Faktencheck Vorbehaltsflächen
Steht Parteilinie über Sachargumenten

Vorbehaltsflächen: "Die Voraussetzung für Vorbehaltsflächen ist in Innsbruck schlichtweg nicht gegeben." Rund 2.700 Wohnungen bei städtischen Projekten sind in Schwebe. | Foto: MeinBezirk
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  • Vorbehaltsflächen: "Die Voraussetzung für Vorbehaltsflächen ist in Innsbruck schlichtweg nicht gegeben." Rund 2.700 Wohnungen bei städtischen Projekten sind in Schwebe.
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Weder das Thema noch die politischen Diskussionen sind neu. Vorbehaltsflächen beschäftigen seit über 30 Jahren die Innsbrucker Politiker. Jetzt scheint das politische Vorhaben Realität zu werden.  Im Fokus der Kritik: "Die Voraussetzung für Vorbehaltsflächen ist in Innsbruck schlichtweg nicht gegeben." Rund 2.700 Wohnungen bei städtischen Projekten sind in Schwebe.

INNSBRUCK. Mathematisch ist für die Beschlussfassung des umstrittenen Vorhabens alles vorbereitet. Die Stadtregierung aus JA-Jetzt Innsbruck, Grüne und SPÖ verfügt mit 22 Stimmen im Gemeinderat über eine Mehrheit. Auch von Seiten der Parteien KPÖ und ALi wurde eine Zustimmung signalisiert. Konkret geht es um 23 Grundflächen von 26 (Mit)Eigentümerinnen und Miteigentümern (darunter kirchliche Einrichtungen, Investoren oder Grundbesitzerinnen und -besitzern aus dem Ausland) in Innsbruck. Bei der politischen und teils ideologischen Diskussionen gibt es zahlreiche offene Fragen und sachliche Argumente, die noch nicht ausreichend gewürdigt wurden. Eine der großen Kritikpunkte: "Die Voraussetzung für Vorbehaltsflächen ist in Innsbruck schlichtweg nicht gegeben." Ob die Mehrheit wegen eines offiziell nicht vorhandenen Klubzwangs und Treue zur Parteilinie oder doch aus voller Überzeugung erreicht wird, bleibt ein Geheimnis. 

Fehlende Voraussetzung

"Die Stadt Innsbruck stützt sich bei ihrem Vorhaben auf ein Gesetz aus dem Jahr 1994, das die Ausweisung von Vorbehaltsflächen ermöglicht – allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Grundbedarf an Wohnraum zu leistbaren Bedingungen anderweitig nicht gedeckt werden kann. Genau hier liegt das rechtliche Problem: Diese Voraussetzung ist schlichtweg nicht gegeben", erklärt Fabian Ulsamer. Tatsächlich gibt es in Innsbruck zahlreiche bereits ausgewiesene und entwickelte Flächen, auf denen hunderte neue Wohnungen entstehen könnten – ohne dass es eines massiven Eingriffs in privates Eigentum bedarf, führt er weiter aus.

  • Campagne-Areal: Noch nicht vollständig bebaut, bietet Platz für hunderte neue Wohnungen. 1.100 Wohnungen lt. Leitbild und erst 300 in der ersten Baustufe umgesetzt. Wann werden die restlichen 800 Wohnungen gebaut?
  • Pradl Süd / Sillhöfe neben dem Tivoli: In der Entwicklung durch die IIG und die Neue Heimat Tirol – ebenfalls mit dem Potenzial für hunderte Wohneinheiten. ca. 800 Wohnungen lt. Pradl Süd - Wohnbebauung Sillhöfe in Innsbruck - www.architekturwettbewerb.at
  • Harterhofgründe in Kranebitten: Ein großes Entwicklungsgebiet, das von der Stadt aktiviert werden könnte. (lt. Info Stadt Innsbruck ebenfalls ca. 1.100 Wohnungen möglich lt. Entwicklungsstudie-Hötting-West-Kranebitten-Harterhofplateau-2016.pdf)
  • Weitere Flächenreserven: Zahlreiche weitere Potenzialflächen stehen zur Verfügung, ohne dass private Eigentümer enteignet oder in ihrer Verwertungsmöglichkeit beschränkt werden müssen. (z.B. Pradler Saggen NHT 4.Bauabschnitt mit ca. 240 Wohnungen, etc. abgesehen von den zahlreichen Projekten die gerade sich im Bau befinden und den Wohnungssuchenden ja erst noch zur Verfügung gestellt werden.)

Zum Thema Vorbehaltslächen, diese Grundstücke sind betroffen

"Allein dieses Argument entzieht dem geplanten Beschluss jegliche rechtliche Grundlage. Die Stadtregierung kann nicht glaubhaft behaupten, dass keine Alternativen existieren, wenn gleichzeitig große Entwicklungsgebiete brachliegen oder nur schleppend vorankommen", betont Ulsamer weiter. Der Experte erinnert an einen bereits fehlgeschlagenen Versuch der Stadt Innsbruck: "Zudem hat Innsbruck bereits beim Versuch, das Vorkaufsrecht für Grundstücke durchzusetzen, eine gerichtliche Niederlage erlitten. Es ist zu erwarten, dass auch die aktuelle Initiative gerichtlich nicht haltbar sein wird. Abgesehen von den verfassungsrechtlichen Problemen könnten der Stadt durch eine gescheiterte Umsetzung massive finanzielle Schäden entstehen."

