Zeitgeschichte
Der Saligen-Fräulein-Brunnen im Rapoldipark

Der Saligen-Fräulein-Brunnen im Rapoldipark. | Foto: Stadtblatt
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INNSBRUCK. Der Saligen-Fräulein-Brunnen im Rapoldipark in Innsbruck: Hans Plangger hat mit weißem Laaser Marmor eine Plastik mit drei Frauen und einem Kobold auf der Rückseite geschaffen. Ein Blick auf die Geschichte des Brunnens und seines Künstlers.

Denkmalschutz

Die Skulptur dreier Saliger Fräulein wurde 1944 von Hans Plangger im Auftrag der damaligen Gauhauptstadt Innsbruck für eine geplante Monumentalanlage am Rennweg entworfen, aber aufgrund der Kriegswirren erst 1953/54 fertiggestellt. 1958 wurde sie im Rapoldipark aufgestellt. Die überlebensgroßen Figuren wurden aus einem einzigen Marmorblock gemeißelt. Der Brunnen steht unter der Objektnummer 126816 unter Denkmalschutz. Aufgrund der Videoüberwachungssysteme im Rapoldipark zählt der Brunnen zu den best geschützten in Innsbruck.

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Der Künstler

1958  wurden die monumentalen „Saligen“ im Pradler Rapoldipark feierlich enthüllt. Helmuth Oehler vom Stadtarchiv/Stadtmuseum schreibt 2018 über den Künstler: "Der 1899 in Laas im Vinschgau geborene, 1971 in Bozen verstorbene Han(n)s Plangger, begann 1923 das Bildhauerstudium an der Wiener Akademie. Nach einem Romaufenthalt kehrte er 1933 nach Bozen zurück, arbeitete dort als freier Bildhauer. Ab 1937 war Plangger mit insgesamt sieben Werken auf fünf der „Großen Deutschen Kunstausstellungen“ (GDK) im „Haus der Deutschen Kunst“ in München vertreten. 1942 kaufte Dr. Robert Ley, Reichsorganisationsleiter der NSDAP, eine mit „Junger Bauer“ betitelte Figur um 16.000,-- RM direkt auf der „GDK“ an. Die „GDK“ in der damaligen „Hauptstadt der Deutschen Kunst“ war von größter Bedeutung für die nationalsozialistische Kunst- und Kulturpolitik. Denn auf ihr wurde das vom Regime erwünschte Kunstschaffen eindrücklich vor Augen geführt. Gleichzeitig war die „GDK“ die wichtigste Verkaufsplattform für die Kunst des Nationalsozialismus. Plangger beteiligte sich auch an allen fünf in Innsbruck zwischen 1940 und 1944 abgehaltenen „Gau-Kunstausstellungen Tirol-Vorarlberg“. Er zeigte dort insgesamt sechzehn Bildhauerarbeiten. Die „Gau-Kunstaustellungen“ waren wie die „GDK“ Präsentations- und Verkaufsausstellungen für offiziell anerkannte Kunst. Allein aus diesen Ausstellungsbeteiligungen kann geschlossen werden, dass die Kunst Planggers von den Nationalsozialisten geschätzt wurde, der Bildhauer im „Dritten Reich“ durchaus erfolgreich und anerkannt war – da er die vom Regime aufgestellten Forderungen bezüglich bildender Kunst erfüllte. 1942 wurde er deshalb auch auf der „Gau-Kunstausstellung Tirol-Vorarlberg“ mit dem ersten Preis für Bildhauerei ausgezeichnet." (Quelle: ibkinfo.at).

Brunnengeschichte

Im Beitrag "Skulptur im Nationalsozialismus in Tirol" schildert Oehler ausführlich die Geschichte der "Saligen". Drei sitzende, singende, junge Frauen schmücken den Brunnen im Rapoldipark im Innsbrucker Stadtteil Pradl. Diese als „Salige“ betitelte Figurengruppe aus weißem Marmor steht in enger Beziehung zur Ideologie und zum Rassenideal bzw. Frauenbild des Nationalsozialismus. 1944 von Hans Plangger im Auftrag der Gauhauptstadt Innsbruck für eine Monumentalanlage am Rennweg entworfen, unterblieb zunächst ihre Ausführung aufgrund des Kriegsendes. 1952 regte jedoch die Innsbrucker Stadtverwaltung die „rasche Fertigstellung der Skulptur“ an, was 1953/1954 in Laas auch geschah. Die überlebensgroßen Figuren (Höhe ca 220 cm) wurden aus einem Marmorblock gemeißelt.

