Ein persönlicher Nachruf von Herr BERT Waltl.
Dem Toni Kraler einfach so hypopoetisch nachgerufen ...

- † Anton "Toni" Kraler
- Foto: Herbert Waltl
- hochgeladen von Herr.Bert Waltl
Erstmals sichtbar: 30. 3. 1941.
Am 31.7. 2001 in Pension gegangen -
jetzt - am 16. 7. 2021 weitergezogen.
Auch das ist so.
Eine ganz persönliche, meine Rückblende. Einfach so hingeschrieben, nachgerufen, von der Leber, besser vom Herzen weg, gekritzelt. Klar: Jeder hat seine eigene Wahrnehmung über seine Begegnungen und die zufällige Schnittmenge von Lebenswegen mit anderen Menschen. Das ist meiner. Der Anlass ist ein trauriger. Schon wieder.
Es war immer erbaulich
mit Toni zu reden. Die Unterhaltung sinnig, lustvoll und voller Überraschungen. Wer kann schon noch altgriechisch? Kennengelernt habe ich ihn so in den frühen 80iger Jahren. Er war Leiter der Geschäftsstelle Fulpmes, ich Kassierlehrling in der Zentrale. Und aushilfsweise über Silvester, es muss wohl 1980/1981 gewesen sein, dieser, seiner Geschäftstelle zugeteilt. Durfte mit ihm gemeinsam täglich von Innsbruck nach Fulpmes fahren. Er - wie ich Osttiroler. Ich Lienzer - er Pustertaler. Das erste Kennenlernen. Tiefsinnige Gespräche vom erfahrenen Banker mit dem Jungspund. Die Liebe zur Sprache und zur Musik, zu all den anderen schönen Lustbarkeiten des Lebens schon erkennbar. Und so war es in den nächsten Jahrzehnten immer. Kurze, zufällige Treffen und Begegnungen waren es. Immer geprägt von dieser besonderen Verbindung und in Verbundenheit.
Er war auch ein Freund
des Festivals der Träume. Zahlreiche Besuche dort. Und immer wieder ein paar aufmunternde Worte, geprägt vom gegenseitigen Wertschätzen, gewechselt. Seine Augen, ich erinnere mich besonders an diese regen, aufmerksamen Augen, die alles rundum aufzunehmen schienen. Dieser leicht schelmisch-verschmitzte Gesichtsausdruck, Kopf leicht auf der Seite, beobachtend und „durchblickend“. Im tieferen Sinn. Ein sympathischer Oberländer-Schelm, wie wir Osttiroler zu sagen pflegen! Und Toni hat sich immer wieder über und für mein „Befinden“ interessiert. „Wie geht es Dir in der Hypo?“ Die Gegenfragen, wie es mit ihm und seinem persönlichem Befinden ausgesehen, hat er meist kurz und schmerzlos erledigt. „Auf und ab“ war die meist kurze Antwort. Dabei war Toni in seiner aktiven Zeit, wohl auch darüber hinaus, ein begnadeter, versierter Performer, besonnen, belesen, der aus dem Kopf uns Zuhörer mit seiner ausgewählten Sprache in seinen Bann ziehen konnte. Wohl wahr: Jeder Mensch hat seine ganz eigene Mystik, seine Geheimnisse. So war es wohl auch bei Toni.
Ich weiß,
dass der Toni ein besonders guter Repräsentant, Kommunikationstalent der Hypo Tirol, nicht nur damals, sondern zeit seines Lebens war. Im Stubaital, in Fulpmes waren er und Herbert Sommavilla eine Institution. Allein und vor allem im Tandem. Geschätzt, geliebt und auch immer wieder erfolgreich „verführt“. Wenn man weiß, zumindest ahnt, wie in der damaligen Zeit Geschäfte gemacht, Beziehungen aufgebaut und vertieft wurden. Und als „Osttiroler“ hatte man, Originalzitat Toni „... es nicht leicht. Zuerst einmal Trinkfestigkeit zeigen, dann reden wir ...!“ Aber ohne Sympathie, ohne menschliche Zuneigung und gegenseitigem Vertrauen geht gar nix. Nebensatz: Auch heute nicht.
