Mentlvilla
Anrainer haben keine Hoffnung mehr

In der Mentlvilla ist nicht nur das Kommunikationszentrum für Drogenabhängige (Komfüdro) zu finden, sondern auch die Notschlafstelle der Caritas. Mit letzterem haben die AnrainerInnen in Wilten kein Problem. Im Bild: Die Station zum Spritzentausch.
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  • In der Mentlvilla ist nicht nur das Kommunikationszentrum für Drogenabhängige (Komfüdro) zu finden, sondern auch die Notschlafstelle der Caritas. Mit letzterem haben die AnrainerInnen in Wilten kein Problem. Im Bild: Die Station zum Spritzentausch.
  • hochgeladen von Agnes Czingulszki (acz)

Drogensüchtige Menschen treffen auf AnrainerInnen: Die Mentlvilla ist ein Hafen und eine Bedrohung zugleich.

INNSBRUCK. Eine Dame in Schürze kocht Tee, Frauen und Männer sitzen an Tischen und führen ein Gespräch, Pflanzen zieren den Aufenthaltsraum und angenehme Latinomusik klingt aus den Lautsprechern. Wer ins Komfüdro – dem Kommunikationszentrum für Drogenabhängige – eintritt würde niemals meinen, dass dieses Haus – die Mentlvilla – stets negative Schlagzeilen macht.
Das einzig Außergewöhnliche hier ist ein Tresen, in dem Spritzen in Verpackungen gestapelt sind – eine Dienstleistung der betreibenden Caritas, um den Drogenabhängigen zumindest den Zugang zu sauberen Utensilien zu ermöglichen.

"Caritas: Wir sparen dem Gesundheitssystem 9 Mio. Euro"

Jürgen Gschnell ist Bereichsleiter für "Rat und Hilfe" in der Caritas und meint: "Wir sparen dem österreichischen Gesundheitssystem mit dem Spritzenumtausch um die 9 Mio. Euro." Denn Drogenabhängige sind zumeist gesundheitlich in einem "erbärmlichen Zustand", wie Caritas-Direktor Georg Schärmer weiß. Durch frische Spritzen können Infektionen wie Hepatitis oder Aids eingedämmt werden. Die KlientInnen kommen ins Komfüdro, kaufen sich um einen Unkostenbeitrag neue Spritzen und können diese kostenlos umtauschen. So werden die Spritzen einerseits fachgerecht entsorgt, andererseits bleiben die KlientInnen vor weiteren Krankheiten verschont. "Man darf sich die Mehrzahl unserer KlientInnen nicht, wie Junkies aus amerikanischen Filmen vorstellen. Es gibt auch ganz normale Personen, die von Landeck oder Reutte mit dem Auto herfahren, sich die Spritzen abholen und wieder gehen. Geschätzterweise nehmen 2.500 Personen diesen Service an", klärt Gschnell auf.

AnrainerInnen: "Das ist eine Zumutung"

Was für die einen ein sicherer Hafen ist, empfinden andere wiederum als echte Bedrohung. Die AnrainerInnen rundum der Mentlvilla – ein Gebiet zwischen Mentlgasse, Adamgasse, Karmelitergasse und Südbahnstraße – haben mit diesen Dienstleistungen der Caritas ein Problem. Zuletzt sorgte der Zwischenfall zwischen einem Anrainer und einem Klienten für Furore. Dabei verlor der Anrainer – der den anderen Mann aufforderte nicht am hellichten Tag auf offener Straße zu urinieren und im Gegenzug einen Schlag ins Gesicht erhielt – einen Zahn. Rechtsanwalt Martin Pancheri vertritt die AnrainerInnen. "Eine Hoffnung auf Verbesserung sehen sie nicht. Nur das Schließen des Komfüdros auf diesem Standort würde das Problem lösen." Ein Anrainer ist sogar schon nach Arzl gezogen. Immerfort kletterten Leute über seinen Zaun, um im Garten ihren Geschäften nachzugehen.
Gegen die Notschlafstelle – die sich in den oberen Stockwerken der Mentlvilla befindet und 16 Einzelmzimmer für obdachlose, drogenabhängige Menschen zur Verfügung stellt – haben die AnrainerInnen nichts. Das Problem bereiten jene, die in den Hauseingängen urinieren, schlafen, die BewohnerInnen anpöbeln oder sich die Nadel in nächster Nähe des Spielplatzes oder im Innenhof des Wohnblockes geben. Denn die Caritas stellt zwar die Spritzen zur Verfügung, aber das Konsumieren von Drogen ist im Komfüdro nicht erlaubt. 

Lösungsansätze für die Mentlvilla

Wenn es nach dem Caritas-Direktor ginge, würde das Komfüdro bald umziehen. Das Problem nur: Es gibt keinen passenden Standort. Ein Standort im Industriegebiet – in der einige Oppositionsparteien der Stadt das Komfüdro gesehen hätten – ist aus Sicht der Caritas unrealistisch: "Die Menschen werden es nicht annehmen", so Schärmer.
Auch, wenn die AnrainerInnen es nur als Tropfen auf den heißen Stein empfinden, wurde in den letzten Monaten einiges vorangetrieben, um eine Entzerrung zu gewährleisten. So entstand das Nikado – ein Ort, an dem Alkoholkranke sich aufhalten und alkoholische Getränke konsumieren dürfen. Auch der Spritzenautomat vor der Mentlvilla wird entfernt.
Und was, wenn das Komfüdro überhaupt gesperrt wird? "Das wäre verheerend. So würde sich das Problem noch mehr in private Häuser verlagern und man hätte überhaupt keinen Zugang mehr zu den Drogenkranken", so Schärmer. Er spricht sich für mehr soziale Einrichtungen – auch außerhalb Innsbrucks – aus. "Es gibt keinen Puffer, kein betreutes Wohnen für Drogenkranke, die nach einem Entzug ihr Leben auf die Reihe bringen müssen. Sie landen oft wieder in Innsbruck und somit im gleichen Milieu."

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