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GR Sitzung: 1952 Wohnungsproblematik vs. Brunnen
Zuvor war bei der Sitzung des Innsbrucker Gemeinderates am 16. Oktober 1952 das beachtliche Honorar für Plangger – 350.000 Schilling – diskutiert worden, weil – wie Gemeinderat Pfötscher argumentierte – „die Stadt anderen Sorgen, wie z. B. der Wohnungsfrage usw., gegenübersteht“. Auch fragte Gemeinderat Pfötscher nach, „ob die Stadt unbedingt an die von Prof. Plangger vorgesehene Ausführung gebunden sei“. Darauf antwortete Bürgermeister Dr. Greiter, dass „die Modelle […] seinerzeit sicherlich gezeigt worden“ seien, „ohne dass man widersprochen hat“. Es herrschte anscheinend Unklarheit über das ursprüngliche Projekt von 1944, denn Gemeinderat Dr. Kiechl wollte wissen, „ob zwischen den ‚Saligerfräulein‘ und dem ‚Mädchen mit Storch‘ ein Zusammenhang besteht“. Bürgermeister Dr. Greiter verneinte und fügte hinzu, „dass die beiden Werke getrennt aufgestellt werden. Hier lässt er abstimmen. Der Antrag des Stadtrates wird mit
Mehrheit angenommen.“ Am 13. Februar 1953 wurde im Innsbrucker Gemeinderat „festgestellt“, dass in „der Erwerbung von Kunstgegenständen […] die Stadt seit 1945 sehr sparsam gewesen“ ist. „Dass für 1953 (nur) ein Betrag von 160.000,– S vorgesehen ist, geht auf die Erwerbung der ‚Saligen Fräulein‘ und des ‚Mädchens mit dem Storch‘ zurück. […]. Es handelt sich um die Erfüllung früher eingegangener Verpflichtungen, und es ist zu hoffen, dass sich solche Fälle nicht wiederholen.“

Suche nach dem Aufstellungsort
Lange wurde in Innsbruck nach einem geeigneten Aufstellungsort für die „Saligen“ gesucht. Dazu ist folgende im Gemeinderat am 13. Februar 1953 – also knapp acht Jahre nach dem Ende des „Dritten Reichs“ geäußerte – Ansicht interessant, weil sie nicht nur die Sprache der damaligen Zeit wiedergibt, sondern auch erkennen lässt, welche Funktion der Gemeinderat Kunst im öffentlichen Raum zuordnete: „Wesentlich ist es, wo die erworbenen Kunstgegenstände aufgestellt werden. Es ist nicht ausschlaggebend, irgendwo ein großes überragendes Kunstwerk hinzustellen. Es genügt, an verschiedenen Stellen der Stadt kleine Kunstwerke anzubringen, die durch ihren Anblick die Menschen aus ihrem tristen Alltag heben. Die Kunst muss in das Volk getragen werden, auch wenn weit und breit von einem Regierungsgebäude nichts zu sehen ist. […] Dadurch kommt Kunst ins Volk.“ 1958 wurden schlussendlich die „Saligen“ im Pradler Rapoldipark feierlich enthüllt – genau zwanzig Jahre nach dem „Anschluss“ Österreichs an das „Großdeutsche Reich“. Dazu musste allerdings eine andere, ebenfalls mit dem Nationalsozialismus verbundene Figur, das dort bisher positionierte „Aschenbuttel“ von Albin Lanner – sie war Teil der „Gau-Kunstausstellung“ 1944 gewesen – weichen.