Im Bankgeschäft,
komplex, sprachverwirrt, profan, dem damaligen, da hat ihm keiner etwas vorgemacht. Vision und Voraussicht gepaart mit Talent, mit Intelligenz, wirklichem Wissen und Können und vor allem die notwendige Menschenliebe waren stets vorhanden. Seine organisatorischen Fähigkeiten haben wohl auch den Vertrieb und im letzten Abschnitt auch Werbestrategie der Landesbank entscheidend geprägt. Kein Solist, sondern Mannschaftsspieler. Viele Strukturen, Maßnahmen und Denkmodelle stammen aus dieser Zeit und werden heute unter neuem Namen und gar wundersamen Verpackungen wieder entdeckt. Marketing war damals noch nicht wirklich erfunden. Und hieß noch Reklame und Mundpropaganda war als Zaubertrank an der Tagesordnung. Toni Kraler war Vorreiter und Vorbereiter von dem was hier kommen sollte. Seine offizielle Funktion bei Pensionsantritt war „Verkaufsleiter Nordtirol“. So lapidar einfach diese Berufsbezeichnung, so wenig hat sie die umfassenden Fähigkeiten und Talente von ihm beschreiben können. Aber spielt das im nachhinein eine Rolle. Toni hat sich nie über seine Berufsbezeichnungen und Rollen definiert. Das weiß ich.
Wir haben uns
in den letzten Jahren öfter über das, mein Lieblings-Projekt „Hypo“ unterhalten, den roten Faden der Hypo zu flicken, die Bruchstellen aufzuarbeiten und die Verletzungen zu verbinden, sie zu kurieren und nach 120 Jahren das „Buch der Landesbank“ zu schreiben. Er fand die Idee toll. Und bestärkte mich im Tun. „Du machst das!“
Zugeben muss ich,
ich weiß nicht viel über das ganz Persönliche vom Toni. Unsere gemeinsamen Gespräche drehten sich meist um die Bank, um die Kunst, vorzugsweise die Musik, seine Gesprächsführung nahm meist mich, sein Gegenüber in den Mittelpunkt. Was ich weiß, auf seinen Sohn Markus und dessen musikalische Entwicklung, seine Erfolge war er immer besonders stolz. Aber sonst. Ich weiß nichts über die Fragmente der Einsamkeit. Im Sterben und bei der Geburt sind wir Menschen auf uns zurückgeworfen, auf die unvermeidliche Einsamkeitsposition. Mutig. Offen. Ehrlich. Geduldig, so schien es mir, wie er mit seiner Krankheit umgegangen ist. Stille Bewunderung meinerseits.
Toni war auch
bei meinem „Schlussapplaus“ anlässlich meines Übertritts in den nunmehrigen „Flaneur-Zustand“ dabei. Während und trotz Corona, knapp vor dem zweiten Lockdown im Oktober 2020. Er kam ins Ausweichquartier „auis“ und hat mit mir ein kleines Bierchen getrunken. „Krizzelbuch“, Kleber und Postkarten mitgenommen, Spende für „Netzwerk Tirol hilft“ abgegeben. Sein Gesicht, sein Körper schon gezeichnet von der Krankheit, müde, abgemagert, trotzdem seine Augen immer noch aufnahmebereit und rege. „Es geht mir ganz gut“, sein Statement. Mein Drang nach Informationen, mein Feldforschungsprojekt hat auch vor ihm nicht halt gemacht. „Toni! Darf ich dir drei Fragen stellen?“ - Toni hat mir geantwortet. Ich habe mit Mikro und Handy draufgehalten. „Starkes Land!“ - „Starke Menschen“ - „Starke Bank“ ... - Für ihn typisch seine kurze Antwort. 31 Sekunden. Über sein Gegenüber. Und sein Lächeln. Bleibt als Erinnerung. Auch seine Enttäuschung, als ich von meinem Scheitern mit dem Hypo-Buch erzählt habe.
