Lawinen-Aufräumarbeiteb
Nachwehen des letzten Winters sind noch immer spürbar

Über 200 Jahre verbrachte die Weißtanne an ihrem Standort auf der Nordkette bevor sie die Staublawine im Jänner 2019 über 400 Meter talabwärts katapultierte. | Foto: IKM/Lercher
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  • Über 200 Jahre verbrachte die Weißtanne an ihrem Standort auf der Nordkette bevor sie die Staublawine im Jänner 2019 über 400 Meter talabwärts katapultierte.
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Bis Ende November noch werden die Aufräumarbeiten auf der Nordkette dauern.

INNSBRUCK. Der Wald auf der Nordkette zählt zu den beliebtesten Naherholungsgebieten der InnsbruckerInnen. Seine Funktion gilt aber primär dem Schutz der Bevölkerung vor Naturkatastrophen. Der Jahrhundertwinter 2019 hinterließ immensen Schaden im Naturraum, der noch Jahrzehnte zu spüren sein wird. Die Aufräumarbeiten, koordiniert vom städtischen Forstamt, können mit Ende November fürs erste abgeschlossen werden. Vizebürgermeister Franz X. Gruber bedankt sich bei allen Beteiligten für ihren Einsatz: „Was die Arbeiterinnen und Arbeiter in den letzten Monaten auf der Nordkette gestemmt haben, ist beachtlich. Besonders bedanken möchte ich mich auch bei den Waldbesitzerinnen und –besitzer für die perfekte Zusammenarbeit. Dieser gemeinsame Einsatz kommt direkt den Innsbruckerinnen und Innsbruckern zu Gute sowie den Naherholungssuchenden auf der Nordkette. Ein herzliches Dankeschön dafür im Namen der Stadt Innsbruck!“

Dramatische Szenen

Anfang Jänner 2019 riss auf der Nordkette eine Staublawine mit schätzungsweise 230 Kilometern pro Stunde alles mit sich, was sich ihr in den Weg stellte. Oberhalb der Arzler Alm teilte sich die Naturgewalt in vier Arme und walzte zu Tal. Das Schauspiel dürfte nur wenige Minuten gedauert haben, richtete aber einen Schaden gigantischen Ausmaßes an, das sich vom Tal aus nur erahnen ließ. Ungläubigkeit und Bestürzung herrschte unter den Mitarbeitern des städtischen Forstamtes als sie sich das erste Mal Anfang März ihren Weg durch die Schneemassen auf der Nordkette bahnten. Die ersten Eindrücke sind Waldaufseher Wolfgang Huber noch gut in Erinnerung: „Seit 40 Jahren ist der Wald auf der Nordkette mein Arbeitsgebiet, den ich eigentlich wie meine Westentasche kenne. Doch durch die zehn bis 15 Meter hohen Schneemassen waren wir orientierungslos – ein beklemmendes Gefühl.“
Welche Kräfte mit der Lawine auf den Wald wirkten, zeigt sich auch an der rund 200 Jahre alten, fast 40 Meter hohen Weißtanne, die wie ein Stück Streichholz über 400 Meter talabwärts katapultiert wurde.

Bis zu 15 Meter hoch (rote Markierung) lag der Schnee am Ende der vier Lawinenausläufer auf der Nordkette. | Foto: IKM/Lercher
  • Bis zu 15 Meter hoch (rote Markierung) lag der Schnee am Ende der vier Lawinenausläufer auf der Nordkette.
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Einer für alle

Nach der Erstbegehung stand fest, dass die Verantwortung für die fachgerechte Aufarbeitung des Schadholzes und die möglichst schnelle Wiederherstellung der Wege für die Naherholungssuchenden an einer Stelle gebündelt werden muss. „Der Großteil der Kleinwaldbesitzerinnen und -besitzer wäre mit der Aufgabe überfordert gewesen, weshalb beschlossen wurde, dass die Organisation und Koordination über das städtische Forstamt laufen wird“, erläutert Forstamtsleiter Andreas Wildauer: „Ein derart komplexes Projekt in dieser Dimension stellte auch unsere Mitarbeiter vor Herausforderungen. Aber ich darf unseren Mitarbeitern des Forstamtes, allen voran Wolfgang Huber, und die beauftragten Unternehmen zur erfolgreichen Umsetzung gratulieren.“

