Umweltbelastung
Kein Verkehr - weniger Schadstoffbelastung

Das Innsbrucker Atmosphärenphysiklabor befindet sich auf dem Dach des Bruno-Sander-Hauses der Universität Innsbruck.   | Foto: Uni Innsbruck
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  • Das Innsbrucker Atmosphärenphysiklabor befindet sich auf dem Dach des Bruno-Sander-Hauses der Universität Innsbruck.
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INNSBRUCK. Der coronabedingte Lockdown im März 2020 hat auch zu einer enormen Minderung des Verkehrs geführt. Die Uni Innsbruck hat in einer Studie die Auswirkungen auf die Schadstoffemissionen während des Lockdown gemessen. Die Ergebnisse zeigen, dass in vielen europäischen Städten wie in Innsbruck über 90 Prozent der Stickoxide allein vom Verkehr verursacht werden. Die Stadtpolitik sieht Handlungsbedarf.

Studienergebnisse

Der Verkehrsrückgang von 64 Prozent hat zu einem Rückgang der Stickoxide in der Luft um 59 Prozent geführt. Die Kohlendioxidemission ist dagegen nur gering gesunken. Die Messungen der Universität Innsbruck zeigen, dass durch die Verkehrseinschränkungen während des ersten Lockdowns die Schadstoffemissionen stark zurückgegangen sind. Die Studie bestätigt die Vermutung, dass Verkehr als Quelle der Stickoxidbelastung in Städten deutlich unterschätzt wird und für über 90 Prozent dieser Schadstoffe verantwortlich ist.

Thomas Karl untersuchte die Luft über den Dächern von Innsbruck.   | Foto: Uni Innsbruck
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Detaillierte Analyse

Die weitreichenden Mobilitätsbeschränkungen zu Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 schufen für die Wissenschaft eine einmalige Situation: „Wir konnten damals die tatsächlichen Auswirkungen von Verkehrsbeschränkungen auf die Verteilung von Luftschadstoffen und auf die Emission von Klimagasen direkt untersuchen“, sagt der Innsbrucker Atmosphärenforscher Thomas Karl. Mit seinem Team hat er nun eine detaillierte Analyse der Luftqualität während des ersten Lockdowns in Innsbruck in der Fachzeitschrift Atmospheric Chemistry and Physics veröffentlicht. „Wir sehen in unseren Daten deutlich stärkere Rückgänge bei Luftschadstoffen als zum Beispiel beim Kohlendioxid“, fasst der Forscher die Ergebnisse zusammen. Viele Studien lieferten im vergangenen Jahr teils widersprüchliche Ergebnisse, da der Einfluss des Wetters einerseits oft nicht herausgerechnet wurde, andererseits ein detaillierter Vergleich mit Emissionsdaten nicht möglich war. Mit einem eigenen Messverfahren und detaillierten Daten können die Innsbrucker Forscher nun eine verlässliche Analyse vorlegen. Ihre Ergebnisse bestätigen Vermutungen aus früheren Arbeiten: „Der Rückgang von Stickoxiden und anderen Schadstoffen durch verminderten Verkehr ist stärker als vielfach angenommen. Dies ist gerade für das vom Transitverkehr betroffene Tirol eine wichtige Erkenntnis.“, betont Thomas Karl. „Wir sehen in unseren Daten, dass der Stickoxidanteil aus dem Verkehr höher ist als vielfach vermutet, der Anteil aus dem Hausbrand dafür geringer.“ Die europäische Energiewende mit der Umstellung auf sauberere Verbrennung im Siedlungs- und Industriebereich wirkt sich positiv auf die Luftqualität aus und wurde bisher teilweise unterschätzt. „Wir gehen davon aus, dass in vielen europäischen Städten wie in Innsbruck über 90 Prozent der Stickoxide allein vom Verkehr verursacht werden“, resümiert Atmosphärenforscher Thomas Karl.

