Interview mit Markus Koschuh
"Je schlechter die Zeiten, desto besser fürs Kabarett"

Das neue Programm von Kabarettisten Markus Koschuh heißt "Oben ohne" und startet am 17. September im Haus VierUndEinzig.
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  • Das neue Programm von Kabarettisten Markus Koschuh heißt "Oben ohne" und startet am 17. September im Haus VierUndEinzig.
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Tirols produktivster Kabarettist, Markus Koschuh, im Gespräch über gute Politiker, schlechtes Krisenmanagement, Geldnot und Rennpferde. Sein neues Programm – Oben ohne – wird am 17. September im Haus Vier Und Einzig in der Haller Straße Premiere feiern. 

STADTBLATT: Gibt es Politiker, die sie gut finden?
Markus Koschuh:
Ja. Ich finde es faszinierend, wie Angela Merkel in gewissen Situationen Sachen transportieren kann und das in aller Ruhe. Gute Politiker gibt es ganz viel in Gemeinderäten, die einfach ihr Grätzel und ihre Gemeinde kennen und echt gute Arbeit machen. Je weiter man nach oben kommt, desto schlechter wird das Politpersonal. Ein guter Politiker, der mir aktuell am besten in der Politik gefällt, ist der Rudi Anschober.

Warum?
Weil er es in einer Unaufgeregtheit schafft Sachverhalte zu transportieren. Und der antwortet auf Fragen! Das ist eine Seltenheit in Zeiten wie diesen. Ich kann mich an kein Interview von Kurz und anderen erinnern, die auf Fragen eingehen. Die horchen ja gar nicht hin, die wollen nur Botschaften loswerden und das finde ich einfach letztklassig. Frage-Antwort bitte. Das kann man sich ja erwarten als Bürger und Bürgerin, dass man Politikern eine Frage stellt und eine Antwort erhält.

Sie kritisieren die Politik viel, würden sie selbst in die Politik gehen und könnten sie es besser machen?
Ich sag nicht, dass ich es besser mache. Aber man sieht – wenn man einen Blick fürs Gesamte hat –, dass ganz viel nicht so läuft, wie es laufen könnte. Die Politik ist ja nicht für die normalen Zeiten gewählt. Um ein Land zu verwalten braucht es nur die Beamtenschaft. Politik ist dafür gewählt, dann zu agieren, wenn es eine Krisensituation gibt. In Tirol haben wir gesehen, dass wir nicht das Politpersonal haben, das mit Krisen gut umgehen kann. Was wir in den letzten Monate an Böcken geschossen haben! Alleine die Ausreise aus einer Quarantäne im Paznauntal... Also eine Quarantäne ist eine Quarantäne ist eine Quarantäne… Dass man da Leute auf Eigenverantwortung ausreisen lässt, das war einfach strunzdumm. Entschuldigung, das muss ich so sagen. Kopfschütteln in ganz Europa.

In Innsbruck wird das neue Programm an sieben Terminen gespielt.

Bauen sie ihr neues Kabarettprogramm darauf auf?
Oben ohne ist so zu verstehen als hirnlos. Oben ohne geht auf der einen Seite auf die politische Ebene, was in meinen Augen – und da kann ich mich irren – falsch gelaufen ist und noch immer falsch läuft. Aber auch, wie die einzelnen Leute in den letzten Monaten getickt haben. Da hat sich ja ganz viel gezeigt, wie die Leute wirklich sind. Von wegen Anzeigen, Nachbar gegen Nachbar, weil man zu oft Gassi geht oder zu oft an der frischen Luft ist. Ja, darf er das? Oder mir sind Zuschriften ans Land zugespielt worden, in dem die Leute dem Land wegen der Quarantäne drohen, weil sie nicht mehr in die Ferienwohnung kommen. Das werde ich alles schön verpackt in meinem neuen Programm präsentieren.Diese Krise hat gezeigt, wo es in der Politik hakt, aber auch in der Gesellschaft. Und ich finde, jetzt ist es Zeit, kurz durchzuschnaufen, um darüber auch lachen zu können. Weil es steht noch viel traurige Zeit vor uns, aber jetzt gerade gehört dieses verdammte Virus ausgelacht.