Der Borkenkäfer als ständige Bedrohung

Neben dem Schaden in Wald und Flur, der mit rund 400.000 Euro beziffert wird, schwebte die Bedrohung eines Borkenkäferbefalls wie ein Damoklesschwert über den Arbeiten. „Wir konnten und wollten uns keinen weiteren Baumverlust mehr leisten,“ erklärt Waldaufseher Huber und führt weiter aus: „Unsere Aufmerksamkeit galt nicht nur dem schnellen Aufarbeiten des Schadholzes und dessen Abtransport, sondern auch dem Borkenkäfer. Haben wir einen Befall bemerkt – auch in einem Gebiet, wo wir uns nicht gerade aufhielten – wurde dieser sofort abtransportiert.“ Durch die Effizienz und die gute Zusammenarbeit kann beim Abschluss der Arbeiten bestätigt werden, dass kein einziger zusätzlicher Baum zu Schaden kam.

Schutzwaldfunktion weiterhin aufrecht

Obwohl der Schutzwald auf der Nordkette im letztjährigen Winter immense Schäden hinnehmen musste, ist die Sicherheit der nahen Stadtgebiete vor Naturkatastrophen weiterhin gegeben, wie Wolfgang Huber bestätigt: „Es haben sich viele besorgte Innsbruckerinnen und Innsbrucker bei uns gemeldet und ich kann beruhigen: Der Wald auf der Nordkette wird die Bewohnerinnen und Bewohner auch weiterhin schützen. Es darf nicht vergessen werden, dass wir einen Jahrhundertwinter hinter uns haben. Viele kleine ausschlaggebende Momente summierten sich zu dem Ergebnis. Innsbruck ist nach wie vor sicher.“

Erosionsschutz vor Schönheit

Gewisse Bereiche im Naherholungsgebiet auf der Nordkette sehen für den Laien auch nach dem Abschluss der Arbeiten noch „unaufgeräumt“ aus. Wurzelballen und Kleinholz werden teilweise im Gelände gelassen, da diese für zum Schutz vor Erosionen wichtig sind. Weiters verbleiben dadurch Samen und Nährstoffe im Boden bzw. Bodennähe, die den Selbsteinflug und den Naturwuchs begünstigen. Dies erleichtert auch die Aufforstungsmaßnahmen, die im kommenden Jahr anstehen.

Sanierung der Lawinen-Bremsverbauung

Die Lawine auf der Nordkette richtete nicht nur immensen Schaden im Wald- und Weidebereich an, sondern führte auch zu einer starken Beeinträchtigung der vorhandenen Lawinen-Bremsbauwerke. Die Wildbach- und Lawinenverbauung Gebietsbauleitung Mittleres Inntal wurde mit der Sanierung beauftragt, welche bereits heuer zu zwei Drittel abgeschlossen werden kann.
Die kalkulierten Gesamtkosten betragen voraussichtlich rund 623.000 Euro, wovon die Stadt Innsbruck rund ein Drittel, also 210.000 Euro, übernimmt.

Zahlen zur Nordketten-Lawine

  • 6.000 Festmeter Schadholz: Damit können 4.000 Einfamilienhäuser im Neubaustandard mit 150 m2 Wohnfläche ein ganzes Jahr beheizt werden
  • 70 WaldbesitzerInnen sind betroffen, die zum Teil ihren Waldbestand zur Gänze verloren haben.
Über 200 Jahre verbrachte die Weißtanne an ihrem Standort auf der Nordkette bevor sie die Staublawine im Jänner 2019 über 400 Meter talabwärts katapultierte. | Foto: IKM/Lercher
Bis zu 15 Meter hoch (rote Markierung) lag der Schnee am Ende der vier Lawinenausläufer auf der Nordkette. | Foto: IKM/Lercher
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