Flux-Grundfläche rund um den IAO-Turm, dargestellt auf einer von OpenStreetMap abgeleiteten Landnutzungskarte (© OpenStreetMap Contributors 2020. Verteilt unter einer Creative Commons BY-SA-Lizenz). | Foto: UNI Innsbruck
  • Flux-Grundfläche rund um den IAO-Turm, dargestellt auf einer von OpenStreetMap abgeleiteten Landnutzungskarte (© OpenStreetMap Contributors 2020. Verteilt unter einer Creative Commons BY-SA-Lizenz).
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Emissionsmodelle korrigieren

In städtischen Regionen werden europaweit die Grenzwerte für Stickoxide regelmäßig überschritten. Welche Verursacher wieviel Emissionen beitragen, ist nicht immer einfach zu ermitteln. Bisher hat man sich vor allem damit beholfen, dass am Prüfstand die Abgaswerte ermittelt und in einem Modell hochgerechnet wurden. Wieviel Luftschadstoffe ein Fahrzeug oder ein Heizgerät im Alltag abgibt, hängt aber von zahlreichen Faktoren ab. Der Dieselskandal hat deutlich gemacht, wie wenig aussagekräftig Messungen am Prüfstand für die tatsächliche Umweltwirkung sein können. Das Luftmanagement durch Umwelt- und Gesundheitsbehörden beruht allerdings auf Atmosphärenmodellen, denen genau diese experimentellen Daten zugrunde liegen. Bisher fehlte ein Verfahren, mit dem die tatsächlich ausgestoßenen Luftschadstoffe in einem bestimmten Gebiet gemessen und deren Quellen bestimmt werden können. Das Team um Thomas Karl vom Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften der Universität Innsbruck schließt diese Lücke mit dem sogenannten Eddy-Covariance-Verfahren, das Luftzusammensetzung und Windrichtung im Detail misst und so Rückschlüsse auf die Quelle einzelner Schadstoffe zulässt. Mit dem an der Universität Innsbruck eingerichteten Innsbruck Atmospheric Observatory (IAO) wird die Stadtluft über Innsbruck nun laufend untersucht.
Finanziert wurde die aktuelle Studie vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF.

Attraktive Öffi-Angebote

„Wir setzen in Innsbruck schon lange auf Vorrang für den öffentlichen Verkehr, für Fahrräder sowie für Fußgängerinnen und Fußgänger. Mit attraktiven Öffi-Angeboten wollen wir Innsbruckerinnen und Innsbrucker aber besonders auch Pendelnde davon überzeugen, ihren PKW so oft wie möglich stehen zu lassen“, betont Mobilitätsstadträtin Uschi Schwarzl. Entgegen bisheriger Annahmen liegt laut den detaillierten Untersuchungen der Innsbrucker Forscherinnen und Forscher der Anteil des Verkehrs an den (klima)schädlichen Abgasen bei 90 Prozent und mehr.

Umverteilung des Verkehrsraumes

„Der Platz ist knapp in Innsbruck. Deshalb müssen wir den öffentlichen Verkehrsmitteln und Fahrrädern Vorrang auf Kosten anderer Verkehrsteilnehmenden geben. Das ist aber in jeder Hinsicht gewinnbringend: Wir bremsen damit den Individualverkehr und reduzieren die Unfallgefahr. Darüber hinaus senken wir den Verkehrslärm, den 90 Prozent der Innsbrucker Bevölkerung laut einer Lärmstudie des Landes als starke Belastung empfinden. Und wir tun damit etwas für die Reduktion von klimaschädlichen Abgasen und damit für ein gutes Leben für die nächste Generation“, unterstreicht Schwarzl und ergänzt: „Aus diesem Grund lautet die Devise für unsere Mobilitätspolitik: Runter vom Tempo, runter mit den Abgasen, rein ins Öffi und rauf aufs Rad.“

Umstellung der IVB Flotte

„Das Ergebnis der Innsbrucker Studie zur Luftqualität im Lockdown bestärkt uns einmal mehr in unserer Forderung, die dieselbetriebene IVB-Flotte möglichst rasch auf E-Busse und wasserstoffgetriebene Fahrzeuge umzustellen. Ein Pilotprojekt oder ein Testbetrieb für Busse mit alternativen Antriebsformen ist in Innsbruck längst überfällig“, erklärt ÖVP-Stadtparteiobmann  Christoph Appler. Für diese notwendige Umstellung ortet er aber nur wenig Engagement von den politisch Verantwortlichen: "Zur Erinnerung: Als im Sommer 2019 von den Grünen der Klimanotstand in Innsbruck ausgerufen wurde, hat die ÖVP unter dem Motto „nicht Schlagworte, sondern neue Strategien braucht es“ eine nachhaltige und zukunftsweisende Flottenstrategie für die IVB eingefordert."

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