Mit welchen Themen sollte man sich in der Stadt Innsbruck ihrer Meinung nach beschäftigen? Gesellschaftlich und politisch?
Das kulturelle Leben. Die Menschen dürsten danach sich irgendwie entspannt einem Konzert hingeben zu können, die jungen Leute wollen, dass die Nachtlokale wieder geöffnet haben und da muss man diesen ganzen Clubbetreibern auch massiv zur Seite springen. Das wird nämlich noch länger nicht funktionieren. Da lauft viel an, aber gerade in Bereichen Kultur, Nachtleben, da kann die Stadt sehr viel lokal tun. Es gibt schon diverse Fördertöpfe, aber man hört auch, wenn das länger so geht, dann wird es die Clubszene einfach in drei Monaten nicht mehr geben. Eine Stadt wie Innsbruck ist klein genug, um schnell reagieren zu können. Man kann nur hoffen, dass die Politik in Innsbruck nicht schläft. Momentan scheint sie mit anderen Problemen beschäftigt zu sein.

Zum Beispiel?
Mit der Bestellung des Magistratsdirektors, der Paragraphenreitereien. Dafür haben die Leute kein Verständnis, auch, wenn das rechtlich nicht okay war, es gibt andere, dringendere Probleme. Die Leute können ihre Miete nicht mehr zahlen, das haben sie davor auch schon nicht mehr können – jetzt musst du den Leuten Angebote machen. Dieses Polit-Hick-Hack, das gerade läuft, ist einfach lachhaft.

Koschuh verspricht einen Blick "aufs Ganze"

Ihre Kritiker sind der Meinung, dass ihr Kabarett nicht sozialkritisch ist, sondern nur untergriffig. Ist da was dran?
Meine Kritiker werden sich wundern, wie sozialkritisch dieses neue Programm ist.

Was versprechen sie denn in ihrem neuen Programm?

Einen Blick auf die Gesellschaft, wie sie tickt. Das ist eine Milieustudie, die sich gewaschen hat. Es wird unfassbar komisch werden und vielleicht wird sich im Publikum auch mal jemand in einer Rolle wiederfinden. Kabarett hat meiner Ansicht nach zwei Funktionen. Sozialkritik und die Kritik am System. Ich kann mich nicht wirklich daran erinnern, je in meinen Programmen untergriffig gewesen zu sein. Ich zahl' mit gleicher Münze zurück, das schon. Aber untergriffig... Wenn überhaupt, dann mal bei einem Politiker. Ein Josef Geisler mit seinen Aussagen – da fahr ich dann auch scharf rein. Ich kritisiere den Politiker in seinen Aussagen. Ich finde es schäbig, dass es nach seinen Aussagen null Konsequenzen gegeben hat und auch die Grünen dazu einfach kuschen, das finde ich ganz peinlich von denen.

Wer sind die Hauptprotagonisten im neuen Programm?
So viel will ich nicht verraten, aber man kann sich schon mal auf ein breites Spektrum an Figuren einstellen, das eben vom politischen Menschen bis zum Verschwörungstheoretiker hinreicht und ich glaube durch diesen Querschnitt kann man recht viel an Figuren abdecken, die in den letzten Monaten präsent waren. Durchaus möglich, dass auch ein Gesundheitslandesrat vorkommt.

Kommt es schon vor, dass auch sie von den Politikern kritisiert werden? Und wie geht man damit um, wenn man sich Angesicht zu Angesicht trifft?
Die sind streichelweich zu mir. Lustigerweise haben die Angst vor mir. Ich denke mir, interessant. Vor was haben sie denn Angst? Dass man ihnen die Wahrheiten um die Ohren pfeffert? Also dann sind sie fehl am Platz.

Erinnern sie sich an konkrete Situationen?
Immer wieder. Es war einmal eine Veranstaltung der Krankenkasse, wo auch LR Tilg ein Redner war. Er war extrem unruhig und hat in seinem Eingangsstatement gesagt, er sei jetzt hochnervös gewesen, weil, 'wenn der Markus Koschuh redet, weiß man nicht, ob man hier oder da noch zum Handkuss kommt'. Ich denke mir, wenn der Politiker vor dem Kabarettisten einen Bammel hat, dann macht der Kabarettist nicht alles falsch.

Wie lange kann man noch politisches Kabarett machen und ist nicht irgendwann schon alles gesagt?
Der Volker Pispers – deutscher Kabarettkolleg –, hat gemeint, dass ihm einmal die Woche gesagt wird: 'Ah, aktuell sind aber schon besondere Zeiten für Kabarett, ne?' Das hört er seit 30 Jahren. Die schlechten Zeiten für Kabarett, die wird es nie geben. Ich denke mir, je schlechter die Zeiten, desto besser die Zeiten für Kabarett, weil die Leute auch über Krisen und schlechte Zeiten lachen können wollen. Ich glaube auch, Kabarett ist ein Ventil, um schlechte Zeiten erträglicher zu machen.

