Willkür bei Tempo-30?
"Fast 80 % der Gemeinderäte wohnen verkehrsberuhigt"

Eine Einführung von Tempo 30 soll durch eine STVO-Novelle erleichtert werden. | Foto: BezirksBlätter
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  • Eine Einführung von Tempo 30 soll durch eine STVO-Novelle erleichtert werden.
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Tempo 30 entwickelt sich zu einem Wahlkampfthema. Angeregt durch die in Diskussion befindliche StVO-Novelle gibt es zahlreiche Stellungnahmen aus der Stadtpolitik. Die Interessengemeinschaft Altpradl fordert einheitliche und gerechte Kriterien bei Tempolimits. "Fast 80 % der aktuellen Gemeinderäte wohnen selbst verkehrsberuhigt", lautet die Bialnz einer Erhebung der IG Altpradl.

INNSBRUCK. Der Antrag des Ausschusses für Umwelt, Energie und Mobilität Einführung einer Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h in der Sillgasse wurde angenommen. Laut Gutachten wird ein 30er, vor allem wegen des punktuell nur ein Meter breiten Gehsteigs im Westen der Sillgasse empfohlen. Dieser Beschluss ist in der Gemeinderatssitzung im Jänner 2024 gefallen. Die erste politische Erfolgsmeldung zur Temporeduktion gab es vor 35 Jahren. "Es ist vollbracht" titelten die Innsbrucker Stadtnachrichten im Jahr 1989. Am 20. September 1989 wurden an der Zufahrtsstraße zur Lohbachsieldung die "Tempo-30-Zone"-Schilder angebracht. Der damalige Verkehrsstadtrat Harald Hummel übernahm mit Baudirektor Otto Müller und Straßen- und Verkehrsamt Vorstand Martin Jäger die symbolische Montage. Der Gemeinderat ist erst seit Inkrafttreten (01.10.1994) der 19. StVO-Novelle für die Erlassung von Verordnungen von Geschwindigkeitsbeschränkungen zuständig, davor wurden die Zonen durch eine Kundmachung der Bezirksverwaltungsbehörde verordnet. Die Bilanz der Tempo-30-Verordnungen in Innsbruck bis 2018: Bgm. Romuald Niescher neun Zonen, Bgm. Herwig van Staa vier Zone, Bgm. Hilde Zach zehn Zonen, Bgm. und Christine Oppitz-Plörer vier Zonen.

Wahlkampfthema für die Gemeinderatswahl am 14.4.: Tempo 30. | Foto: Stadt Innsbruck
  • Wahlkampfthema für die Gemeinderatswahl am 14.4.: Tempo 30.
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Die Tempo-30-Zonen

Vögelebichl: 20.09.1989 (Bgm. Niescher)
Klosterangerstraße: 04.10.1989
Mentlbergstraße: 17.10.1989
Ampfererstraße: 24.11.1989
Karwendelstraße: 30.05.1990
Frauenanger: 30.05.1990
Hohlweg: 11.03.1991
Dr.-Glatz-Straße: 06.11.1991
Beethovenstraße: 01.06.1992

Anzengruberstraße: 18.05.1994 (Bgm. van Staa)
Kranewitterstraße: 19.05.1994
Neuhauserstraße: 25.01.2001
Anichstraße: 18.07.2002

Tummelplatzweg: 27.2.2003 (Bgm. Zach)
Uferstraße: 27.02.2003
Lönsstraße: 27.02.2003
Franz-Fischer-Straße: 24.07.2003
Amthorstraße: 22.10.2003
Grillparzerstraße: 22.10.2003
Bachgasse: 22.10.2003
Alois-Schrott-Straße: 22.10.2003
Magtstraße: 19.10.2006
Sadrachstraße: 27.03.2008

Sieglanger: 15.07.2010 (Bgm. Oppitz-Plörer)
Michael-Gaismair-Straße: 15.12.2011
Oswald-Redlich-Straße: 12.07.2012
Ursulinenweg: 22.03.2018  

Seitdem wurden keine Tempo-30-Zonen mehr verordnet, jedoch Geschwindigkeitsbeschränkungen auf 30 km/h in folgenden Straßen:
Sillgasse
Mitterweg
Herzog-Siegmund-Ufer
Anzengruberstraße West
Speckweg
Ing.-Etzel-Straße (beim neuen Park)
Speckbachsterstraße
Exerzierweg
Tschamlerstraße
Müllerstraße
Matthias-Schmid-Straße
Schlachthofgasse
Auf einem Teil der Höhenstraße
Siebererstraße (hier wurde mittlerweile der Cool-Inn Park gebaut) 

Das Dossier der BezirksBlätter Innsbruck zum Thema Tempo 30

StVO-Novelle

Gemeinden und Städte sollen künftig einfacher Temporeduktionen umsetzen – und überwachen. Das wurde in der Straßenverkehrsordnungsnovelle des Klimaschutzministeriums verankert, die in Begutachtung ging. Bgm. Georg Willi nennt als Beispiel das im Gemeinderat beschlossene Tempo 30 in der Sillgasse. Hier wurde eine gutachterliche Stellungnahme durchgeführt, die in Zukunft nicht mehr nötig wäre. Die Novelle der Straßenverkehrsordnung soll folgende Erleichterung bringen:

Künftig kann die jeweils zuständige Straßenbehörde in Ortsgebieten in Bereichen mit besonderem Schutzbedürfnis wie vor Schulen, Kindergärten, Freizeiteinrichtungen oder Spielplätzen, Krankenhäusern oder Seniorenheimen vereinfacht die erlaubte Höchstgeschwindigkeit verringern. Einzige Voraussetzung: Die Maßnahme muss zur Erhöhung der Verkehrssicherheit insbesondere von Fußgängerinnen und Fußgängern oder Radfahrenden geeignet sein.

Bisher musste die Erforderlichkeit gutachterlich nachgewiesen werden. Die StVO-Novelle ging nun in Begutachtung, die Öffentlichkeit kann sechs Wochen Stellungnahmen zum Entwurf abgeben. Mit dieser Novelle soll auch eine Ausnahme vom Halte- und Parkverbot für Rettungsfahrzeuge einhergehen. Bisher durften Rettungsfahrzeuge nur bei Einsatzfahrten mit Blaulicht im Halte- bzw. Parkverbot stehen. Da dies besonders bei Krankentransporten immer wieder eine große Herausforderung darstellt, soll die Novelle hier Erleichterung bringen. Das Inkrafttreten ist für Sommer 2024 geplant. „Dass der 30er leichter in Städten und Gemeinden verordnet werden kann, ist gut. Schade ist, dass man auf eine leichtere Umsetzung von Schulstraßen offensichtlich vergessen hat. Die bisherigen Anläufe für Schulstraßen, die von Elternvereinen und Schulen gestartet wurden, sind großteils an den vorgeschriebenen komplizierten Behördenverfahren gescheitert, obwohl sie auf eine breite Akzeptanz stoßen“, erklärt StR Elli Mayr.

Faktenbox Schulstraße
Eine Schulstraße ist ein zeitlich befristetes (Unterrichtsbeginn bzw. zum Teil auch Unterrichtsende) Fahrverbot auf einer Straße oder einem Straßenabschnitt im Umfeld einer Bildungseinrichtung. Anrainerinnen und Anrainern ist das Zu- und Abfahren in Schrittgeschwindigkeit erlaubt, Radfahren ist in Schrittgeschwindigkeit gestattet und Fußgängerinnen und Fußgänger dürfen auch die Fahrbahn benützen. Außerdem ist eine mechanische Absperrung (z. B. durch Scherengitter) während der Verordnungszeiten zulässig, um die illegale Befahrung zu verhindern.   

Einheitliche Regelung

Die Interessensgemeinschaft Altpradl (IG Altpradl) erinnert angesichts der geplanten Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO), an die derzeitige Praxis in Innsbruck. „Die Ablehnung eines einheitlichen Tempolimits in der Schöpf- oder Dreiheiligenstraße, während dieses in der Sillgasse eingeführt wird, ist exemplarisch für die diesbezügliche Willkür in Innsbruck“, so die Kritik von Norman Schadler, IG Altpradl. Die Umsetzung des im April 2022 beschlossenen Gemeinderatsantrags zur Einführung von Tempo 30 km/h als bevorzugte Geschwindigkeit mit Ausnahme von Durchzugsstraßen, welche nach einheitlichen Kriterien festgelegt werden sollen, ist im derzeitigen Innsbrucker Gemeinderat gescheitert. „Sieht man sich den Fleckerlteppich von Straßen mit oder ohne Tempolimit in Innsbruck an, ist für jedermann ersichtlich, dass sachliche Gründe nur eine untergeordnete Rolle bei der Einführung von Tempolimits gespielt haben können,“ so Schadler.

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Verkehrsberuhigtes Wohnen

IG Altpradl hat dies zum Anlass genommen und sich die Wohnsituation der derzeitigen Gemeinderäte angesehen und dabei die im Jahr 2018 bei der letzten Gemeinderatswahl veröffentlichen Adressen herangezogen. "Natürlich können sich die Adressen seitdem geändert haben, diese Unschärfe können wir nicht bestimmen, aber im Großen und Ganzen dürften die Daten wohl weiter aktuell sein. Dabei kommt heraus, dass 60 Prozent der Gemeinderäte in einer Straße mit Tempolimit wohnen. Zählt man auch noch jene hinzu, an deren Adressen es eine Sackgasse, ein Fahrverbot oder eine Einbahnregelung gibt, dann wohnen fast 80 Prozent der Gemeinderäte an einer verkehrsberuhigten Straße. Wir verzichten bewusst auf eine detailliertere Information. Wir erlauben uns aber kritisch eine gewisse Doppelmoral anzumerken, insbesondere von jenen Gemeinderäten und Parteien, welche in der laufenden Periode federführend gegen Tempolimits eingetreten sind,“ so Schadler.

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