Frei im Theater: Hamlet im Großen Haus
Das Beste kommt zum Schluss

Der Geist des ermordeten Königs (Ian Fisher) betört und verstört Hamlet (Phillip Henry Brehl) mit dröhnenden E-Gitarren-Riffs und melancholischen Gesängen.  | Foto: Birgit Gufler
4Bilder
  • Der Geist des ermordeten Königs (Ian Fisher) betört und verstört Hamlet (Phillip Henry Brehl) mit dröhnenden E-Gitarren-Riffs und melancholischen Gesängen.
  • Foto: Birgit Gufler
  • hochgeladen von Christine Frei

Hamlet, das ist im Theater die Oberliga. An die man sich nur wagen kann und sollte, wenn man auch den Hamlet dafür hat, so Intendant Johannes Reitmeier bei der öffentlichen Premierenfeier, die man nun erstmals wieder abhielt, nach gefühlt zwanzig Jahren, wie Reitmeier ironisch meinte. Das TLT- Ensemble hat einen Hamlet, und was für einen: Phillip Henry Brehl spielt ihn in der Inszenierung von Amélie Niermeyer, die sich die Regiearbeit erstmals mit der jüngeren Kollegin Jana Vetten teilte, als fragilen Hochsensiblen, der alles durchschaut und letztlich doch in der ehernen Opfer-Täter-Spirale des patriarchal-martialischen Gesellschaftssystems gefangen bleibt. Denn die einzig mögliche Flucht(-option) ins Philosophiestudium in Wittenberg wird ihm verwehrt.

Hamlet, seit über zwanzig Jahren erstmals wieder am Spielplan des TLT, ist ein Ereignis, das man gesehen haben sollte. Weil hier Erfahrene und Junge in einem gelungenen Miteinander eine neue hoffnungsvolle Interpretation für diesen Klassiker auf die Bühne bringen. Denn Joyce Sanhá wird als nun weiblicher bester Freund Hamlets Horatio auf dem zuletzt wieder geraden Spielfeld das Rache-Perpetuum durchbrechen und einen neuen friedlichen Spielzug setzen. Die aktuelle Produktion ist übrigens in Kooperation mit der Universität Mozarteum Salzburg entstanden, wo Regiestar Niemeyer den Studiengang für Regie und Schauspiel leitet und somit neben Ulf Kirschhofer, der dort Kampfchoreographie lehrt, auch noch ehemalige bzw. Noch-Studierende wie ihre Co-Regisseurin Jana Vetten, den Horatio Joyce Sanhá, Tim Bülow als Laertes und Deborah Barbieri als Ophelia mitbrachte. Auch diese Figur wird überfällig emanzipiert. Ihr Freitod ist letztlich das einzig mögliche souveräne Ausstiegsszenario in diesem paternalistischen Gewaltsystem, in dem der großartige Musiker Ian Fischer verschleiert und mit dröhnenden E-Gitarre-Riffs und einnehmenden Songs den Geist des Vaters beschwört - als männlicher Erynnis, dessen Sound alle und insbesondere seinen Sohn Hamlet in einen Bann schlägt.

Die schräg aufgestellte Bühne markiert eine Welt aus den Angeln, wie wir sie derzeit mehr denn je erleben. Wenig verwunderlich werden die alten Kostüme und Perücken nach der initialen Geistszene abgestreift, spielen die Darsteller:innen dann in neuzeitig anmutender Kleidung weiter. Stefanie Seitz, auch sie eine langjährige künstlerische Wegbegleiterin Niermeyers, hat dieses fantastisch stringente Konzept entwickelt, in dem das Ensemble seine ganze Stärke fulminant ausspielen kann. Grandios wie eh und je in ihrem Zusammenspiel Jan-Hinnerk Arnke als König Claudius, der seinen Bruder vergiftete und sich so den Thron und dessen Frau und Hamlets Mutter Antje Weiser einverleibte, weiters Raphael Kübler als Ophelias Vater und Hof-Faktotum Polonius, Kristoffer Nowak und Marion Fuhs in der Rolle des verräterischen Freundesgespanns Rosenkranz und Güldenstern und Jan Schreiber als Totengräber. Denn auch die Verdichtung dieses im übrigen längsten Shakespeare-Theatextes auf die wesentlichen Handlungsstränge ist dieser Produktion auf grandiose Weise gelungen. Wenig verwunderlich daher Standing Ovations!

Du möchtest regelmäßig Infos über das, was in deiner Region passiert?

Dann melde dich für den MeinBezirk.at-Newsletter an

Gleich anmelden

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Folge uns auf:

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.