Die Gestaltung
Bei den „Saligen“ wie auch bei anderen Bildwerken Planggers lässt sich eine Neigung zu monumentalen Gestaltungen und glatten Oberflächen feststellen. Das nicht zu übersehende „Heroische und Heldische“ der Schöpfungen Planggers wurde (noch) 1963 als nie „starr und streng“, sondern immer „gelöst und menschlich“ gepriesen, Geschlossenheit, Klarheit und „beherrschter Ernst“ ihnen zugeschrieben: „Ich will […] nicht im äußerten Sinn modern sein – ich will und muss in meinen Arbeiten, besonders den Denkmälern, zeitlos sein“, bekannte er 1953. Expressives oder gar Abstrahierendes blieb Plangger fremd, dessen Leben und Werk bisher nicht kritisch-wissenschaftlich untersucht wurde. Zurück zu den „Saligen“ in Pradl. Auffallend sind ihre stereogeometrisierten (spitzkegeligen), äußerst straffen (beinahe „wehrhaften“) Brüste. Alle drei Körper sind gleichförmig angelegt. Mimik und Haltung betonen die Hingabe in den Gesang (bzw. in die vom Nationalsozialismus der Frau zugeordneten Aufgaben). Durch ihre Monumentalisierung nimmt der Betrachter die weiblichen Figuren immer in Untersicht wahr, was zu einer zusätzlichen Überhöhung führt. Frappierend sind auch die formalen, stilistischen und konzeptionellen Ähnlichkeiten der Protagonistinnen mit jenen weiblichen Akten des Triptychons „Die vier Elemente“ (vor 1937) von Adolf Ziegler, eines zentralen Programmbilds des Nationalsozialismus, das von Hitler persönlich erworben wurde. Gleichzeitig wollen die „Saligen“ in die Welt der Tiroler Sage entführen und berichten „von Bergfeen, die hoch oben in den Bergen […] singen, und solange sie singen, rauschen die frischen Bergwasser, […], und ihr Leben strömt in die Almen ein, in den Wald und in die Aecker, Futter und Vieh gedeiht […]. Das Singen der Saligen also ist Leben und bedeutet Leben.“ Dazu muss bedacht werden, dass 1944 geplant war, die „Saligen“ im Zentrum einer monumentalen Anlage am Rennweg aufzustellen, wo die von Männern dominierten nationalsozialistischen Aufmärsche stattfanden. Und so sollten sie visualisieren, für wen und wofür die Männer kämpfen sollten.

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Rollenklischee
Nur harmlose Frauen-Gestalten, „wohlwollende Quellennymphen“ (1958)? Keinesfalls, wenn man bedenkt, dass in der Zeit ihres Entwurfs – der überraschenderweise unverändert 1953/1954 ausgeführt werden konnte – wenn auch zumindest ein Innsbrucker Gemeinderat Bedenken angemeldet hatte (siehe oben) – das Hauptthema der nationalsozialistischen Kunst das von der rassistischen Ideologie bestimmte Menschenbild war. Weibliche Aktdarstellungen spielten dabei eine wichtige Rolle – ihre idealen, makellosen, reinen und „arischen“ Körper drückten Hingabe und Passivität aus, illustrierten nationalsozialistische Propaganda und Rollenklischees: Die Frau hatte Mutter zu sein, als „Lebensquell“ zu fungieren – die im Fall der „Saligen“ geschickt mit dem Bild des lebensspendenden „Bergwassers“ verbunden wurde. Formal forderte der Nationalsozialismus eine „volksnahe“ naturalistische Gegenständlichkeit, die auch hier zu beobachten ist.

Mädchen mit Storch
Das im Auftrag der Gau-Hauptstadt Innsbruck von Hans Plangger geschaffene Gipsmodell zum „Mädchen mit Storch“ war 1943 Teil der vierten „Gau-Kunstausstellung“ Tirol-Vorarlberg gewesen. Ein Jahr später zeigte er auf der „Gau-Kunstausstellung“ die bereits in Laaser Marmor ausgeführte Skulptur: „Die reizvolle Brunnenfigur“ lasse „einen zarten Mädchenleib“101 erkennen, meinte im Juli 1944 Karl Paulin. Das „Mädchen mit Storch“ war von Plangger im städtischen Auftrag als „Teilfigur eines Brunnens“ geschaffen worden. Jedoch erst 1957 wurde die „formschöne Skulptur in strahlend weißem Marmor“ am Kaiserschützenplatz im Innsbrucker Stadtteil Wilten öffentlich aufgestellt. Im Frühsommer 2018 musste das einstige „Gau-Kunstausstellungs“-Exponat einem den Kaiserschützen gewidmeten Denkmal Platz machen und ist gegenwärtig „eingelagert“.

Weitere Beiträge aus der Reihe Zeitgeschichte finden Sie auf meinbezirk.at/innsbruck

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