Wovon leben sie jetzt, wenn es keine Vorführungen gibt?
Ich habe jetzt einen Filmdreh gehabt und auch ich habe beim Härtefallfonds angesucht, weil mir seit fünf Monaten die Einnahmen komplett weggebrochen sind, aber jetzt läuft es wieder an.

Was für ein Filmdreh?
Für Dave. Das ist eine Serie, die ab Oktober in der ORF-Nacht nach Willkommen Österreich ausgestrahlt wird. In zwei Folgen bin ich dabei. Dann habe ich ein Drehbuch geschrieben für einen Online-Spot für eine große, österreichische NGO. Ich bin zum Glück breit aufgestellt, aber noch einmal ein halbes Jahr ohne Auftritt, das macht mich endgültig depressiv.

Geht ihnen die Krise vor allem auf die Psyche und nicht die Geldbörse?
Es geht massiv auf die Geldbörse, aber auch auf die Psyche ist es mir gegangen – darüber brauch ich nicht herumdrucken. Die ersten zwei Wochen war es schön ein bisschen Zeit zu haben, aber dann hinterfragst du schon: Kann das bitte wieder losgehen? Man macht es ja gern, was man macht und dann kann man es nicht mehr machen und ich habe mich dann schon ein bissl so gefühlt, wie ein Künstler, der in autoritären Staaten mit Auftrittsverbot belegt ist. Du möchtest, aber du darfst nicht und das macht was mit dir. Und da ist auch schon Depression mit dabei. Es ist, wie ein Rennpferd, das nicht raus darf, aber in den Startlöchern harrt, die Tore aber zubleiben. Das ist halt hart.

Was wünschen sie sich für die Zukunft?
Ich wünsche mir für die Zukunft, dass wir einen Umgang finden, um mit immer wieder aufkommenden Viren umzugehen. Um dieses Corona irgendwie im Zaum zu halten, dass die Leute vernünftig bleiben. Ich glaube, wenn man solidarisch bleibt, kann man das irgendwie überbrücken, bis es irgendeine Möglichkeit gibt, dem Herr zu werden – mit einer Impfung oder wie auch immer. Eigentlich braucht es jetzt eine Solidaritätsoffensive, es braucht keine Maskenverweigerer, sondern es braucht Leute, die sagen, okay, ich mach das nicht gern, aber, wenn es die anderen tun, mach' ich halt auch die Maske auf und halte Abstand. Und Mindestabstand und Mindestanstand sind ja Brüder aus dem gleichen Hause und die gehören zusammen und, wenn man da ein bissl zusammenhaltet werden wir das schön hinkriegen.

Helfen solche Aktionen, wie das Lied des Landes Tirol "Tirol haltet zamm"?
Nein. Ich habe es kühn gefunden, die Krise für beendet zu erklären mit diesem Brief, weil wir sind mittendrin und ich glaube, es wird noch ganz dick kommen. Man muss eh schon aufpassen im Bekanntenkreis, dass sich bei jenen, denen es schlecht geht, nicht noch Dramen abspielen. Wir sind alle gefordert Augen und Ohren offen zu halten. Und dieses Danke…? Ich gönn es den Musikern und Musikerinnen, dass sie ein Gemeinschaftsgefühl gehabt haben, aber ich hätte bei sowas nicht mitgemacht. Für was soll ich mich bedanken? Fürs zu spät schließen von Skigebieten, für einen GH-Landesrat, der uns lächerlich gemacht hat, für einen Landessanitätsdirektor, der offenbar null Ahnung hat von Virologie...? Da kann ich mich nicht bedanken. Ich habe mich auf meine Art bedankt, zu sehen im Journal im Bild.

Wie ist es möglich politisch das Solidaritätsgefühl zu stärken?
Gar nicht. Das muss von den Leuten selber kommen. Die Politik kann das nicht verordnen, sie kann es vorleben, aber eigentlich müssen das die Leute selber checken. Man unterschätzt oft die normalen Leute. Wenn die Politik eine Vorbildwirkung hat, dann sollte sie es in Zeiten wie diesen zeigen. Sie sollen solidarisch sein, sollen sich im Landtag alle gemeinsam auf ein Paktl hauen und nicht immer diese Politshow spielen...

Aber dann haben sie ja keine Arbeit mehr…
Ich höre genau hin und höre die Nuancen auch dann heraus.

Danke für das Gespräch.
Tickets gibt es ausschließlich auf www.kki.at

Das neue Programm von Kabarettisten Markus Koschuh heißt "Oben ohne" und startet am 17. September im Haus VierUndEinzig.
Koschuh verspricht einen Blick "aufs Ganze"
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