Reichenau
Politstreit um Gedenkstätte

Die Gedenkstätte in der Reichenau soll eine würdige Form erhalten. Zwischen Land und Stadt gibt es darüber eine Politdiskussion. | Foto: BezirksBlätter Innsbruck
  • Die Gedenkstätte in der Reichenau soll eine würdige Form erhalten. Zwischen Land und Stadt gibt es darüber eine Politdiskussion.
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INNSBRUCK. Ein Antrag im Tiroler Landtag führt zu heftigen Reaktionen der Stadt Innsbruck. In Sachen Erinnerungskultur wäre eine zeitgemäße Gedenkstätte an das Lager Reichenau dringend angesagt. Stattdessen gibt es einen politischen Schlagabtausch.

Landtags-Antrag
Im Landtag am 16. März wird folgender Antrag diskutiert: „Die Landesregierung wird ersucht, sich gemeinsam mit der Stadt Innsbruck und Vertreter*innen der Opferverbände sowie mit Historiker*innen an einem Prozess für eine würdige Umgestaltung der Gedenkstätte an das Lager Reichenau in Innsbruck zu beteiligen." In der Begründung schreiben u. a. Gebi Mair und Patrizia Zoller-Frischauf: "Das Lager Reichenau in Innsbruck war in unterschiedlichen Organisationsformen - unter anderem als Auffanglager für italienische Zwangsarbeiter, als „Arbeitserziehungslager" für „Blaumacher",  Arbeitsvertragsbrüchige  oder  Dienstpflichtverweigernde, als Durchgangslager für Jüdinnen und Juden und als Außenlager des Konzentrationslagers Dachau Teil des NS-Terrorapparates. Insgesamt waren in den verschiedenen Lagerfunktionen in der Reichenau etwa 8.500 Menschen inhaftiert, von denen etwa 130 den Tod fanden. Nach der Befreiung wurden die Gebäude zuerst für Displaced Persons genutzt, anschließend für Menschen mit niedrigen Einkommen. 1972 wurde schließlich ein Gedenkstein errichtet, der sich heute jedoch nicht mehr am ursprünglichen Lagerort befindet. 

Das Gedenken an das Lager Reichenau ist in der bestehenden Form unwürdig und auch wenig lehrreich gestaltet. Gemeinsam mit der Stadt Innsbruck soll sich das Land Tirol an einem Prozess zur Neugestaltung und Einbettung des Gedenkortes beteiligen, dabei soll die Zusammenarbeit mit Opferverbänden und Historiker*innen gesucht werden.

Diese Initiative sieht sich im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Geschichte des NS­ Gauhauses, für die derzeit eine künstlerische Intervention am Landhaus ausgeschrieben ist und in deren Folge der Rokokosaal des Landhauses umgestaltet werden soll. Zudem steht sie in einer Linie mit den Initiativen für ein Gedenken an den NS-Deserteur, amerikanischen Spion und Landtagsabgeordneten Franz Weber, für den der Tiroler Landtag ebenfalls eine Gedenkinitiative ergriffen hat.

BezirksBlätter Innsbruck Artikel: Initiative für ein würdiges Gedenken

Verwunderung

Höchst verwundert reagiert die Vorsitzende des gemeinderätlichen Kulturausschusses, SPÖ-GR Irene Heisz, in einer Aussendung auf die Ankündigung der schwarz-grünen Landesregierung, eine Neugestaltung des Gedenkens an das Arbeitserziehungslager Reichenau in die Hand nehmen zu wollen: „Herzlichen Dank für die Initiative — allerdings sind wir in der Stadt nicht nur zuständig, willens und in der Lage, sondern vor allem bereits seit Monaten mit Hochdruck daran, das Gedenken neu zu gestalten.“

Kommission

Wie mehrfach auch öffentlich kommuniziert, arbeitet eine teils international, teils mit Innsbrucker ZeithistorikerInnen besetzte Kommission unter der Leitung von Irene Heisz und Stadtarchivar Lukas Morscher intensiv daran, das nicht mehr zeitgemäße und schon gar nicht würdevolle Gedenken auf der historisch-wissenschaftlichen, didaktischen und ästhetischen Höhe der Zeit neu zu gestalten. Die Kommission denkt und diskutiert dabei in alle Richtungen, unternimmt Begehungen auf dem Gelände und Exkursionen und Good-Practice-Beispielen, hat Forschungsaufträge zur Eruierung der großteils nicht bekannten Namen der Todesopfer sowie zu den archäologischen Aspekten vergeben u.ä.m.

BezirksBlätter Innsbruck Artikel: Neuer Gedenkort in Vorbereitung

Vertraulichkeit

„Wir haben in der Kommission strikte Vertraulichkeit über die Details unserer Diskussionen vereinbart, weil wir uns einig sind, nicht während des laufenden Prozesses mit halbgaren, aus dem Zusammenhang gerissenen Details an die Öffentlichkeit zu gehen“, berichtet Heisz. „Aber so viel ist kein Geheimnis: Ein hoch geschätztes Mitglied unserer Kommission ist Herr Dr. Christoph Haidacher, der Direktor des Tiroler Landesarchivs.

Möglicherweise hätte vor einem Antrag der Landesregierung an sich selbst geholfen, zunächst einmal beim Landesarchivar oder sogar bei der zuständigen Stadt Innsbruck, zum Beispiel bei der grünen Kulturstadträtin Uschi Schwarzl, nachzufragen, was der Stand der Dinge ist.

Im Grunde befinden wir uns kurz vor dem Abschluss des Prozesses, der seit etwa einem dreiviertel Jahr läuft“.

Empfehlungspapier

Das Ziel der Kommission ist, in den nächsten Monaten ein Empfehlungspapier zu verfassen, das dem Innsbrucker Gemeinderat dann zur Diskussion und Beschlussfassung über die weitere Vorgangsweise in Sachen Reichenau-Gedenken vorgelegt werden soll. Heisz abschließend: „Wir laden das Land Tirol sehr gern ein, sich dann an der Neugestaltung des Gedenkens, die logischerweise nicht ohne erheblichen finanziellen Aufwand gehen wird, zu beteiligen.“ 

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