zur Erntearbeit herangezogen werden, wobei die Getreiderequirierungen fortgesetzt wurden. Russische Kriegsgefangenen wurden im Sommer heimgeschickt und Flüchtlinge aus Rovigno (Rovinj) unterstützt. Der Fürstenfelder Arzt Dr. Heinrich brachte im August die miserable Brotqualität zur Anzeige.

Petroleummangel

Petroleum für die Stadtbeleuchtung und die Beleuchtung der Privathäuser war Mangelware. Am 29. September wurde auch in Fürstenfeld ein "Deutscher Volkstag" abgehalten. Anfang Oktober war die Lebensmittelversorgung nur mehr für eine Woche gesichert. Ab Mitte November war die „Organisation des Wehr- und Sicherheitswesens in der deutschen Steiermark“ amtlich mit der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung beauftragt. Es kam zur Gründung einer Bürgerwehr, die kurz darauf der Gendarmerie angegliedert werden sollte. Laut offiziellen Dokumente  betrug die Anzahl der Heimwehrmitglieder 80 Männer, die im Ernstfall bei der Verteidigung der Stadt mithelfen sollten.

"Grenzenlos"

Immer wieder gab es in der Region Fürstenfeld Auseinandersetzungen durch die unsichere Grenze zum Burgenland. Ungarische Nationalisten beanspruchten das Burgenland, während Österreich bereits um das östlichste Bundesland kämpfte. Die Steiermark trat im Herbst der Republik „Deutschösterreich“ bei und war dennoch bis Herbst 1919  weder an seiner Südseite, noch an seiner Ostgrenze von fixen Grenzen umgeben.
Steiermark war nun nicht mehr „Hinterland“, sondern Grenzland der neuen Republik mit unzähligen politischen, verwaltungstechnischen, wirtschaftlichen und sozialen Problemen und mit der Untersteiermark als Konfliktherd im Süden. Millionen von Soldaten und Flüchtlingen überschwemmten das Land. Im Dezember 2018 wurde die Fürstenfelder Gemeindevertretung durch Vertreter der Arbeiterschaft ergänzt. Die Stadt beklagte
114 Gefallene im Ersten Weltkrieg.

Was blieb

1918/19: 110 Schüler besuchten die  7 Klassen des Gymnasiums. 15 Schüler und 1 Schülerin legten in diesem Jahr die Reifeprüfung ab.
1913-1918: Bau des Bundesrealgymnasiums
25. November 1918: Erster Unterrichtstag im Gymnasium. Besitzer des Hauses war nicht mehr die k.k. Monarchie, sondern die Republik „Deutschösterreich“. Aus der k.k. Staatsrealschule war eine Bundesrealschule geworden.

12.11.1918: die Republik "Deutschösterreich" wird ausgerufen.

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