"Die aktuellen Pläne der Stadt Innsbruck sind weniger eine durchdachte Strategie zur Schaffung leistbaren Wohnraums als vielmehr politischer Aktionismus, der erhebliche rechtliche und finanzielle Risiken birgt. Massive Eingriffe ins Eigentum lösen nicht die Kernprobleme des Wohnungsmarktes, sondern verkomplizieren sie nur weiter. Statt auf Zwangsmaßnahmen zu setzen, sollte Innsbruck dringend eine nachhaltige Stadtentwicklungspolitik verfolgen, die auf Kooperation, Verdichtung und Innovation basiert. Nur so kann langfristig leistbarer Wohnraum geschaffen werden – ohne die Grundrechte der Bürger zu verletzen." (Fabian Ulsamer)

Fragenkatalog

Rund um die Vorbehaltsflächen gibt es zahlreiche Fragen. "Die mögliche Widmung der Vorsorgeflächen geförderter Wohnbau ist in Ihrer Anwendung eigentlich nicht gegen die Eigentümer gedacht. Hier gibt es nämlich inhaltlich einige Schieflagen", meinen Experten und bringen Beispiele dafür: Was passiert mit Flächen die als Besicherung dienen(Regressfrage)? Städtebaulich gibt die Stadt einen großen Teil der Kontrolle betreffend den Gleichbehandlungsgrundsatz des Bebauungsplanes. Die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes wurde noch nie geprüft (Miteigentümer der gemeinnützigen Bauträger ist - siehe Erkenntnis zu Wiener Wohnen). 2021 hat der damalige Bürgermeister Georg Willi an die Stadtplanung den Auftrag vergeben, eine Liste der möglichen Vorbehaltsflächen zu erstellen beziehungsweise jene von 2018, die 28 Flächen vorsah, zu aktualisieren. In einer Gemeinderatssitzung im Juni 2023 wurde von der Stadtplanung eine negative Stellungnahme abgegeben. „Zusammengefasst kann aus fachlicher Sicht festgestellt werden, dass das Ziel des geförderten oder leistbaren Wohnens im Wesentlichen (sowohl in der Anzahl der mobilisierbaren Flächen als auch des Anteils des darauf erreichbaren geförderten Wohnens) durch Verhandlungen mit den betroffenen Grundeigentümern erfolgen muss. Rein hoheitlich gesetzte Festlegungen können die Zielerreichung nicht ausreichend absichern und auch den Zeitpunkt der Zielerreichung nicht steuern“, stellte die Stadtplanung in ihrem Bericht für den Gemeinderat zusammenfassend fest. "Jetzt ist klar, dass wir nur auf Augenhöhe und gemeinsam mit den Grundeigentümern vorankommen können, also ausschließlich im Rahmen von Verhandlungen. Die populistische Ansage der Linken, dass Vorbehaltsflächen das Allheilmittel für die Wohnungsnot in Innsbruck seien, ist damit endgültig begraben", erklärte damals LA und GR Christoph Appler.  

Aktuelles aus der Innsbrucker Stadtpolitik auf MeinBezirk

Kalte Enteignung

Mit dem Beschluss über die Einführung von Vorbehaltsflächen nutze die Stadtregierung ihre Macht, um vorerst Grundstücke der freien Verfügung ihrer Eigentümer zu entziehen und sie praktisch unverkäuflich zu machen. Im nächsten Schritt könne die Stadtregierung diese günstig erwerben oder enteignen“, warnt die Nationalratsabgeordnete und FPÖ-Wirtschaftssprecherin, Barbara Kolm in einer Aussendung. Bürgermeister Anzengruber müsse einige Fragen dringend beantworten: Nach welchen Kriterien wurden die Grundstücke ausgewählt? Warum sind keine Grundstücke von institutionellen Körperschaften, wie den gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften betroffen? Hat die Stadt alle ihre eigenen Grundstücke bereits für den beabsichtigten Zweck entwickelt, hat sie ihre Grundstücke ausreichend verdichtet, oder verfügt sie über kein einziges brauchbares Grundstück? Die zentrale politische Frage sei, warum die Stadt fremde Grundstücke nicht zu marktüblichen Preisen erwirbt, sondern intransparente kommunistische Brachialmethoden durch den Gemeinderat peitsche, formuliert Kolm einen Fragenkatalog. "Das ist ein massiver Angriff auf die Privatautonomie und Eigentumsfreiheit der Stadtbürger. Mit Grundstücken über 2.500 m² fängt es erst an. Wenn die neue Stadtregierung mit dieser ‚Umverteilung‘ durchkommt, werden sie bald auf weiteres fremdes Eigentum schielen. Denn linke Gerechtigkeitsfantasien kennen keine Grenzen“, so Kolm abschließend.

Grüne sehen Impuls

Als einen „Freudentag“ bezeichnet die grüne Wohnsprecherin Zeliha Arslan den Beschluss der Stadtregierung zur Ausweisung von Vorbehaltsflächen. „Endlich ist die Tür für die Mobilisierung von Großgrundstücken in Innsbruck geöffnet. Dafür haben wir Grüne jahrelang gekämpft“, erinnert Arslan an die letzte Legislaturperiode, in der eine konservativ-rechte Mehrheit diese wichtige Maßnahme für leistbares Wohnen verhindert hatte. „Jetzt ist der Weg frei für einen starken Impuls am Wohnungsmarkt. Die Bausperre in Kombination mit den Vorbehaltsflächen wird ihre Wirkung zeigen“, ist sich Arslan sicher. Der Beschluss sei insgesamt ausgewogen, denn die Grundbesitzerinnen und -besitzer würden auch unter den Konditionen der Vorbehaltsflächen einen Gewinn erzielen. „Der Vorteil liegt für die Stadt darin, dass die Hälfte des Grundstücks den angemessenen Grundkosten der Wohnbauförderung entsprechen muss. Und diese liegen mehr als 2,5-mal niedriger als die Grundstückspreise am freien Markt“, veranschaulicht Arslan. 

LHStv. Geisler gegen Vizebgm. Willi und StR Bex

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