Es war vor gut zwei Wochen,
glaube ich, auf der anderen Straßenseite, da habe ich den Toni gesehen. Aus dem Augenwinkel. Langsamen Schrittes, kurzer Augenblick, so schien mir, er hat herüber geschaut, ich zurück. Ich wollte hinüber, habe es dann aber, weil meine Gedanken mich fortgetragen, nicht getan. Ich habe die Straßenseite nicht gewechselt. Das tut mir heute leid.
Ich arbeite mich
wieder durch das "Waltlsche-Hudri-Wudri Archiv" und schwelge in der Vergangenheit. Bilder habe ich im Kopf, aber sie lassen sich in Natura nicht finden. Besondere schönen Gedanken an die „Alten“ habe ich auf jeden Fall. Nach dem Franz Winkler, jetzt der Toni Kraler. 2001 ist er in Pension gegangen. Bilder von seiner Abschiedsfeier im "Riesen Haymon" habe ich gefunden. Die Erinnerung lebt. Und persönlich? Persönlich habe ich von diesen Menschen, die jetzt weitergezogen, immer viel lernen können.
Toni hat uns,
die wir ihn kennen, ihn kannten, sicht- und unsichtbare Spuren hinterlassen. Vorgemacht, wie man vieles richtig macht und trotzdem bei sich selbst bleiben kann. Nicht nur in jungen Jahren, wo der Lebensrhythmus easy, vor allem im Alter, wo es beschwerlich(er) wird. Ich behalte ihn in besonderer Erinnerung. Und suche noch ein wenig weiter im riesengroßen Fotoarchiv des gemeinsamen Lebens - hier. So nach dem Motto: "Noch ist nix verloren, was in meinem Kopf gespeichert ist."
Was bleibt mir.
Offene Gedanken, positive Schwingungen und viel Dankbarkeit in die Richtung der Menschen, die jetzt besonders um den Toni weinen und trauern, zu schicken. Aber auch mit einem kleinen Lächeln. Toni war für mich auch ein fröhlich-verschmitzt-geselliger Mensch. Als selbst ernannter „Fährmann“ der alten Hypo kommt man derzeit ja aus einem „Dauer-Augen-Lulu“ gar nicht mehr heraus. Und dass Lachen und Weinen nah beieinander liegen, ist nicht neu. Vielleicht kann ein gutes „Osttiroler-Schnapsl“ meinen Blues verscheuchen. Kurzfristig. So oder so.
Lebe wohl, lieber Toni.
Nachsatz: Wenn einem die richtigen Worte fehlen, ist es schön, bei den Weisen der Umgebung nachschlagen zu dürfen. Ich komme somit nicht umhin auch hier wieder Franz Schuh (aus „Lachen und Sterben“) zu zitieren:
„Wenn es Regeln gäbe, was Menschen unbedingt tun sollten, dann könnte man festlegen: Sie sollten wenigstens zweimal im Jahr gründlich über den Tod nachdenken. Vielleicht sollte man jedoch das Gegenteil vorschlagen: kein Gedanke an den Tod. Es hat doch keinen Sinn, das ohnedies Unvermeidliche in Gedanken noch einmal zu fixieren ... Ist außerdem über den Tod nicht schon alles gesagt und lässt sich, was nicht gesagt, eh nicht sagen?Beim Reden über den Tod stellt sich heraus, dass man hier „wir“ sagen kann, ohne dass es eine Anmaßung wäre. Wir - das ist das eine, und das andere ist, dass durch die Gegenwart des Todes in der Gegenwart eines jeden das Leben selber seine Unschuld verliert - etwas stimmt da nicht. Mitten unter Notizen über Alltägliches schreibt Arthur Schnitzler am 19. Jänner 1917 in sein Tagebuch: „Die ungeheure Raschheit, mit der das Leben verrinnt - Unheimlichkeit des Lebens.“
19. Juli 2021/wh/Der Flaneur!
PS: Auf die Publikation der 30 sec. Feldforschungsvideo, siehe oben möchte ich lieber verzichten.
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